Phosphorangepasste Futtermittel am Beispiel Kleie (PhANG)
Projektdurchführung
Technische Universität Hamburg (TUHH)
Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE)
21073 Hamburg
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Phosphor (P) ist ein essenzieller Nährstoff für jegliche Art von Leben und wird deshalb in der Nahrungs-, Futter- und vor allem Düngemittelindustrie eingesetzt. Gleichzeitig ist mineralischer P eine stark limitierte Ressource. In der Biosphäre liegt P natürlicherweise zumeist in organisch gebundener Form (z. B. als Phytat/Phytinsäure in Getreide und Hülsenfrüchten) vor. In dieser Form kann P jedoch ohne die entspre-chenden Enzyme nur schwer bis gar nicht verdaut werden. Daher wird der mit dem Futter aufgenommene P vor allem von Monogastriern, die nicht über Phytasen im Verdauungstrakt verfügen, größtenteils unverdaut wieder ausgeschieden. Diese Exkretion hoher Mengen von P führt (als eine Folge der Ausbrin-gung von entspre¬chenden Wirtschaftsdüngern auf landwirtschaftliche Böden) zu einer Überversorgung der Böden und damit zu einer potenziell erhöhten Gewässereutrophierung. Daher wird durch eine aktuali-sierte Düngemittelverordnung die flächenspezifische Ausbringungsmenge von P, sowohl in organischer als auch mineralischer Form, stark reguliert.
Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel dieses Projekts, die Roggenkleie als beispielhaftes mineralstoffreiches Tierfutter an P abzureichern, sodass ein P-armes Futtermittel verfügbar gemacht wird, das eine erhöhte P-Exkretion bei gleichzeitiger Nutzung des verbleibenden Protein- und Fasergehalts verhindert. Der dadurch gewonnene P kann dann in einer nutzbaren Form (z. B. als direkt verfügbare Dünge- oder Futtermittelzusatzstoffe) in den natürlichen P-Kreislauf zurückgeführt werden. Somit kann durch eine Substitution mineralischen Ps durch biogenen P dazu beigetragen werden, wertvolle mineralische P-Ressourcen zu schonen und gleichzeitig die Belastung der Umwelt durch P-Ausschwemmung (d.?h. Gefahr der Eutrophierung) substanziell zu reduzieren.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm Projekt soll ein gesamtheitlicher Prozess entwickelt werden, der von der nativen Roggenkleie bis hin zu einer an P abgereicherten Roggenkleie zur direkten Verfütterung und einem Phosphat-Salz zur weiteren Anwendung in verschiedenen Produkten führt. Hierbei werden unterschiedliche Prozesspfade zur parallelen oder kombinierten Anwendung betrachtet, um den organisch gebundenen P aus der Kleiematrix zu lösen. Anschließend soll Phytat gespalten werden, um Phosphat freizusetzen.
Zunächst wird die mechanische Abtrennung einer P-reichen Fraktion aus dem Getreide untersucht, um so bereits einen P-reichen Masseanteil vor Überführung der Kleie in die Nassphase zur weiteren Verarbeitung abtrennen zu können. Mit Blick auf eine technische Umsetzung könnten dadurch Reaktionsvolumen und Energieaufwand für eine anschließende Trocknung reduziert werden.
Aufbauend auf Vorarbeiten der Projekte BusinessP und ValuePP wird eine enzymatische Behandlung der Kleie im wässrigen Milieu zur P-Reduktion untersucht. Dabei werden sowohl spezifische Phytasen optimiert als auch kommerziell erhältliche Enzymformulierungen hinsichtlich der maximalen P-Reduktion in der Kleie untersucht.
Ergänzend dazu werden neuartige chemische Methoden untersucht, um die Spaltung der Phos-phoresterbindungen thermisch bzw. katalytisch zu induzieren. Dabei steht eine saure Extraktion mit anschließender Mikrowellen-Behandlung im Fokus.
Der auf mechanischem, enzymatischem oder chemischem Weg herausgelöste P wird in einem Folgeschritt, vorzugsweise in Salzform (d. h. mittels Fällung), verfügbar gemacht.
Der so im Labor dargestellte Prozess zur P-Reduktion der Kleie soll anschließend hochskaliert werden, um Fütterungsstudien vorzunehmen und die Verdaulichkeit der angepassten Kleie bewerten zu können. Abschließend führt eine technische, ökonomische und ökologische Analyse des Gesamtprozesses zur übergreifenden Bewertung der Umsetzbarkeit des entwickelten Prozesses.
Ergebnisse und Diskussion
Die Untersuchung der mechanischen P-Abtrennung aus Getreidekörnern bereits während des Mahlprozesses zeigte eine deutliche Akkumulation des P in den äußeren Schalen von Roggen-, Weizen, Gerste- und Haferkörnern. Da im Getreide jedoch biologische Schwankungen der Schalenanteile auftreten und während des Mahlens relativ grobe Zerkleinerungsmechanismen angewandt werden, kann eine spezifische Abtrennung eines P-reichen Getreideanteils nicht ohne einen größeren Umrüstungsaufwand in den vorhandenen Getreidemühlen erreicht werden. Alle weiteren Untersuchungen finden daher weiterhin mit der nicht separierten Roggenkleie statt.
Der Pfad der enzymatischen Kleie-Behandlung wurde mit einem durch die KnowVolution-Strategie maßgeschneiderten Phytase-Blend durchgeführt, der letztlich zu einer im Vergleich mit kommerziellen Enzymen deutlich erhöhten Phytat-Reduktion führte. So konnten enzymatisch bis zu 93 % Phosphat aus der Phytinsäure freigesetzt werden. Eine ergänzende Nutzung zellspaltender Enzyme kann den Stofftransport der Phytinsäure in Lösung etwa verdoppeln und somit den Prozess beschleu¬nigen. Die enzymatische Behandlung mit dem Phytase-Blend wurde vom Labormaßstab ausgehend stufenweise bis zu 400 L mit einem Kleie-zu-Wasser-Verhältnis von 1:7 hochskaliert. So konnten in mehreren Chargen etwa 20 kg konditionierte Roggenkleie für die folgenden Fütterungsstudien bereitgestellt werden. Das verbleibende Hydrolysat wurde hinsichtlich einer Wertstoffnutzung, insbesondere durch Rückgewinnung des Phosphats, untersucht.
Eine chemische Behandlung der Kleie führte mittels salzsaurer Extraktion im Kleie-zu-Säure-Verhältnis von 1:20 zu einer hohen Solubilisierungsrate der Phytinsäure, die bereits bei Raumtemperatur und Extraktionszeiten von unter 40 min maximiert werden konnte. Die verbleibende Kleie zeigt nach einer Waschung mit Wasser einen deutlich reduzierten P-Gehalt bei weiter hohen Mengen an Stärke, Proteinen und Fasern. Somit eignet sich die zurückbleibende Kleie potenziell zur weiteren Verfütterung. Eine an-schließende thermische Behandlung des flüssigen Roggenkleie-Extrakts in der Mikrowelle führte bei 200 °C und nach 15 min zu 98,5 % Phytinsäure-Spaltung. Damit konnte eine neue Methode der Phosphat-Freisetzung aus Roggenkleie dargestellt werden; Produkt ist ein Hydrolysat mit hohem Gehalt an freiem Phosphat für eine Rückgewinnung in Salzform.
Die Rückgewinnung des P-Gehalts aus dem (sowohl enzymatisch als auch thermo-chemisch dargestellten) Hydrolysat wurde vergleichend für beide Pfade als Fällung von Struvit bzw. Magnesium-/Calciumphosphat untersucht. In beiden Substraten führte trotz der unterschiedlichen Zusammensetzung der beiden Hydrolysate eine Zugabe von Magnesiumchlorid bzw. Calciumchlorid/ Calciumhydroxid unter alkalischen Bedingungen zu hohen P-Rückgewinnungsraten von bis zu > 99 %. Eine Röntgenstrukturanalyse der Präzipitate zeigte eine erfolgreiche Fällung von Struvitkristallen, die Anwendung in der Düngemittelindustrie finden, sowie von Magnesiumkaliumphosphat und von Calciumhydrogenphosphat, wel-ches potenziell als Futterergänzungsmittel genutzt werden kann.
Mittels Adsorption können aus dem Hydrolysat außerdem phenolische Komponenten gewonnen werden. Etwa 80 % der Phenole binden beispielsweise an Amberlit als Adsorbens und könnten so für weitreichende Einsatzmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die verbleibende Organik, insbesondere gelöster Zucker, könnten außerdem als Nährmedium für mikrobiologische Prozesse weitergenutzt werden, um die Abfallströme aus dem Prozess zu minimieren.
Die Fütterungsstudien mit der konditionierten, an P abgereicherten Kleie zeigen eine gute Futterannahme der als Modelltiere eingesetzten Kaninchen. Die Verdaulichkeit des in der Kleie verbleibenden P ist zwar niedrig und schlechter als in der nativen Kleie; der insgesamt deutlich gesenkte P-Gehalt erlaubt jedoch einen höheren Anteil an Kleiebeimischung in Futtermitteln.
Die übergreifende Prozessbewertung erfolgte unter der Annahme eines Maßstabs von 660 kg/h an zu prozessierender Kleie; die großtechnische Umsetzung in diesem Maßstab ist aus Sicht der technischen Analyse für beide Pfade möglich. Eine überschlägige Kostenanalyse ergibt Produktgestehungskosten von 29 bzw. 58 /kg Phosphat-Präzipitat für den enzymatischen bzw. den thermo-chemischen Prozesspfad; damit ist eine Produktion des Phosphat-Präzipitats unter den aktuellen Rahmenbedingungen deutlich kostenintensiver im Vergleich zu Phosphat-Additiven, die kommerziell für die Futter- bzw. Düngemittelindustrie angeboten werden. Anpassungen in den Prozessbedingungen, die technisch denkbar wären, könnten jedoch zu signifikanten Kosteneinsparungen führen; so z. B. eine Nassfütterung der Kleie oder eine elektrochemische statt der klassischen Fällung.
Die ökologische Bewertung zeigt deutliche Vorteile des enzymatischen Pfads gegenüber der Gewinnung mineralischer Düngemittel (am Beispiel Diammoniumphosphat) und der Rückgewinnung von P aus Klärschlamm (beispielhaft mittels der Verfahren AquaReci und PHOXNAN), da sowohl die Umweltauswirkungen auf die Wirkungskategorien Klimawandel und Versauerung von Böden niedriger sind als in den jeweiligen Vergleichsprozessen. Die Umweltauswirkungen des chemischen Pfads liegen in etwa in derselben Größenordnung wie die der entsprechenden Vergleichsprozesse; Hauptgrund hierfür ist der hohe Einsatz an Salzsäure im Extraktionsschritt sowie die hohe Energienachfrage über den gesamten Prozess.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Die Projektergebnisse wurden laufend sowohl auf nationalen und internationalen Konferenzen als auch in wissenschaftlichen Artikeln veröffentlicht. Beiträge wurden beispielsweise auf den Himmelfahrtstagungen der Dechema in Frankfurt, der ISGC in La Rochelle, der ESPC in Wien, der EUBCE in Bologna und der ProcessNet vorgestellt.
Die Publikationen, die im Zusammenhang mit diesem Projekt entstanden sind, können unter den folgenden Links abgerufen werden
Hintergrund und Stand der Technik zum im Projekt angestrebten Kleie-Konditionierungsprozess: https://doi.org/10.3390/su14073998
Ausführliche Darstellung und Diskussion der mechanischen Abtrennung einer P-reichen Fraktion aus Roggen-, Weizen-, Gerste- und Haferkörnern: https://doi.org/10.1007/s11947-022-02981-3
Anpassung einer aus E. coli exprimierten Phytase zur verbesserten Spaltung von Inositoltetraphosphat mittels KnowVolution-Strategie: https://doi.org/10.3389/fceng.2022.838056
Darstellung von Polyphosphat zur Nahrungsmittelanwendung aus Samen und Kleie mit Hilfe von Enzymen: https://doi.org/10.1016/j.bioeco.2023.100048
Kurzvorstellung der FTIR-Analytik zur inline-Messung des Phytatgehalts: https://doi.org/10.1002/cite.202255084
Experimentelle Untersuchungen und Modellierung der thermischen Phytat-Spaltung im MikrowellenSystem: https://doi.org/10.1016/j.lwt.2023.115499
Scale-Up der enzymatischen Roggenkleie-Behandlung: https://doi.org/10.1186/s40643-024-00765-5
Fazit
Im Projekt angestrebt wurde die Konditionierung von Kleie im Hinblick auf einen reduzierten P-Gehalt sowie die Nutzbarmachung des herausgelösten P als Phosphatsalz. Beide Produkte konnten mit zwei al-ternativen Pfaden dargestellt werden. Die chemische Hydrolyse stellt dabei eine neuartige Methode der Phytinsäure-Spaltung mit hoher Ausbeute dar. Die enzymatische Kleie-Behandlung findet hingegen bei deutlich milderen Bedingungen statt und konnte bereits erfolgreich in Reaktoren mit bis zu 400 L hochskaliert werden. Die Kostenanalyse zeigt vergleichsweise hohe Produktgestehungskosten, die einer potenziellen Markteinführung prohibitiv entgegenstehen; deshalb müssen zukünftig mögliche Einsparpotenziale bei einer ggf. zu realisierenden großtechnischen Umsetzung des Prozesses erschlossen werden. So könnte ein kostengünstiges und damit potenziell wettbewerbsfähiges Phosphatsalz erzeugt werden, das durch deutliche umweltseitige Vorteile gegenüber mineralischem Düngemittel-P bzw. Rezyklaten aus Klärschlamm gekennzeichnet ist.
Fördersumme
636.492,00 €
Förderzeitraum
01.07.2020 - 31.03.2024
Bundesland
Hamburg
Schlagwörter