Projekt 34963/01

Entwicklung eines Verfahrens zum Rückhalt antibiotikaresistenter Keime und Gene sowie zur Spurenstoffadsorption aus Abwässern mittels neuartiger Verfahrenskombination

Projektdurchführung

Technische Universität Darmstadt Institut IWAR Fachgebiet Abwasserwirtschaft
Franziska-Braun-Str. 7
64287 Darmstadt

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Belastung der Gewässer mit anthropogenen Spurenstoffen, (Antibiotika resistenten) Krankheitserregern und Mikroplastik hat aufgrund menschlicher Aktivitäten und der fortschreitenden Urbanisierung in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Kläranlagen stellen für diese oft wassergängigen Schadstoffe einen möglichen Eintragspfad dar. Auch wenn es derzeit noch keine Überwachungswerte für Spurenstoffe, resistente Keime und Mikroplastik für Kläranlagen gibt, wird die Einführung einer weitergehenden (vierten) Reinigungsstufe zur Elimination dieser Stoffe intensiv diskutiert und teilweise auch schon vorangetrieben, da die langfristigen Auswirkungen auf Gewässerökosysteme und den Menschen vor allem in Bezug auf den Eintrag und die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen noch nicht ausreichend verstanden sind.

Ziel dieses Projektes ist es, vertiefte Kenntnisse über den Rückhalt Antibiotika-resistenter Bakterien (ARB) und Resistenzgene (ARG) mit einer Kombination aus Ultrafiltration (UF) mit Pulveraktivkohle (PAK)-Dosierung zu liefern. Dieser Ansatz geht über die meisten bisherigen Bemühungen hinaus, die sich ausschließlich mit dem Thema Spurenstoffreduktion beschäftigen. Das Projekt verfolgt einen integrierten Ansatz, bei dem über die vierte Reinigungsstufe zur Spurenstoffelimination (hier die PAK-Dosierung) hinausgegangen wird. Dabei wird eine direkte Integration einer fünften Stufe für die Reduktion von Spurenstoffen in Kombination mit ARB/ARG betrachtet.

Eine Verfahrenskombination mit Membrantechnik ist für den Rückhalt von ARB/ARG nur dann sinnvoll, wenn die Membran die letzte Behandlungsstufe darstellt. Somit bietet die hier zu untersuchende Verfahrenstechnik gegenüber granulierter Aktivkohle den Vorteil vor / in Kombination mit der Membran eingesetzt werden zu können. Mit diesem Konzept wird eine sehr flexible Betriebsweise durch die angepasste Dosierung von PAK möglich und gleichzeitig stellt die Membran die Barriere für den Rückhalt der PAK und der ARB/ARG dar. Die Ziele des Vorhabens begründen sich so auch aus den bisher nur wenigen Erfahrungen mit der Spurenstoffelimination mit dieser Verfahrenstechnik, die außerdem bisher noch nie in Kombination mit dem ARB/ARG-Rückhalt getestet wurde. Das Projekt verfolgt drei Forschungsfragen:

1. Abtrennung von ARB und ARG mit Ultrafiltration – was kann die Technologie leisten?
2. Verfahrenstechnische Entwicklung
3. Wirtschaftlichkeit und Abwasserabgabe



Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenFür das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit den Entsorgungsbetrieben der Landeshauptstadt Wiesbaden (ELW) auf dem Hauptklärwerk (HWK) Wiesbaden (ca. 300.000 EW) eine von der Firma MANN+HUMMEL Water & Fluid Solutions (M+H) bereitgestellte Pilotanlage betrieben. Die Pilotanlage wurde mit Ablauf der Nachklärung beschickt und bestand aus PAK-Dosierung und Membranfiltration. Für eine bessere Übertragbarkeit wurde ein großtechnisches Modul verwendet. Die Pilotanlage war außerdem mit Sensorik ausgestattet, um möglichst umfangreiche Daten zu erheben. Die Vorgehensweise im Projekt lässt sich in Datenerhebung, Anlagenbetrieb und Datenauswertung gliedern.

1. Datenerhebung zum HKW und zur Bewertung der Pilotanlage. Diese lassen sich in drei Kategorien einteilen:
• Klassische Abwasserparameter zur Bewertung der Pilotanlage (CSB, TOC/DOC, P, TS, etc.).
• Spurenstoffmessungen mit Spurenstoffscreening (Zu- und Ablauf Klärwerk) und eine monatliche Routinebeprobung der Pilotanlage.
• Bestimmung von ARG in Proben vom Klärwerk und der Pilotanlage mit Next Generation Sequencing (NGS).

2. Anlagenbetrieb als Kernstück des Projektes mit Ablauf der Nachklärung des HKW. Es wurden unterschiedliche Betriebseinstellungen gefahren und verglichen um das Verfahren weiter zu entwickeln und (energetisch und verfahrenstechnisch) zu optimieren. Erste Vorversuche zur direkten Abtrennung von Pulveraktivkohle mit getauchten UF-Membranen waren vielversprechend, jedoch wurde die Verfahrenstechnik bisher nur in kleinem Maßstab (25 m² im Vergleich zu Serienmembranmodulen mit 480 m²) und ohne umfangreiche Optimierungen erprobt. Deshalb wurde die verfahrenstechnische Optimierung im Rahmen der Pilotierung mit einem Serienmembranmodul der Firma M+H durchgeführt, um Fragen bezüglich des Luftbedarfs (Crossflow-Strömung), der Reinigungsintervalle, der Leistungsfähigkeit (spezifischer Fluss) und des Energiebedarfs zu beantworten. Diese Optimierungen wurden in Kombination mit den Untersuchungen zur Reduktion der Spurenstoffe und ARB/ARG durchgeführt.

3. Bewertung des Risikos für das Betriebspersonal da an vielen Stellen Kontakt zum Belebtschlamm besteht.

4. Wirtschaftlichkeit und Abwasserabgabe: Bewertung der Pilotanlage hinsichtlich Wirtschaftlichkeit einer großtechnischen Anlage (nach Upscaling) bzgl. Jahreskosten (Investitionen, Personal, Betriebsmittel) sowie zur Erreichung von einer evtl. Abwasserabgabenfreiheit (im Kontext einer weitgehenden CSB- und P-Elimination.



Ergebnisse und Diskussion

Im Projekt wurde eine Kombination aus Pulveraktivkohle (PAK)-Dosierung und Ultrafiltrationsmembran eingesetzt, um Antibiotikaresistenzgene (ARG) und Mikroverunreinigungen aus behandeltem Abwasser zu entfernen. In Laborversuchen wurden 13 verschiedene Pulveraktivkohlen auf ihre Adsorptionsleistung und mögliche Auswirkungen auf die Membran getestet. Eine PAK wurde ausgewählt, basierend auf Kriterien wie dem CO2-Fußabdruck; auch Lufteintrag und chemische Reinigung der Membran wurden optimiert.
Um die Effizienz der ARG- und Spurenstoffreduktion zu bewerten, wurden Referenzmessungen an der Kläranlage durchgeführt. Etwa 50 % der Spurenstoffe im Ablauf lagen oberhalb der Bestimmungsgrenzen, und die Konzentration im Ablauf lag in Summe bei 118 µg/l. Die ARG-Reduktion betrug insgesamt 1 Log-Stufe in der Kläranlage und ca. 3 Log-Stufen in der Pilotanlage.

Langzeitdaten zeigten eine verbesserte Entfernung von ARG und Spurenstoffen durch die Pilotanlage. Die vorherrschende Antibiotikaklasse war die der multiresistenten ARG. Die PAK hatte jedoch keinen Einfluss auf die ARG-Reduktion. Die Reduktion der Spurenstoffe mittels PAK betrug über 80 %. Unterschiede wurden bei der PAK-Dosierung und dem PAK-Typ festgestellt. PAK 12 benötigte 30 % weniger Aktivkohle, um 80 % der Spurenstoffe zu entfernen. Als Überwachungsparameter wurde der SAK254 untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass Benzotriazol zu über 90 % und Amidotrizoesäure nur maximal zu 30 % entfernt wurden. Die Betriebsbedingungen der Pilotanlage hatten keinen wesentlichen Einfluss auf die ARG- und Spurenstoffentfernung.

Für die Bewertung der ARG-Reduktionsleistung wurden die Probennahme und die Auswahl der ARG detailliert betrachtet. Dazu wurden auch Tages- und Wochengänge der ARG-Konzentrationen ermittelt und ausgewertet. Der Anteil Plasmid-basierter ARG variierte zwischen den Probenahmestellen. Insgesamt wurden 45 Plasmid-basierte ARGs detektiert, die nicht vollständig entfernt wurden. Die ARG-Konzentration im Retentat betrug 4x10^4 Reads/ml, im Zulauf 7x10^6 Reads/ml und im Ablauf 1x10^5 Reads/ml. Von den 37 klinisch relevanten ARG wurden maximal zehn in allen Proben detektiert. Das Auftreten von riskanten ARG nahm mit dem Klärprozess ab und das Expositionsrisiko reduzierte sich deutlich.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Das Projektkonzept und die Ergebnisse des Pilotbetriebs wurden in zahlreichen Presseterminen und Präsentationen erläutert bzw. der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Presseberichte:
23.05.22 mit der Presse zu den Ergebnissen „Nicht sauber, sondern rein“, Wiesbaden Kurier (25.05.22)
13.08.22 Tag der offenen Tür „Bakterien bei der Arbeit“, Wiesbaden Kurier (15.08.22)
15.11.22 25-jähriges Jubiläum ELW „Schmerzmittel und Viren aus dem Wasser filtern“, Wiesbaden Kurier (18.11.22)

Präsentationen hda:
21.09.21 Pressetermin am Hauptklärwerk Wiesbaden
02.11.21 Präsentation auf der Aachener Tagung
23.05.22 Pressetermin am Hauptklärwerk Wiesbaden
21.07.22 Präsentation für die Hessen Agentur am Hauptklärwerk Wiesbaden
13.08.22 Tag der offenen Tür am Hauptklärwerk Wiesbaden
13.09.22 Vortrag auf der IWA Word Water Conference in Kopenhagen
15.11.22 25-jähriges Jubiläum der ELW

Präsentationen TUDa:
21.09.21 Pressetermin am Hauptklärwerk Wiesbaden
23.05.22 Pressetermin am Hauptklärwerk Wiesbaden
30.03.22 Keynote Vortrag auf der 17th IWA Leading Edge Conference on Water and Wastewater Technologies, Reno, USA
14.08.22 Poster auf dem 18th International Symposium on Microbial Ecology (ISME 18), Lausanne, Schweiz
27.03.23 Vortrag auf der Tagung Spurenstoffe und Krankheitserreger im Wasserkreislauf (SUK 2023), Dechema, Frankfurt

Zusätzlich ist die Veröffentlichung der Daten in wissenschaftlichen Fachzeitschriften in Vorbereitung.


Fazit

Die Ergebnisse des Projekts zeigen, dass die Implementierung eines weitergehenden mit PAK und UF-Membran dazu beiträgt, ARG und Spurenstoffe deutlich zu reduzieren und gleichzeitig auch hohe Eliminationsleistungen bei den Abwasser-Standardparametern (insbesondere CSB und Phosphor) zu erreichen, die sogar eine Befreiung von der Abwasserabgabe ermöglichen. Das Verfahren wurde energetisch optimiert, weist aber mit dem Wiesbadener Abwasser einen geringen Betriebsfluss auf (Energiebedarf eher hoch mit 0,1 kWh/m³ für die UF). Die Reinigungen der Membran wurden optimiert um den Chemikalienbedarf zu reduzieren.

Insgesamt wurde eine 80 %-Reduktion der Spurenstoffe durch die PAK Dosierung beobachtet. Die Pilotanlage lieferte eine höhere Reduktion der ARG im Vergleich zur Kläranlage und erreichte eine Reduktion der ARG-Konzentration um 3-Log Stufen. Plasmid-basierte ARG wurden dagegen weniger effizient entfernt als nicht Plasmid-basierte ARG. Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer differenzierten Analyse der verschiedenen ARG inklusive der Probenahmestrategie.

Insgesamt ist dieses Verfahren bei den Investitionskosten vergleichbar oder günstiger als andere Verfahren (Ozonung, PAK und GAK-Anwendungen) und bietet eine höhere Reinigungsleistung hinsichtlich der ARG. Bei den Betriebskosten schlagen die Kosten für Energie und PAK zu buche. Mit Bruttobetriebskosten von < 0,1 €/m³ sind dieser aber auch in einem vergleichbaren Rahmen mit anderen Verfahrenstechniken.

Übersicht

Fördersumme

398.830,00 €

Förderzeitraum

01.04.2020 - 28.03.2023

Bundesland

Hessen

Schlagwörter

Ressourcenschonung
Umwelttechnik