ExpertInnenworkshop Transformation der Wasserinfrastruktur im Bestand in die Zukunftsfähigkeit: Mögliche Pfade und notwendige Instrumente des Wandels
Projektdurchführung
Institut für Sozial-Ökologische Forschung (ISOE) GmbH
Hamburger Allee 45
60486 Frankfurt
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Ziel des Vorhabens war es die Voraussetzungen zu klären, unter denen die mit der Gebrauchsartendifferenzierung einhergehende Innovationsrichtung auch in Bestandsgebieten greifen kann. Dabei wurde untersucht, welche Hemmnisse und Hürden gegenüber einer wasserwirtschaftlichen Transformation im Bestand existieren, welche Anlässe und Gelegenheitsfenster sich hierfür ergeben und welche Instrumente diese Transformation befördern könnten. Zudem wurden Forschung- und Entwicklungsaufgaben und -fragen identifiziert.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenKern des Projektes war ein eintägiger Expert*innenworkshop, der im Duktus eines Werkstattgesprächs konzipiert wurde. Dazu wurden Expert*innen aus der Wissenschaft und Praxis geladen um ein möglichst gemeinsames Bild zu entwickeln, wie sich die Herausforderungen einer Transformation der Wasserinfrastruktur im Bestand überwinden lassen. Vorgeschaltet wurde eine Desktop-Recherche zu aktuellen Entwicklungen mit Blick auf die Transformation der Wasserinfrastruktur, um innovative Inhalte und Diskussionspunkte für den Workshop als auch geeignete Teilnehmende gewinnen zu können.
Anschließend wurden die Ergebnisse des Werkstattgesprächs dokumentiert und allen Teilnehmenden zur Verfügung gestellt. Die abschließende Auswertung der Ergebnisse fokussierte sich auf die Fragestellungen der tatsächlichen Herausforderungen, Instrumente, Transformationspfade und offenen Forschungsfragen.
Ergebnisse und Diskussion
Das Werkstattgespräch als auch die Auswertung von Literatur und Diskurs ergaben, dass es zunächst wichtig ist, die Zielstellungen und Anlässe von Innovation und aktuelle Veränderungsbedarfe zu kennen, um eine Transformation der Wasserinfrastruktur im Bestand zielgerichtet anstoßen zu können. Zu diesen Zielstellungen und Anlässen zählen die Kreislaufwirtschaft und Ressourcenpflege, die Wassergüte und Einleitqualität des Klarwassers in die Gewässer gemäß EU-Wassser-Rahmenrichtlinie, die Einsparung von betrieblichen Kosten und Aufwand durch bessere Konzeption und Dimensionierung, die Reduktion der hygienischen Risiken sowie die gekoppelten Infrastrukturen zur Ausnutzung von Restwärme im Grauwasser, zur Herstellung lokaler Wasserkreisläufe und zur Klimaanpassung in den Kommunen.
Bei den Hemmnissen und Hürden wurde deutlich, dass klar nach entkräftbaren Einwänden und echten Hemmnissen und Hürden unterschieden werden muss. Der Bericht liefert Argumentationsketten zur Entkräftung von aus Unkenntnis, Unsicherheit oder Unwillen benannten Einwänden. Er benennt jedoch auch die Hemmnisse und Hürden, um die man sich kümmern muss. Diese sind: keine bestehende Erfahrung mit Transformation im Siedlungsbestand, Umgang mit Unsicherheiten und Transformationsrisiken sowie eine zu deren Bewältigung fehlende Risikogovernance sowie fehlendes kompetentes und gut ausgebildetes Fachpersonal. Als wesentliches Hemmnis wurden jedoch die in der Wasserinfrastruktur bestehenden Pfadabhängigkeiten und der sozio-ökonomische Umgang mit denselben identifiziert. Ergänzend kommt zudem eine hohe Komplexität an Akteuren, Prozessschritten, Interessen und Aufgaben hinzu, die es zu koordinieren gilt.
Das Potenzial für Transformationen in Richtung Gebrauchsartendifferenzierung unterschiedlich strukturierter Bestandsgebiete muss die Unterschiede dieser Gebiete aufnehmen, um Gelegenheitsfenster identifizieren zu können. Diese können sehr unterschiedlich gelagert sein. Es zeigt sich jedoch, dass sich nahezu für jeden Bestandsgebietstyp diese Gelegenheitsfenster ergeben und damit die aktuell bestehende, grundsätzlich skeptische planerische Haltung zu revidieren ist. Folglich braucht es auch unterschiedliche Transformationspfade, um eine Veränderung der Bestandsgebiete zu erreichen. Diese beruhen auf unterschiedlichen räumlichen Skalen (und verschiedenen Abhängigkeiten von den bereits bestehenden Wasserinfrastrukturen), beinhalten jedoch zugleich verschiedene und unterschiedlich gut mobilisierbare bzw. auswertbare Wasser- und Abwasserströme.
Für die Transformation braucht es im Bestand zahlreiche Instrumente, die sich nach folgenden Kategorien sortieren lassen: planungs- und ordnungsrechtliche, finanzielle (einschließlich Förderung), technisch-organisatorische, kooperative als auch informatorische Instrumente. Vermutlich empfiehlt sich ein Instrumentenmix. Die Nutzbarkeit der Instrumente reicht von direkt einsetzbar und bekannt über in Piloten erprobt und zu modifizieren bis zu noch auszuarbeiten und zu erproben; z. T. besteht (auch gesetzgeberischer) Gestaltungsbedarf, damit etwa die Abwassergebühr zur Finanzierung der wasserinfrastrukturellen Transformation im Bestand anwendbar wird.
Daraus lassen sich folgende Forschungs- und Entwicklungsbedarfe ableiten:
- Entwicklung effizienter und innovativer Leitungsführungen innerhalb und außerhalb von Gebäuden
- Bewertung der technischen Möglichkeiten einer ressourcenschonenden Umrüstung
- Entwicklung eines Informationsinstruments zur sektor- und ressortübergreifenden Identifizierung der Gelegenheitsfenster im Bestand
- Schaffung des Bewusstseins der Gebäudeeigentümer*innen für Wasserbelange z. B. über Wasserpass für Gebäude
- Erarbeitung der Finanzierung der Transformation der Wasserinfrastruktur im Siedlungsbestand auf das Gebührenaufkommen aus der Abwassergebühr inkl. einer möglichen Neugestaltung der bestehende Tarif-/Gebührenmodelle
- Instrument zum frühzeitigen Erkennen relevanter Barrieren und deren Beziehungen zu einzelnen Stakeholdern
- Bearbeitung der subjektiven und objektiven Transformationshemmnisse und -risiken
- Differenzierung der derzeitigen Lösungswege und Aufdecken möglicher neuer Pfadabhängigkeiten
- Identifizierung von Potenzial- und Vorranggebieten im Bestand
Zukünftige Forschung sollte zudem nicht alleine praxisbezogen ausgerichtet werden, sondern einen kritischen trans-disziplinären Forschungsansatz verfolgen. Erforderlich ist hierfür eine Förderung nicht nur durch die Ressortforschung, die eine derartige transdisziplinäre Breite in der Regel nicht finanzieren kann, sondern vor allem auch durch das BMBF in Form weiterer soziotechnischer "Leuchtturmprojekte", in denen alternative städtische Wassersysteme in großem Maßstab umgesetzt werden, auch im Siedlungsbestand.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Die Ergebnisse werden neben dem Schlussbericht im Rahmen einer Publikation in der Reihe ISOE-Materialien Soziale Ökologie im September 2022 veröffentlicht. Dieses soll von Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere einer Pressemitteilung, begleitet werden. Zugleich werden Entscheidungsträger im Bereich der Förderpolitik zielgerichtet angesprochen.
Ergänzend ist eine Publikation in einer Fachzeitschrift der Siedlungswasserwirtschaft in Vorbereitung; möglicher Veröffentlichungsort ist die Praktikerzeitschrift DVGW-energie-wasser-praxis.
Fazit
Voraussetzung für eine wirksame Transformation im Bestand wird in der Regel eine politische Entscheidung der Kommune für eine aktive Umgestaltung der Wasserinfrastruktur sein. Um eine solche Entscheidung gut treffen zu können, sollte die Kommune aufbauen auf einer wissenschaftlich gestützten Ziel- und Maßnahmenfindung z. B. in Form einer wasserwirtschaftlichen Ersteinschätzung der Maßnahmen, einem Masterplan o. ä.
Bau- und siedlungsstrukturell, aber auch aufgrund der naturräumlichen Bedingungen, der Eigentumsstrukturen und der historischen und aktuellen Nutzungen und Nutzenden sind die Bestandsgebiete sehr unterschiedlich und auch in verschiedener Weise für eine Transformation geeignet. In Industrieparks und Konversionsgebieten lässt sich, wie aktuelle Beispiele belegen, bereits heute die Transformation ebenso wie im Neubau umsetzen. Eine weitgehende Transformation aller Siedlungs-, Gewerbe- und Industriegebiete erscheint heute noch fast utopisch, ist jedoch bei Nutzung aller geeigneten Gelegenheiten und Instrumente mittel- bis langfristig bei einer zeitnahen entsprechenden Weichenstellung und Bearbeitung der offenen Fragestellungen erreichbar.
Fördersumme
12.801,00 €
Förderzeitraum
22.11.2021 - 01.08.2022
Bundesland
Hessen
Schlagwörter
Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik