Insektenverluste durch den Einsatz von Konditionierern bei der Behandlung von Mähgut
Projektdurchführung
Brandenburgische Technische Universität Cottbus-
Senftenberg
Cottbus-Senftenberg
FG Volkswirtschaftslehre, insb. Umweltökonomie
Erich-Weinert-Str. 1
03044 Cottbus
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Der Einsatz von Konditionierern bei der Wiesenmahd stellt eine bisher wenig erforschte mögliche Ursache des Insektensterbens im Grünland dar. Konditionierer zerquetschen das frisch geschnittene Gras und zerstören dabei die verdunstungshemmende Wachsschicht. Dadurch trocknet das Mähgut schneller ab, was einen positiven Einschluss auf den Ertrag und die Qualität des Mähguts hat. Gleichzeitig ist zu vermuten, dass der mechanische Vorgang erhebliche negative Auswirkungen auf die Insektengemeinschaften und andere wirbellose Tiere im Grünland hat.
Das Projekt dient dazu, die spärlichen Erkenntnisse der Auswirkungen des Konditionierereinsatzes auf Insekten zu vertiefen und zu verstehen, unter welchen agrarbetriebswirtschaftlichen und landschaftlichen Bedingungen Konditionierer eingesetzt werden. Die Gegenüberstellung der agrarbetriebswirtschaftlichen Vorteile und der ökologischen Nachteile des Konditionierereinsatzes ermöglicht die Entwicklung von deutschlandweit relevanten Handlungsempfehlungen zum Schutze von Insekten im Grünland.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenUm die Auswirkungen des Konditionierereinsatzes auf Insektengemeinschaften und andere wirbellose Tiere zu untersuchen, führte das Projekt ökologische Feldstudien auf intensiv und extensiv bewirtschafteten Wiesen in der Allerniederung im Heidekreis in Niedersachsen im November 2019 und im Juni 2020 durch. Durch Probenahmen wurde untersucht, ob sich der prozentuale Beschädigungsgrad von Arthropoden auf Flächen mit und ohne Konditionierereinsatz signifikant unterscheidet und inwiefern die Bewirtschaftungsintensität hierbei eine Rolle spielt.
Zur Ermittlung der Verbreitung des Konditionierereinsatzes und zur Identifizierung von Faktoren, die den Konditionierereinsatz begünstigen, wurde eine Literaturrecherche betrieben, Grünlandexperten und Experten aus der Landtechnikherstellerbranche in semistrukturierten Interviews befragt und ein Fragebogen an 752 im Landkreis Heidekreis ansässige Landwirte verschickt. Darüber hinaus erfolgten betriebliche Beispielrechnungen, um Aufschluss über die Rentabilität des Einsatzes von Konditionierern für verschiedene Bewirtschaftungsszenarien zu erhalten. Dadurch konnten approximativ Kompensationszahlungen bestimmt werden, die Landwirten bei einem Verzicht auf Konditionierer, der möglicherweise Teil von Ver-tragsnaturschutzprogrammen sein könnte, gezahlt werden können.
Anschließend wurden die Erkenntnisse der ökologischen und agrarbetriebswirtschaftlichen Untersuchungen integriert, um sechs naturschutzpolitische Empfehlungen zu entwickeln.
Ergebnisse und Diskussion
Mittlerweile wurden alle Phasen des 22-monatigen Projekts erfolgreich abgeschlossen.
In der ökologischen Feldstudie wurden insgesamt 21.584 Arthropoden gesammelt und untersucht. Eine statistische Auswertung der Beschädigungsgrade lieferte folgende Ergebnisse:
Der prozentuale Anteil beschädigter Individuen in verschiedenen Arthropodengruppen unterscheidet sich nicht signifikant zwischen intensiver und extensiver Wiesenbewirtschaftung; allerdings wurden im extensiv bewirtschafteten Grünland pro Probe 1,7 mal mehr Arthropoden gezählt als im intensiv bewirtschafteten Grünland.
Der Einsatz des Konditionierers beeinflusste den prozentualen Anteil beschädigter Individuen im Rahmen der Wiesenmahd deutlich und erhöhte ihn über alle untersuchten Gruppen von 50 % ohne Konditionierereinsatz auf 70 % mit Konditionierereinsatz.
Die folgenden Arthropodengruppen wurden dabei in zunehmendem Maße besonders stark beeinflusst: Heuschrecken (Orthoptera, von 72 % auf 86 %), Fransenflügler (Thysanoptera, von 32 % auf 56 %), Käfer (Coleoptera, von 58 % auf 85 %), Pflanzenläuse (Stenorrhyncha, von 52 % auf 78 %) und Milben (Acari, von 18 % auf 48 %).
In der agrarökonomischen Untersuchung ergaben die Literaturrecherche, die Befragung von Experten und landwirtschaftlichen Betrieben im Heidekreis und die betrieblichen Beispielrechnungen folgende Ergebnisse:
Hersteller von Mähwerkstechnik beziffern die Ausstattungsrate von Mähwerken mit Konditionierern in Deutschland durchschnittlich mit 15 bis 20 %. Im Heidekreis setzen 20,8 % der Landwirte Konditionierer ein.
Die Verbreitung des Konditioniereinsatzes nahm bis zur Jahrtausendwende in Deutschland kontinuierlich zu. In jüngerer Zeit ist kein eindeutiger Trend bei der Ausstattung von Mähwerken mit Konditionierern auszumachen.
Großflächenmähwerke wie Butterfly-Mähkombinationen sind überdurchschnittlich mit Konditionierern ausgestattet. Heckmähwerke sind unterdurchschnittlich ausgestattet. Gezogene Mähwerke sind in der Regel mit einem Konditionierer ausgestattet.
Im weltweiten und europäischen Vergleich ist der Konditionierereinsatz in Deutschland aufgrund der geringen Verbreitung von gezogenen Mähwerken unterdurchschnittlich.
Agrarbetriebswirtschaftliche Faktoren, die den Konditionierereinsatz begünstigen, sind die Betriebsgröße, der Mechanisierungsgrad, die Größe der zu bewirtschaftenden Flächen, überbetriebliche Maschinenverwendung und der Einsatz von Lohnunternehmern
Je nach Ertragslage und eingesetzter Maschinentechnik lässt sich der wirtschaftliche Vorteil des Konditionierers auf 35 bis 120 pro Hektar und Jahr schätzen. Zwar verteuert der Konditionierereinsatz den Mähvorgang, hat aber gleichzeitig das Potenzial, die Mähgutwerbung insgesamt zu verbilligen, da durch den Einsatz von Aufbereitern Zett- und Wendevorgänge eingespart werden können. Zudem erhöht der Konditionereinsatz den Ertrag und verbessert die Energiedichte des Mähguts.
Laut unseren Berechnungen ist der Einsatz von Konditionierern auf intensiv genutzten Flächen für Landwirte aufgrund der intensiveren Nutzung und der damit einhergehenden höheren Ertragslage besonders vorteilhaft.
Die Studie zeigt, dass der Konditionierereinsatz mehrere Insektengruppen signifikant schädigt. Gleichzeitig hat der Einsatz des Konditionierers wirtschaftliche Vorteile. Die Vor- und Nachteile des Konditionierereinsatzes müssen bei Maßnahmen gegen den Konditionierereinsatz sorgfältig aufgewogen werden. Wir sprechen uns für folgende naturschutzpolitischen Empfehlungen aus:
Konditioniererverzicht auf extensiv genutzten Flächen anstreben
Unerwünschte Ausweichreaktionen der Landwirte auf alternative Mähtechniken im Falle eines Konditioniererverzichts im Blick behalten
Konditioniererverzicht auf intensiv bewirtschafteten Wiesen nicht unbedingt notwendig
Aufnahme des Konditioniererverzicht in Managementplänen für Naturschutzgebiete
Weitere Forschung und Sammeln von Erfahrung erforderlich
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Folgende Aspekte der Öffentlichkeitsarbeit wurden unternommen:
Aufbau einer Projektwebseite, Erstellung einer BTU-Pressemitteilung zum Projekt, Zeitungsartikel über Projektergebnisse Sanfte Mahd zum Schutz von Insekten in Landvolk Lüneburger Heide, Ausgabe 1, Januar 2021
Abhalten eines Abschlussworkshops um deutschlandweit über die Ergebnisse zu informieren in Kooperation mit der der Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz (www.nna.niedersachsen.de/startseite/veranstaltungen/va20023-182030.html)
Unter anderem auch aufgrund der Studie wurde der Verzicht auf Konditionierer im Maßnahmenkatalog Insektenschutz Brandenburg (durchgeführt vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. unter Beteiligung des FG Ökologie, BTU) in die Maßnahmen GL 6 Insektenschonende Mähtechnik verwenden und U2 Mahdregime ändern aufgenommen (https://mluk.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/Projektbericht%20Insektenschutzma%C3%9Fnahmen%20Brandenburg.pdf)
Einreichen einer deutschsprachigen und internationalen wissenschaftlichen Publikation in Fachzeitschriften
Erstellung eines Policy Briefs mit Empfehlungen zum Konditionierereinsatz
Teilnahme am 35. Deutschen Naturschutztag war geplant, war aber nicht möglich, da der Naturschutztag coronabedingt abgesagt wurde.
Fazit
Das Projekt konnte mit einer viermonatigen, im Wesentlichen coronabedingten Verzögerung insgesamt erfolgreich nach 22 Monate abgeschlossen werden. Durch erfolgreiche Durchführung der ökologischen Feldstudien und der agrarökonomischen Untersuchungen konnten die Nachteile und die agrarbetriebswirtschaftlichen Vorteile belastbar ermittelt und gegenübergestellt werden. Die Untersuchungen zum Verbreitungsgrad des Konditionierereinsatzes identifizierten zudem seinen Gebrauch als nicht zu vernachlässigend und insektenschutzrelevant. Die Projektergebnisse konnten durch Veranstaltungen und Publi-kationen erfolgreich vermittelt werden und flossen in den Maßnahmenkatalog Insektenschutz Brandenburg ein.
Fördersumme
124.800,00 €
Förderzeitraum
24.06.2019 - 24.04.2021
Bundesland
Brandenburg
Schlagwörter