Numerische Modellierung und experimentelle Validierung der mechanischen Abscheidung von Helmintheneiern zur Abwasserreinigung und die diesbezügliche Optimierung einer kleinen Kläranlage
Projektdurchführung
Fachhochschule Düsseldorf
Fachbereich Maschinenbau und Verfahrenstechnik
Centrum für Strömungssimulation (CFS)
Münsterstr. 156
40476 Düsseldorf
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
In den Entwicklungsländern leben heute ca. 900 Millionen Menschen ohne Zugang zu sauberem Trink- bzw. Brauchwasser. Wasserbedingte Erreger verursachen bei Kindern und immungeschwächten Menschen besonders hohe Sterberaten. In diesem Zusammenhang kommt den Helmintheneiern eine besondere Bedeutung zu.
Eine weit verbreitete Methode zur mechanischen Reinigung des Abwassers ist die Sedimentation. Besonders in den Entwicklungsländern werden die sogenannten Waste Stabilization Ponds (WSP) eingesetzt, da diese eine kostengünstige Möglichkeit zur Entfernung von Helmintheneiern durch Sedimentation darstellen. Um das Sedimentationsprinzip effektiv zu nutzen, d. h. die Absatzbecken optimal auslegen zu können, muss das Sinkverhalten der zu sedimentierenden Partikel möglichst genau bekannt sein. Bei den kleinen Kläranlagen ist die Fragestellung komplexer, da die Aufenthaltszeiten im Vergleich zu WSP geringer sind und die vorhandenen, u. U. turbulenten Strömungsfelder eine größere Rolle für die Bewegung der Helmintheneier spielen, die Reinigung des Abwassers von Helmintheneiern ist bei kleinen Kläranlagen, die in den Entwicklungsländern eine breite Verwendung finden, aber genauso wichtig.
Das Ziel des vorliegenden Vorhabens ist die Entwicklung eines validierten Computer-Simulationsmodells zur Ermittlung des Sinkverhaltens von Helmintheneiern und dessen Anwendung zur Vorhersage der Abscheidecharakteristik einer kleinen Kläranlage mit einer anschließenden Optimierung des Trennverhaltens von Helmintheneiern dieser Anlage.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenI. Voruntersuchung
Zur Entwicklung und Validierung des Modells werden die Experimente von Sengupta et al. zugrunde gelegt, wobei die Eier von drei Helminthenarten, nämlich Ascaris suum, Trichuris suis und Oesophagostomum spp. untersucht werden. Diese Erkenntnisse werden durch eine Studie der aktuellen Literatur ergänzt.
Parallel dazu werden Ersatzstoffe (Surrogate) zur experimentellen Modellierung der Helmintheneier gemäß unterschiedlicher Faktoren gesucht und über eine Entscheidungsmatrix verglichen (Physiologische Eigenschaften, Eigenschaften in Verbindung mit Wasser, Nachhaltige Eigenschaften und Lebenszyklus Betrachtung, Preis).
Weiterhin wird in der Größenordnung der kleinen Kläranlagen in enger Zusammenarbeit mit der Fa. Menksche GmbH & Co. KG untersucht, welche Anlagengröße national und international die größte Relevanz hinsichtlich Verbreitung, Marktpotential und Zugänglichkeit zu Betroffenen besitzt.
II. Numerische Ermittlung von Widerstandsgesetzen für die Eier von Helminthen von drei unterschiedlichen Gattungen
Hinsichtlich der vorliegenden experimentellen Daten aus den Versuchen von Sengupta et al. sollen nun mathematische Formulierungen entwickelt werden, die das Sinkverhalten unter Berücksichtigung von Form, Größe, Oberfläche und Dichte der Teilchen hinreichend genau beschreiben können, indem das Stoke'sche Sinkgesetzes durch entsprechende Implementierungen erweitert wird. Die Grundlage für die Simulationen bildet die CFD Software ANSYS Fluent.
Hierzu werden die einzelnen Helmintheneier mir einer sehr detaillierten Darstellung ihrer Geometrie modelliert und simuliert. Daraus werden Widerstandsgesetze ermittelt.
Diese Widerstandsgesetze werden in einem Euler-Lagrange-Modell der Zweiphasenströmung implementiert, um das Sinkverhalten einzelner Eier ohne einer genauen Auflösung der Geometrie aber nur anhand des hergeleiteten Widerstandsgesetzes vorhersagen zu können.
Dieses Modell wird wiederum angewendet um das Experiment von Sengupta et al. nachzurechnen. Die Rolle der Brownschen Bewegung, die von Sengupta et al. als ein möglicher Einflussfaktor erwähnt wurde, wird dabei auch überprüft.
Die Widerstandsgesetze werden ggf. angepasst um die Messungen möglichst gut wiedergeben zu können.
III. Entwicklung eines validierten Simulationsmodelles für die Vorhersage von Abscheidungsraten von Ersatz-Helmintheneiern in dem dynamischen Strömungsfeld einer realen kleinen Kläranlage
Das Ziel dieser Phase ist die Entwicklung eines verlässlichen Simulationsmodells für die Vorhersage der Zweiphasenströmung in einer kleinen Kläranlage, insbesondere für die Abscheiderate von Helmintheneiern.
Wenn es um die Berechnung einer inhomogenen, dynamischen, womöglich turbulenten Wasserströmung, beladen mit Helmintheneiern geht, stellt das Widerstandsgesetz nur ein Element des Gesamtmodells dar. Lediglich ein genaues Widerstandsmodell würde nicht ausreichen, um mit dem Gesamtmodell gute Ergebnisse zu erzielen. Die sonstigen Modellierungselemente des Gesamtmodells wie z. B. Ansätze zur Beschreibung der Zweiphasenströmung, Darstellung der Randbedingungen, Turbulenzmodellierung, Modellierung des Einflusses der Strömungsturbulenz auf die Partikelphase, angewandte numerische Ansätze und die Gestaltung des numerischen Gitters haben einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis.
Das Ziel dieser Phase ist eine Modellentwicklung unter Einbeziehung aller Aspekte des Gesamtmodells bis auf das Widerstandsgesetz. Hier wird an allen anderen Modellierungsaspekten außer dem Widerstandsgesetz gearbeitet, unter der Voraussetzung, dass das Widerstandsmodell bekannt ist.
Zu diesem Zweck, kann das in der vorherigen Phase entwickelte Widerstandsgesetz für Helmintheneier nicht angewendet werden, da es im vorliegenden Rahmen nicht möglich ist, Validierungsexperimente mit echten Helmintheneiern durchzuführen. Für die Experimente wird ein geeignetes, kugelförmiges Surrogat (siehe oben I. Voruntersuchung) angewendet, dessen Widerstandsgesetz (das Stokesche Gesetz) sehr genau bekannt ist. Bei der Nachberechnung der Experimente wird natürlich auch mit einer Kugelform gearbeitet, um den Experimenten zu entsprechen.
Diese Strategie resultiert aus der Tatsache, dass im vorliegenden Rahmen eine Durchführung der Experimente mit echten Helmintheneiern aus mehreren Gründen nicht sinnvoll ist. Zum Einen ist die Beschaffung einer ausreichenden Menge an Helmintheneiern sehr problematisch und der Nachweis der Eier im Ablauf der Anlage gestaltet sich als sehr schwierig, da eine Einfärbung der Eier nur sehr schwer möglich ist. Zum Anderen ist der Umgang mit diesem gesundheitsgefährdenden Material sehr kritisch und eine experimentelle Arbeit müsste sicherstellen, dass das Umfeld vor einer Infektion geschützt ist und ein Austritt aus der experimentellen Umgebung unmöglich ist.
Darüber hinaus, bietet die Arbeit mit echten Helmintheneiern zu diesem Zeitpunkt keine nennenswerten Vorteile gegenüber der Arbeit mit kleinen kugelförmigen Partikeln und die Entscheidung aufgrund einer Kosten zu Nutzen Abwägung muss zu Gunsten des Surrogats entschieden werden.
Deshalb ist die Modellentwicklung in zwei Teilen aufgeteilt. Im ersten Teil werden genaue Widerstandsgesetze für echte Helmintheneier entwickelt, wobei die Experimente zur Validierung aus der Literatur stammen. Im zweiten Teil (die vorliegende Projektphase) werden alle anderen Teilmodelle des Gesamtmodells außer des Widerstandsgesetzes entwickelt, wobei zur Validierung eigene Experimente mit einem kugelförmigen Surrogat mit bekanntem Widerstandsgesetz durchgeführt werden sollen.
Die Idee ist, dass man das Gesamtmodell durch das Zusammenführen beider Teile erhalten kann, und dieses Gesamtmodell als verlässlich betrachtet werden kann, da die Modellteile getrennt validiert worden sind. Anders formuliert, gehen wir davon aus, dass das Gesamtsimulationsmodell, welches genaue Ergebnisse für eine kugelförmige Partikelbeladung in einer kleinen Kläranlage liefert, auch genaue Ergebnisse für eine Helminthenier-Beladung liefern wird, wenn die richtigen Widerstandsgesetze für die Helminteneier eingesetzt werden.
Im oben dargestellten Sinne wird hier eine experimentelle Untersuchung des Trennverhaltens der kugelförmigen Modelleier mit geeigneten Eigenschaften (Projektphase I) vorgenommen. Eine kleine Kläranlage der Firma Menksche GmbH & Co. KG mit der in den Voruntersuchungen ermittelten EW-Größe (EW: Einwohner) wird zur Untersuchung zugrunde gelegt. Diese Anlage wird in einer entsprechenden Umgebung zu Versuchszwecken vorbereitet und mit einer definierten Menge der Modelleier in Wasser durchströmt. Am Austritt wird das Rückhalteverhalten ermittelt.
Der Versuch wird mit reinem Wasser durchgeführt. Gemessen wird die Menge der Teilchen am Austritt der Kläranlage. Die Teilchen am Austritt werden mit einer Kaskade feiner werdenden Analysesieben abgefangen. Aus dem Verhältnis der sich am Austritt befindenden und zugegebenen Teilchen wird der Abscheidegrad bestimmt. Darüber hinaus kann durch die Verwendung der Kaskade der Analysesiebe am Ausgang ein genaues Bild über das Trennverhalten einzelner Korngrößen der Kläranlage gewonnen werden. Um die Genauigkeit der Messung zu erhöhen, wird das Experiment mit unterschiedlichen Dosierungen wiederholt.
Diese Versuchsanlage wird ebenso numerisch simuliert. Die Strömungssimulation basiert auf einem Zweiphasenmodell nach einer Euler-Lagrange-Darstellung, in dem das Wasser die kontinuierliche Phase (nach Euler), und das Surrogat die disperse Phase (nach Lagrange) darstellen. Die Simulationsergebnisse werden mit den Messungen verglichen. Die Teile des Gesamtmodells (wie z. B. numerische und mathematische Modelle, Randbedingungen, Turbulenzmodellierung, Vernetzung) werden angepasst, um die bestmögliche Übereinstimmung mit den Messdaten zu erhalten.
IV. Optimierung
Die in der vorangegangenen Projektphase untersuchte kleine Kläranlage wird hinsichtlich einem größtmöglichen Abscheidegrad von echten Helmintheneiern numerisch optimiert, wobei hier aus dem Leitfaden zur Abwassertechnologie in anderen Ländern des Verbundforschungsprojekts Exportorientierte Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Wasserver- und -entsorgung das Reinigungsziel für Wasser zur Wiederverwendung von 0,1 - 5 Helmintheneier/l verfolgt werden soll.
Um eine höhere Genauigkeit bei der Optimierung zu erlangen, werden im Simulationsmodell die Materialeigenschaften des Abwassers realistisch berücksichtigt. In Abhängigkeit vom Feststoffgehalt und weiteren Parametern kann das Abwasser vom Wasser abweichendes, nicht-Newtonsches Fließverhalten zeigen. Um dies möglichst realistisch darstellen zu können, wird das Abwasser zuerst experimentell untersucht. Dies beinhaltet die Bestimmung des Feststoffgehalts durch ein Trocknungsverfahren und eine direkte Messung der Fließkurve mit Hilfe eines Viskosimeters. Unterstützt durch die Literaturempfehlungen wird ein Materialgesetz für das Fließverhalten des Abwassers entwickelt und in das Simulationsprogramm implementiert.
Die Optimierungsparameter betreffen hauptsächlich die Geometrie und die Strömungsführung, welche in der ersten Projektphase in Zusammenhang mit dem ausgewählten Typ der kleinen Kläranlage genauer spezifiziert worden sind.
Bei dieser numerischen Optimierung werden die Modellteile aus der vorherigen Projektphasen zusammengeführt. Dies bedeutet, dass das numerische Gesamtmodell nach den in der vorherigen Projektphase entwickelten Vorschriften gebildet wird, wobei als Widerstandsgesetz das im Rahmen des vorliegenden Projekts entwickelte Widerstandsmodell eingesetzt wird. Da die Bestandteile des Gesamtmodells, wenn auch getrennt, validiert worden sind, gehen wir davon aus, dass die Vorhersagen des Gesamtmodells und somit die Optimierungsergebnisse verlässlich sind.
Ergebnisse und Diskussion
Abschließend wurden die Ergebnisse untereinander verglichen und jeweils nach 3 h mit maximaler Geschwindigkeit und 10 h mit mittlerer Geschwindigkeit geschaut, wie viele Partikel die jeweiligen Bauformen wieder verlassen haben. Dieses wurde dann in Relation zur Ausgangsbauform gesetzt und sollte eine Verschlechterung eingetreten sein, wurde ein negativer Wert für den jeweiligen Betriebspunkt und Bauform vergeben. Wenn eine Verbesserung aufgetreten ist, wurde jeweils aufsteigend Punkte vergeben nach der Reihenfolge der einzelnen Bauformen. So ergab sich unten gezeigte Tabelle. Hier zeigt sich erstaunlicherweise, dass die Bauform mit dem Brett, das nur 720 mm Eintauchtiefe hatte von allen Varianten mit Brett die beste ist und je tiefer das Brett folgend eingetaucht wird, desto mehr nimmt die Verbesserung ab. Dies geht sogar so weit, dass bei einer Eintauchtiefe von 1600 mm und der mittleren Strömungsgeschwindigkeit eine Verschlechterung der Abscheidecharakteristik gegenüber der Ausgangslage auftritt. Bei den Bauformen, die ein aufgebogenes Ölfass als Grundkonstriktion nutzen, ist dieser Trend so nicht zu beobachten, hier weist die Bauform, die aus zwei 220 l Fässern (Standardmäßig ist eines 880 mm hoch) gebildet werden würde und eine Eindringtiefe von 1300 mm besitzt ebenfalls eine optimale Abscheidung auf.
Aus diesen Ergebnissen folgernd empfehlen wir Folgendes:
Der Einbau letztgenannter Trenneinrichtung, da diese auch am einfachsten zu montieren ist und Ölfässer in Afrika häufig vorkommen und so aus dem Schrott eine Art Recycling erfah-ren.
Weiterhin empfehlen wir den Zulauf wie in den Simulationen bereits erfolgt, unter der Was-seroberfläche erfolgen zu lassen, da ein freies Einströmen in die Wasseroberfläche zu großen Verwirbelungen im gesamten Wasserkörper und zu einem großen Lufteintrag, was mit Schaumbildung einhergeht, führt.
Außerdem sollte der Zulauf nicht auf einer Ebene mit dem Ablauf liegen, sondern auf der anderen Seite.
Abschließend können und sollten die Klärzeiten, insbesondere zur Sedimentation in der biologischen Kammer verlängert werden, indem hier nicht im Einkammer sondern im Zweikammerbehälter mit alternierend beschickten Kammern gearbeitet wird. Dies bedeutet zwar einen gewissen zusätzlichen Investitionsbedarf, da somit noch drei weitere Heber (jeweils einen extra Heber für Zufluss zur Kammer, Klarwasserabzug und Klärschlammabzug) benötigt werden, die Reinigungsleistung kann damit aber voraussichtlich deutlich verbessert werden.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
A. C. Benim, "Numerical Calculation of Sink Velocities for Helminth Eggs in Water", Com-putation (2021) 9(12), 136.
M. Diederich, F. Gül, C. Özman, A. C. Benim, L. Ihringer and D. Möller, "Numerical Modelling and Experimental Validation of Mechanical Separation of Helminth Eggs for Wastewater Purification", 4th International Conference on Frontiers in Industral and Applied Mathematics, Longowal, Punjab, India, December 21-22, 2021 (accepted).
M. Diederich, F. Gül, C. Özman, A. C. Benim, L. Ihringer and D. Möller, "Mechanical Helminth Eggs Separation for Wastewater Purification: Analysis of the Fluid Dynamics", The 9th Interational Conference on Heat Transfer and Fluid Flow, July 31 - August 2, 2022, Prague Czech Republic (accepted).
Fazit
Im Forschungsvorhaben wurde einerseits ein Simulationsmodell für das Verhalten von unterschiedlichen Helmintheneiern in einer Strömung erfolgreich entwickelt und experimentell validiert. Dieses Modell wurde dann zur Grundlage genommen, um die Funktionsweise einer Kleinkläranlage hinsichtlich der Abscheidecharakterisitk von Helmintheneiern zu optimieren.
Parallel zu den hier aufgeführten Arbeiten, wurden diverse Konzepte zur sicheren und ökologisch und ökonomisch sinnvollen Behandlung des Klärschlamms aus der optimierten Anlage entwickelt mit einer Untersuchung, wie dieses Konzept optimal und nachhaltig im Rahmen eines lokalen Entrepreneurs realisiert werden könnte. Weiterhin wurden die Kriterien für die optimale Aufstellung der Kleinkläranlagen in einem zentralafrikanischen Land vorgenommen und eine optimierte Logistikplanung zur Abfuhr von konterminiertem Klärschlamm.
Abschließend lässt sich also sagen, dass durch das geförderte Vorhaben Strukturen vorbereitet worden sind, um die Abwasser- und Hygieneproblematik in vielen zentralafrikanischen Ländern zu verbessern und damit auch in Deutschland einen Beitrag zu leisten, um hier Gefährdungen durch mögliche verunreinigte Lebensmittel zu reduzieren und eine Fluchtursache aus Zentralafrika zu verringern.
Fördersumme
124.000,00 €
Förderzeitraum
27.08.2019 - 31.07.2022
Bundesland
Nordrhein-Westfalen
Schlagwörter
Ressourcenschonung
Umwelttechnik