Projekt 35183/01

Machbarkeitsstudie für ein UNESCO-Biosphärenreservat Desa’a Forest

Projektdurchführung

Universität Hamburg Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit Institut für Geographie Abt. Physische Geographie
Bundesstr. 55
20146 Hamburg

Ergebnisse und Diskussion


Projektphase 1
Die globale COVID-19-Pandemie und der Bürgerkrieg in Äthiopien haben die Machbarkeitsstudie vor ungeahnte Herausforderungen gestellt, aus denen durch ein hohes Maß an Flexibilität, Kooperationsbereitschaft und multinationaler Zusammenarbeit neue Projektziele und reichhaltige Ergebnisse entstanden sind. Der Nominierungsantrag des geplanten UNESCO-BR Desa’a Forest in Äthiopien wurde den Umständen entsprechend bestmöglich fertiggestellt und liefert als qualifizierter Entwurf eine gut ausgearbeitete Vorlage, die im Rahmen eines Folgeprojektes mit überschaubarem Arbeitsaufwand vervollständigt, ratifiziert und bei der UNESCO eingereicht werden kann. Im Folgenden werden die zentralen Projektergebnisse der ersten Projektphase noch einmal kompakt dargestellt:

a) ENTWURFS EINES NOMINIERUNGSANTRAGS FÜR DAS UNESCO-BR DESA’A FOREST
In Zusammenarbeit mit der MSF wurde ein qualifizierter Entwurf des Nominierungsantrags erstellt, in den akademisches Fachwissen aus mehr als 360 wissenschaftlichen Publikationen und Projektberichten sowie ein erster Zonierungsentwurf eingearbeitet wurde. Identifizierte knowledge gaps wurden in einer Checkliste festgehalten und müssen im Rahmen einer zukünftigen Feld- und Konsultationsphase vor Ort geschlossen werden.
b) KONZEPTION DES UNESCO-BR DESA’A FOREST
Der Nominierungsantrag erfordert neben detaillierten Hintergrundinformationen auch die eigentliche Konzeption des Schutzgebietes. Die wichtigsten konzeptionellen Schritte (governance, zonation, community representation, etc.) sollten gemäß der UNESCO-Statuten in erster Linie durch die äthiopischen Mandatsträger*innen selbst vorangetrieben werden. Die Rolle der UHH und der MSF sollte sich hier aus politischen Gründen unbedingt auf die Beratung im Hintergrund beschränken. Da diesbezüglich jedoch pandemie- und kriegsbedingt im Rahmen der ersten Projekthälfte kaum Fortschritte zu verzeichnen waren, wurde dazu übergegangen, detaillierte Konzeptvorschläge zu erarbeiten, die den äthiopischen Partner*innen als Diskussionsgrundlage vorgelegt, jedoch bisher nicht ratifiziert wurden.
c) AUFBAU EINES KOMPETENZNETZWERKS ZU UNESCO-BRS IN ÄTHIOPIEN
Innerhalb der Projektlaufzeit wurde ein erweitertes Kompetenznetzwerk zu UNESCO-BRs in Äthiopien aufgebaut, das die Kommunikation und den Wissensaustausch aller beteiligten Stakeholder*innen fördern soll. Diesbezüglich konnte die Unterstützung von zwei Staatsministern sowie des Generaldirektors der EFCC gewonnen werden. Der Stakeholder*innen-Workshop in Samara trug maßgeblich zur Etablierung des Netzwerks, zur überregionalen Bekanntmachung und zur Konsolidierung der UNESCO-BR Desa’a Forest Taskforce bei, die darauf abzielt, optimale Synergieeffekte zwischen allen involvierten Stakeholder*innen auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene zu schaffen.
d) ERWEITERUNG DES FORSCHUNGSSTANDES
Innerhalb der Projektlaufzeit wurde umfangreiches Hintergrundwissen zum interdisziplinären Forschungsfeld der Mensch-Umwelt-Interaktionen in Ostafrika, insbesondere zur Zielregion Desa’a Forest, erschlossen. Die Themenfelder umfassen unter anderem Biodiversitätsdynamiken, Waldrückgang, Klimaveränderungen, Ökosystemdienstleistungen, Landnutzungskonflikte, soziokulturelle Transformationsprozesse, Entwicklungspotenziale sowie Aspekte der Integration von lokalen Interessen, Kapazitäten und Wissensressourcen zur optimalen Vorbereitung eines möglichst effektiven, regionalzugeschnittenen und besonders partizipativ ausgerichteten Waldmanagementkonzepts im Rahmen des geplanten UNESCO-BRs.
e) WISSENSMANAGEMENT & WISSENSTRANSFER
Zur Optimierung des Wissensmanagements wurde an der UHH eine Citavi-Datenbank für das Projekt angelegt, in dem während der Projektlaufzeit mehr als 1.100 Dokumente eingepflegt wurden. Die Datenbank verfügt über ein komplexes Kategoriensystem und gilt als abgeschlossen. Zusätzlich wurde ein Zitationsmanual für das gemeinsame Wissensmanagement erstellt, das den äthiopischen und internationalen Partner*innen auch zukünftig den Überblick erleichtern soll.
f) ERSTELLUNG EINES EVALUATIONSBOGENS FÜR UNESCO-BRS
Basierend auf den drei Funktionen eines UNESCO-BRs (conservation, development, logistics) sowie den SDGs wurde ein übertragbarer Evaluationsbogen entwickelt, der die Effektivität von UNESCO-BRs möglichst umfangreich abbilden soll. Der Evaluationsbogen bildete auch das methodische Fundament für die empirische Datenaufnahme im Rahmen der folgenden Feld- und Konsultationsphasen in Uganda und Kenia sowie der späteren Auswertung des Materials und ist für zukünftige Effektivitätsanalysen von UNESCO-BRs universell einsetzbar.
Projektphase 2
Durch die Erweiterung der Projektziele und die zusätzliche Erschließung des Untersuchungsgebietes Mount Elgon, konnten trotz der innenpolitischen Entwicklungen in Äthiopien und der damit einhergehenden Einschränkungen der Projektarbeit, wertvolle wissenschaftliche Ergebnisse generiert werden, die den Forschungsstand zur Effektivität von UNESCO-BRs und anderen Schutzgebietsformen in Ostafrika nachhaltig bereichert und somit zu einer langfristigen Verbesserung des internationalen Naturschutzes beitragen kann. Somit kann insbesondere die zweite Projektphase als voller Erfolg betrachtet werden. Im Folgenden werden die zentralen Projektergebnisse der zweiten Projektphase noch einmal kompakt dargestellt:

a) ERSCHLIEßUNG DES STAKEHOLDER*INNEN-NETZWERKS, UGANDA
Innerhalb kürzester Zeit wurde mit Hilfe ugandischer Kolleg*innen für die geplante Effektivitätsanalyse des UNESCO-BR Mount Elgon in Uganda ein umfangreiches Stakeholder*innen-Netzwerk erschlossen, das uns ermöglichte, im Rahmen der Feld- und Konsultationsphase ein umfassendes Bild der Region zu erhalten, Kontakt zur Lokalbevölkerung in den neun angrenzenden Distrikten des UNESCO-BRs aufzunehmen und zahlreiche unterschiedliche Perspektiven auf die sozioökonomische Konfliktkonstellation abzubilden.
b) ERSCHLIEßUNG VON HINTERGRUNDWISSEN & WISSENSMANAGEMENT, UGANDA
Für den Abbau von Wissensdefiziten und dem Aufbau von interdisziplinärem Fachwissens rund um die Thematik des UNESCO-BRs Mount Elgon wurde eine neue Citavi-Literaturdatenbank aufgesetzt, in die mehr als 1.000 Publikationen eingepflegt wurden, von denen im Rahmen der Projektlaufzeit bereits eine Vielzahl systematisch durchgearbeitet wurde (insbesondere Managementpläne, Projektberichte sowie interdisziplinäre Fachliteratur). Die Literaturdatenbank bildet den derzeitigen Forschungsstand zum Untersuchungsgebiet ab, dient als wichtige Grundlage für die derzeit angefertigten Publikationen und wurde ebenfalls den beteiligten Projektpartner*innen zugänglich gemacht.
c) DURCHFÜHRUNG DER ZWEITEN FELDPHASE- UND KONSULTATIONSPHASE, UGANDA
Im Herbst 2021 wurde eine fünfwöchige Feld- und Konsultationsphase in Uganda und Kenia durchgeführt, in der die wichtigsten Stakeholder*innen auf beiden Seiten des Schutzgebiets persönlich konsultiert wurden und die empirische Datenaufnahme in allen neun Distrikten des ugandischen UNESCO-BR Mount Elgon erfolgte. In diesem Zeitraum wurden u.a. zehn FGDs mit Gemeindemitgliedern, 16 Expert*innen-Interviews und zahlreiche Feldbesuche realisiert (insgesamt ca. 360 Seiten Interviewmaterial).
d) ERGEBNISANALYSE & PRÄSENTATION, UGANDA
Die Analyse des reichhaltigen Interviewmaterials wurde in MAXQDA durchgeführt. Hierbei dient der entwickelte Evaluationsbogen als Leitfaden für die Kodierung des Materials. Die umfangreichen Informationen zum bestehenden Mensch-Naturschutz-Konflikt, der das alltägliche Leben am Mount Elgon bestimmt, wurden hierbei ebenfalls strukturiert ausgewertet. Das entstandene Kodierungssystem bildet ein universell übertragbares Analysemodell für zukünftige Effektivitätsanalysen weiterer Schutzgebiete in Ostafrika. Die Ergebnisse wurden bereits mit diversen Stakeholder*innen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene im Rahmen von Workshops und Vorträgen geteilt und werden durch derzeit entstehende Publikationen der interdisziplinären Fachwelt zugänglich gemacht.
e) KOMMUNIKATION MIT ENTSCHEIDUNGSTRÄGER*INNEN & KOOPERATIONSABKOMMEN
Um die weitere wissenschaftliche Zusammenarbeit zu befördern und um zu gewährleisten, dass die durchgeführten Forschungsarbeiten zu einer langfristigen Verbesserung der sozioökologischen Konfliktsituation am Mount Elgon beitragen, erfolgten mehrere Gespräche mit hochrangigen Mandatsträger*innen der ausführenden Behörden und dem nationalen MAB-Komitee in Uganda sowie mit Entscheidungsträger*innen der UNESCO in Paris. Zusätzlich wurde ein MoU mit der MU aufgesetzt, das bestehende Synergien weiter ausbauen soll und zukünftige Kooperationsprojekte im Rahmen der Forschung und Lehre vorsieht.
f) ERSCHLIEßUNG DES STAKEHOLDER*INNEN-NETZWERKS, KENIA
Im Rahmen der Vorbereitung der Feld-und Konsultationsphase in Kenia konnte das bereits unter Federführung der UHH und MU etablierte Stakeholder*innen-Netzwerk durch ein formalisiertes Kooperationsabkommen (MoU) mit der MMUST ausgebaut werden. Die staatliche Universität im Osten des Landes verfügt über ausgeprägte Wissensressourcen zum Untersuchungsgebiet Mount Elgon und stellte einen wissenschaftlichen Mitarbeiter zu Verfügung, der die Datenerhebung durch sein umfangreiches Lokalwissen, seine guten institutionellen Kontakte und seine fachliche Expertise maßgeblich bereicherte. Aus der erfolgreiche Kooperation der UHH, der MU und der MMUST entstand eine besonders wertvolle multinationale Forschungsdynamik, die im Rahmen zukünftiger Projekte noch weiter ausgebaut werden soll.
g) ERSCHLIEßUNG VON HINTERGRUNDWISSEN & WISSENSMANAGEMENT, KENIA
Für die effektive Vorbereitung der Feld- und Konsultationsphase in Kenia konnte auf die Literaturdatenbank und inhaltliche Auseinandersetzung der bereits erfolgten Forschungsarbeiten zurückgegriffen werden. Jedoch erfolgte eine zusätzliche inhaltliche Vertiefung hinsichtlich der sozioökologischen und geschichtlichen Spezifika der kenianischen Seite des transnationalen Schutzgebietes sowie bezüglich der zusätzlichen Chancen und Herausforderungen für den implementierten Naturschutz, die sich aus dem gut etablierten Safari-Tourismus in Kenia ergeben. Die hierfür durchgearbeitete Literatur wurde in die bereits bestehende Mount Elgon Citavi-Datenbank eingepflegt, sodass diese nun eine detaillierte Literaturübersicht zu beiden Seiten des transnationalen Untersuchungsgebietes bereitstellt.
h) DURCHFÜHRUNG DER DRITTEN FELD- UND KONSULTATIONSPHASE, KENIA
Im Frühjahr 2023 konnte nach intensiver Vorbereitung die Feld- und Konsultationsphase auf der kenianischen Seite des UNESCO-BR Mount Elgon erfolgen, die nach einem erfolgreichen Kick-Off Meeting an der MMUST eine etwa vierwöchige Datenaufnahme mit abschließenden Workshops und Ergebnisdiskussionen an der Partneruniversität und mit dem kenianischen MAB-Komitee umfasste. Hierbei konnten insgesamt 13 FGDs und 15 Expert*innen-Interviews durchgeführt und somit Interviewmaterial von ca. 430 Seiten zusammengetragen werden. Zusätzlich ergänzen die Ergebnisse der 13 partizipativen Kartierungen die erhobenen Daten um zusätzliche lokale Perspektiven auf Aspekte der Effektivität des Schutzgebietssystems, bestehende Landnutzungsmuster und Mensch-Naturschutzkonflikte in der Untersuchungsregion.
i) ERGEBNISANALYSE & PRÄSENTATION, KENIA
Um optimale Vergleichbarkeit zu garantieren, wurde die Analyse des Materials auf Basis des bereits für Uganda erprobten MAXQDA-Kodierungsmodells durchgeführt, wobei gemäß der vorangegangenen Arbeit ebenfalls ein erweiterter Schwerpunkt auf den bestehenden Mensch-Naturschutz-Konflikt gelegt wurde. Die vorläufigen Ergebnisse wurden bereits mit den zwei beteiligten Partneruniversitäten sowie dem kenianischen MAB-Komitee in Nairobi kommuniziert, im Rahmen von Workshops und Vorträgen mit der interdisziplinären Fachwelt diskutiert und zukünftig in wissenschaftlichen Journals veröffentlicht.





Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation


PROJEKTPHASE 1
Trotz der COVID-19-induzierten Einschränkungen und der durch den Ausbruch des Bürgerkriegs verhinderten Feldarbeit in Äthiopien, konnte eine erste projektbezogene wissenschaftliche Veröffentlichung bereits zu Beginn der Projektlaufzeit realisiert werden. So ist bereits 2020 der Fachartikel Mensch-Umwelt-Interaktionen im äthiopischen Hochland in der wissenschaftlichen Buchreihe GEO: Warnsignal Klima von Gruner + Jahr erschienen (STROBELT & VON KOCEMBA 2020).
Darüber hinaus wurde die Machbarkeitsstudie für ein UNESCO-BR Desa’a Forest bereits mehrfach auf wissenschaftlichen Fachtagungen präsentiert. So wurde das Projekt im Januar 2020 auf dem Neujahrssymposium der Claussen-Simon-Stiftung (CSS) in Hamburg, im Dezember 2020 auf der internationalen GORILLA-Konferenz der International Geographical Union (IGU) in Kampala sowie im April 2021 auf dem offiziellen Stakeholder*innen-Workshop zur Einrichtung des geplanten UNESCO-BR Desa’a Forest vorgestellt. Die Vorträge stießen beim jeweiligen Fachpublikum auf großes Interesse und die anschließenden Diskussionen lieferten wertvolle Inputs für die weitere Projektplanung.
PROJEKTPHASE 2
Die im Rahmen der zweiten Projektphase erschlossene Thematik zur Effektivität von Schutzgebieten sowie zu Mensch-Naturschutz-Konflikten in Ostafrika am Fallbeispiel des transnationalen UNESCO-BR Mount Elgon, wurden ebenfalls mehrfach auf internationalen Kongressen präsentiert. So wurden im Mai 2022 die Ergebnisse der ersten Effektivitätsanalyse (Uganda) auf der UNESCO-Fachtagung Research in, for and with Biosphere Reserves in Eberswalde vorstellt und mit einer Vielzahl hochrangiger Entscheidungsträger*innen der UNESCO diskutiert. Im März 2023 wurde hierzu ein Tagungsband veröffentlicht und fasst alle zentralen Ergebnisse der anwesenden Wissenschaftler*innen zusammen. Die anschließende Vorstellung der Projektergebnisse im Juli 2022 auf der Fachtagung der IGU zu Ehren ihres 100-jährigen Bestehens in Paris bot schließlich die wertvolle Gelegenheit, die in der akademischen Öffentlichkeit bis heute unterrepräsentierte Thematik der Mensch-Naturschutz-Konflikte in Ostafrika einem breiten, internationalen Fachpublikum vorzustellen und die sensiblen Ergebnisse mit einer Vielzahl von Kolleg*innen kritisch zu diskutieren.
Im Mai 2023 wurden die Ergebnisse der Effektivitätsanalyse (Kenia) auf der Fachtagung der IGU Commission on African Studies (IGUCAS) in Maputo vorgestellt, die sich ausschließlich mit afrikaspezifischen Forschungsfeldern beschäftigte. Wie sich im Rahmen zahlreicher Vorträge von afrikanischen Wissenschaftler*innen abzeichnete, stößt die geplante Ausweitung von Schutzgebieten im Rahmen der 30 by 30-Agenda in der afrikanischen Fachwelt überwiegend auf deutliche Ablehnung, da das bestehende Schutzgebietssystem bereits enorme Flächen des afrikanischen Kontinents umspannt, mit (post-)kolonialer Enteignung der traditionellen Bevölkerung assoziiert wird, vielerorts sozioökologische Konflikte verstärkt hat und dessen tatsächliche Effektivität hinsichtlich des Erhalts der globalen Biodiversität oftmals nicht ausreichend belegt ist. Die kritische Reflexion des Untersuchungsgegenstandes im Rahmen der Fachkonferenz stellte einen wertvollen Mehrwert für die Projektarbeit da. Ein weiterer Teil der Forschungsergebnisse wurde im Juni 2023 auf der European Conference of Tropical Ecology in Budweis vorgestellt. Darüber hinaus sind drei weitere Publikationen der Ergebnisse aus der zweiten Projektphase in Arbeit, die aller Voraussicht nach 2024 und 2025 in wissenschaftlichen Journals veröffentlicht werden.
UNIVERSITÄRE LEHRE & STUDENTISCHE FORSCHUNG
Die nun mehrjährige Beschäftigung mit unterschiedlichen Schutzkonzepten und Mensch-Umwelt-Konflikten in Ostafrika hat zur tiefergehenden Integration der Thematik in den Lehrplan an Institut für Geographie an der Universität Hamburg geführt. Im Modul Forschendes Lernen des Masterstudiengangs haben vier Studierende bereits erfolgreich ihre studentischen Forschungsarbeiten im Rahmen der Projektarbeit abgeschlossen (2020-2024), während zwei weitere Studierende derzeit an einer fernerkundlichen Analyse zu Waldveränderungen am Mount Kenya arbeiten. Im Bachelorstudiengang hat bereits im Wintersemester 2022 ein Blockseminar mit dem Titel Naturschutz in Afrika. Eine kritische Einführung stattgefunden, welches aufgrund der positiven Resonanz im Wintersemester 2023 wiederholt wurde.
Die Vertiefung der Thematik und Einbindung in Lehrveranstaltung hat zur Förderung des Allgemeinwissens bezüglich der gesellschaftsrelevanten Thematik beigetragen und überaus großes Interesse geweckt, sodass im Rahmen der Afrika-AG des evangelischen Studienwerk e. V. Villigst ein Themenvortrag zur komplexen Verflechtungen der Geschichte und postkolonialen Kontinuitäten im Naturschutz in Afrika angefragt und im Oktober 2022 vorgetragen wurde. Dem folgte im April 2023 ein Gastbeitrag im Webinar Conservation and Society an der Flame University in Pune in Indien, indem die Thematik der Naturschutzkonflikte in Ostafrika am Fallbeispiel Mount Elgon vorgetragen und diskutiert wurde.
Darüber hinaus wurde im Rahmen des Förderprogramms Studentische Forschungsgruppen der Universität Hamburg ein Projekt innerhalb des Forschungsschwerpunkts mit dem Titel Mensch-Umwelt-Konflikte im Mount Elgon UNESCO-BR, Uganda mit 9.933 € gefördert, das ebenfalls dem Wissenszuwachs des Themenbereichs einer kritischen Perspektive auf Naturschutz in Ostafrika sowie der Effektivität des UNESCO-BR Mount Elgon und UNESCO-BRs im Allgemeinen dient. Aus den Forschungsergebnissen wurde eine Masterarbeit generiert (The price of conservation. An effectivity analysis of biodiversity conservation in the protected areas of the Mount Elgon region, Uganda), die im Mai 2023 eingereicht wurde. Ihre inhaltliche Ausarbeitung wurde in Form eines Posters bei einem Wettbewerb des UN SDG Global Partner Network zum SDG 16 Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen in der Kategorie Masterstudierende/Promovierende eingereicht und als herausragender Beitrag mit einem Preisgeld honoriert.
Durch den großen Andrang und die positive Resonanz auf die kritischen Perspektiven auf den Naturschutz in Ostafrika hat sich am Institut für Geographie innerhalb der von Prof. Dr. Udo Schickhoff geleiteten AG Biogeographie und Landschaftsökologie eine Sub-AG Naturschutz in Ostafrika gebildet, die zweiwöchentlich zusammenkommt, sich über aktuelle Forschungsarbeiten austauscht und in ihren Projekten gegenseitig unterstützt. Zurzeit arbeiten in dieser AG Bachelor-, Master- und Promotionsstudierende zu Naturschutzthematiken in Äthiopien, Uganda, Kenia und Madagaskar.
Des Weiteren wird auf der Homepage der UHH ein kurzer Überblick zum Projekt vermittelt sowie auf die DBU als Geldgeber verwiesen. Die Website wird zurzeit überarbeitet, um die rezenten Projektentwicklungen sowie den erweiterten Projektfokus des Naturschutzes in Ostafrika angemessen darzustellen und Interessierte über die Arbeit zu informieren: https://www.geo.uni-hamburg.de/geographie/forschung/forschungsschwerpunkt-ressourcen/aethiopien.html





Fazit


Die COVID-19-Pandemie sowie der anhaltende Bürgerkrieg in Nordäthiopien stellte die Machbarkeitsstudie vor massive Herausforderungen. Zahlreiche Projektaktivitäten vor Ort konnten nicht wie geplant oder nur eingeschränkt umgesetzt werden, wodurch deutliche Verzögerungen entstanden sind und nicht alle Projektziele im Rahmen der gegebenen Projektlaufzeit vollumfänglich durchgeführt werden konnten. Dies betrifft insbesondere den Entwurf des Nominierungsantrags, der ohne die erforderliche empirische Feldarbeit, die verbliebenen Konsultationsgespräche und Workshops nicht wie geplant fertiggestellt werden konnte. Nichtsdestotrotz wurde der Nominierungsantrag mithilfe der beteiligten Stakeholder*innen, des Forschungsteams der Universität Hamburg und der Unterstützung der Michael Succow Stiftung detailliert ausgearbeitet und so weit fertiggestellt, dass der Nominierungsprozess bei einer sich zunehmend verbessernden Sicherheitslage in Nordäthiopien und einer Sicherstellung der humanitären Versorgung der lokalen Bevölkerung jederzeit wiederaufgenommen werden kann. Die innenpolitische Situation in Äthiopien war in den letzten Jahren durch fortschreitende Ausdehnungen der Kriegshandlungen äußerst dynamisch und unvorhersehbar (Al Jazeera 2022b, 2022c, 2022a). Genau zwei Jahre nach Kriegsbeginn, am 03.11.2023, einigten sich die beteiligten Kriegsakteure auf einen Waffenstillstand, der auf eine nachhaltige Stabilisierung der Region hoffen lässt (JACKSON 2023). Durch die Einstellungen der Kriegshandlungen rückt eine Fortsetzung der Projektbemühungen und die nachhaltige Entwicklung der Grenzregion zwischen Tigray und Afar im Sinne der Lokalbevölkerung wieder in erreichbare Nähe. Dennoch kann an dieser Stelle noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, wann es möglich sein wird, die Projektarbeiten wieder vollumfänglich aufzunehmen und die Nominierung und Einrichtung des UNESCO-BR Desa’a Forest abzuschließen.
Derzeit finden wieder vermehrt Gespräche mit Projektpartner*innen statt (u.a. GIZ und WeForest), um etwaige Follow-Up-Aktivitäten in Äthiopien vorzubereiten und zu diskutieren, wie bei anhaltender politischer Stabilisierung die Arbeit fortzusetzen ist. Dank der Bemühungen und Flexibilität aller beteiligten Stakeholder*innen und Projektpartner*innen ist somit trotz der herausfordernden und unvorhersehbaren geopolitischen Umstände ein nachhaltiges Kompetenznetzwerk entstanden, um das geplante UNESCO-BR so zeitnah wie möglich einzurichten und damit zu einer nachhaltigen Entwicklungsstrategie der Zielregion beizutragen. Die umfangreichen Vorarbeiten im Rahmen der Projektlaufzeit haben eine ausgezeichnete Grundlage hierfür geschaffen: Das Potenzial der Machbarkeitsstudie wurde trotz der besonderen Umstände voll ausgereizt und gleichzeitig optimale Bedingungen für ein Folgeprojekt geschaffen, das mit den generierten Forschungsergebnissen der zwei implementierten Effektivitätsanalysen von UNESCO-BRs in Ostafrika am Fallbeispiel Mount Elgon optimiert werden kann.
Durch die herausfordernde geopolitische Situation Äthiopiens und den daraus resultierten Anpassungsmaßnahmen der Projektaktivitäten bot sich die wertvolle Möglichkeit, den Projektfokus auf die allgemeine Effektivität von Schutzgebieten und den mit ihr verbundenen Mensch-Naturschutz-Konflikten auszuweiten. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem UNESCO-BRs Mount Elgon lieferte somit unverhoffte, positive Forschungspotenziale, die für das F&E Projekt einen großen Mehrwert darstellen. Durch die Entwicklung eines übertragbaren Evaluationsmodells für UNESCO-BRs und die umfangreiche empirische Datenaufnahme wurden wertvolle Ergebnisse generiert, aus denen sich allgemeingültige Erkenntnisse für UNESCO-BRs in Ostafrika mit ähnlichen sozioökonomischen Konfliktkonstellationen ableiten lassen. Die Analyse liefert wertvolle Erkenntnisse zu den multivariaten Hindernissen bezüglich der erfolgreichen Planung, Implementierung und Verwaltung von UNESCO-BRs und anderer Schutzgebiete, konkrete Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen verschiedener Stakeholder*innen sowie der Lokalbevölkerung und besitzt somit das Potenzial, zu einer nachhaltigen Entwicklung im ländlichen Ostafrika beizutragen.
Viele der gewonnenen Erkenntnisse lassen sich durch die vergleichbaren sozioökologischen Gegebenheiten auch auf das geplante UNESCO-BR Desa’a Forest übertragen: Die bestehenden Waldökosysteme sind von starken Degradationserscheinungen gekennzeichnet, während das ungebremste Bevölkerungswachstum sowie der steigende Bedarf an Waldressourcen und landwirtschaftlicher Nutzfläche zu einer Verschlechterung der Ökosystemdienstleistungen und einem wachsenden Konfliktpotenzial verschiedener Interessengruppen führen. Ein ganzheitlich und besonders partizipativ ausgerichtetes UNESCO-BR könnte den Druck auf die natürlichen Ressourcen deutlich reduzieren, eine ökologisch verträgliche Wirtschaftsentwicklung fördern und somit die unterschiedlichen Interessen vor Ort nachhaltig in Einklang bringen. Eine effektive und ernstgemeinte Integration von Bevölkerungsinteressen in Planungsprozesse ist diesbezüglich jedoch dringend erforderlich, um zufriedenstellende und nachhaltige Schutzkonzepte für beide Regionen zu kreieren, die nicht nur Naturschutzinteressen, sondern auch dem Wohl der lokalen Bevölkerung dienen.
Die Implementierung eines effektiven UNESCO-BRs in seinen drei Funktionen unter Beteiligung aller Stakeholder*innen und der intensiven Partizipation der Lokalbevölkerung ist ein vielversprechender Lösungsvorschlag, um das stark militarisierte und konfliktgeladene Mosaik aus Schutzgebieten am Mount Elgon langfristig durch einen ganzheitlichen, transnationalen Managementansatz zu ersetzten. Hierfür ist auch in Zukunft eine enge Kooperation mit den ugandischen und kenianischen Behörden sowie mit den regionalen Universitäten essentiell. Im Hinblick auf den schwerwiegenden, historisch gewachsenen Konflikt rund um die Landrechtsfrage in der Region sind jedoch auch tiefgreifende Mediations- und Kompensationsprozesse dringend geboten, um die Effizienz der Naturschutzmaßnahmen zu steigern, sozioökonomische Entwicklungspotenziale auszuschöpfen und zu einer langfristigen politischen Stabilisierung der Region beizutragen. Trotz der multivariaten Problemkonstellationen auf beiden Seiten des transnationalen UNESCO-BRs Mount Elgon wird mit Zuversicht auf die Feldarbeit zurückgeblickt, die wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse zur allgemeinen Effektivität von Schutzgebieten in Ostafrika generiert hat und zu einer allgemeinen Verbesserung von Naturschutzkonzepten beitragen kann.
Darüber hinaus kann das entwickelte Evaluationsmodell auch auf andere UNESCO-BRs in Ostafrika angewendet werden. Basierend auf dem vorhandenen Wissen sowie dem etablierten Kompetenznetzwerk bietet sich hierfür im Rahmen eines möglichen Folgeprojektes insbesondere das UNESCO-BR Queen Elizabeth im Südwesten Ugandas an. Jedoch verfügt auch Kenia über ein breites Netz aus UNESCO-BRs, die bisher nur unzureichend evaluiert wurden und bereits im Zuge der bisherigen Zusammenarbeit mit dem nationalen MAB-Komitee diverse shortcomings aufwiesen, während zeitgleich an der Ausweisung neuer kenianischer UNESCO-BRs gearbeitet wird. Ein effektives Management der bereits bestehenden UNESCO-BRs unter starker Einbindung der Lokalbevölkerung sollte jedoch im Vordergrund stehen, um die nachhaltige Entwicklung besonders vulnerabler ländlicher Regionen in Ostafrika ganzheitlich voranzutreiben.

Übersicht

Fördersumme

123.981,00 €

Förderzeitraum

01.01.2020 - 30.04.2024

Bundesland

Grenzüberschreitend

Schlagwörter

Grenzüberschreitend
Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umwelttechnik