Projekt 34836/01

Apfelanbau unter einem variablen Foliendach: Reduktion von Pflanzenschutzmitteln bei gleichzeitiger Verbesserung der Fruchtqualität

Projektdurchführung

Landwirtschaftskammer Niedersachsen
Mars-la-Tour Str. 6
26121 Oldenburg

Zielsetzung

Die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln (PSM) bei gleichzeitiger Verbesserung der Fruchtqualität ist ein zentrales Ziel von Verbrauchern, Umweltverbänden, Behörden und der Politik. Neben der Wahl krankheitsresistenter Sorten und einer optimierten Pflanzenschutzstrategie bietet der Schutz von Apfelanlagen durch ein Foliendach großes Potenzial zur Einsparung von PSM. In Norddeutschland existieren bislang keine Apfelanlagen mit Folienschutz, obwohl gerade an der Niederelbe das feuchte Klima die Fruchtqualität durch Krankheiten wie Apfelschorf, Fruchtfäulen oder Schalenflecken beeinträchtigt. Im Alten Land ermöglicht der hohe Gewässerreichtum außerdem eine gezielte Bewässerung, die für Folienüberdachungen essenziell ist.
Es ist davon auszugehen, dass eine Folienüberdachung bis zu 80 % der Fungizidmaßnahmen überflüssig machen kann, ohne das Risiko für Schaderreger zu erhöhen. Zudem verbessert ein Foliendach die äußere Fruchtqualität erheblich: Schalenberostung (z. B. ‘Fresco‘) und Schalenflecken (‘Elstar‘) lassen sich um mehr als 80 % reduzieren. Weitere Vorteile sind der Schutz vor Hagel, Sonnenbrand und Windschäden sowie die Minimierung der PSM-Abdrift.

Ziel des Projekts war es, zwei Apfelanlagen (ÖKO- und IP-Produktion) mit Foliendächern auszustatten, um das Potenzial der PSM-Einsparung sowie Qualitätsverbesserungen wissenschaftlich zu untersuchen. Neben permanent geschlossenen Dächern wurde ein variables Foliendach erprobt, das je nach Wetterlage geöffnet oder geschlossen werden kann. Dadurch sollen Nachteile einer durchgängigen Überdachung, wie geringere Sonneneinstrahlung und Ertragseinbußen, minimiert werden. Auch Probleme wie eine reduzierte Fruchtausfärbung am lichtarmen Standort Niederelbe sollen so minimiert werden. Positive Effekte auf Bestäubung, Mikroklima und die Lebensdauer der Folie sind weitere erwartete Vorteile.
Die Erkenntnisse sollen Obstbauern und Behörden bei Entscheidungen für eine zukunftsfähige und umweltschonende Apfelproduktion unterstützen.

Arbeitsschritte

Im Frühjahr 2020 wurde eine permanente Überdachung (BayWa AG, München) für jeweils 1200 m² Baumobstfläche (10 Apfelreihen à 33 m) auf der IP- und ÖKO-Anbaufläche der ESTEBURG installiert.
Die geplante variable Überdachung konnte 2020 auf Grund technischer Probleme nicht umgesetzt werden. Nach erneuter Ausschreibung im Winter 2020/21 erhielt Hermes Fruitsystems (Beek, Niederlande) den Zuschlag. Im Sommer 2021 wurde schließlich eine variable Überdachung vom Typ Wayki Anti-Rain (Firma Valente Srl, Italien) errichtet. Unter allen Foliendächern wurde eine Tropfbewässerung eingerichtet.
Im Projekt wurden die Auswirkungen der drei Witterungsschutzeinrichtungen Hagelnetze, permanente und variable Überdachung auf Fruchtertrag und -qualität im Vergleich zur Freilandvariante untersucht. Die Versuche fanden sowohl auf einer integrierten (IP) als auch auf einer ökologischen (ÖKO) Anbaufläche der ESTEBURG statt. Seit 2020 wurden die Sorten ‘Red Jonaprince‘ und ‘Fresco‘ in beiden Anbausystemen begleitet sowie ab 2021 die Sorten ‘Elstar‘, ‘Nicoter‘ (nur IP) und ‚‘Braeburn‘ (nur ÖKO). Pflanzenschutz erfolgte nach Empfehlungen des Obstbauversuchsrings des Alten Landes e.V. (IP) bzw. ÖKO-Obstbau Norddeutschland e.V. (ÖKO).

Ergebnisse

Im Projekt wurden die Sorten ‘Elstar‘, ‘Red Jonaprince‘, ‘Fresco‘, ‘Nicoter‘ (nur IP) und ‘Braeburn‘ (nur ÖKO) untersucht, da sie für die Apfelproduktion an der Niederelbe relevant und unterschiedlich anfällig für Apfelschorf, Lagerfäulen, Apfelmehltau und Obstbaumkrebs sind. Die Freiland-Varianten dienten als Referenz im Vergleich zu den Witterungsschutzsystemen. Hagelnetze beeinflussten den Ertrag nicht, reduzierten jedoch die Fruchtausfärbung um bis zu 10 % und hemmten Schorfinfektionen.
Die Permanente Überdachung erwies sich als wirksamer Schutz vor Apfelschorf und Lagerfäulen. Besonders bei ‘Nicoter‘ zeigte sich zudem ein vorbeugender Effekt gegen den Obstbaumkrebs auslösenden Pilz Neonectria ditissima. Im ÖKO-Anbau konnte die Fruchtberostung bei ‘Fresco‘ deutlich reduziert werden. Allerdings führte die Permanente Überdachung zu kleineren Früchten mit schwächerer Ausfärbung, geringerer Festigkeit und niedrigeren Erträgen. Zudem waren die Materialien wenig langlebig und verschlissen stark.
Die Variable Überdachung sollte die Vorteile der Permanenten Überdachung beibehalten und deren Nachteile reduzieren. Die Erträge waren in der Integrierten Produktion meist mit dem Freiland vergleichbar, mit Ausnahme von ‘Red Jonaprince‘, dessen Ertrag um 30 % niedriger lag. Die Fruchtausfärbung war bei den Sorten ‘Fresco‘ (IP) und ‘Braeburn‘ (ÖKO) etwas schwächer, entsprach aber dem Niveau von Hagelnetzen. Qualitätsparameter wie Festigkeit, Zuckergehalt und Säure lagen über dem Niveau der Permanenten Überdachung, aber unter dem des Freilands. Der Schutz vor Obstbaumkrebs und die Verminderung von Fruchtberostung war ähnlich wie unter der Permanenten Überdachung. Apfelmehltau und Blutlausbefall wurden gefördert, aber weniger stark als unter der Permanenten Überdachung. Der Schutz vor Schorf und Lagerfäulen war schwächer, zeigte aber im ÖKO-Anbau bei der Sorte 'Braeburn' deutliche Vorteile: Der Schorfbefall war unter der Variablen Überdachung 2022 bis zu viermal und 2024 bis zu zwölfmal niedriger als im Freiland. Auch Lagerfäulen traten seltener auf. Einschränkungen ergaben sich durch Lücken zwischen den Folienbahnen sowie zunehmende Materialermüdung ab 2023.
Trotz reduziertem Pflanzenschutzmitteleinsatz wurden unter den Folienüberdachungen im Hinblick auf Krankheitserreger vergleichbare (IP) bzw. deutlich bessere (ÖKO) Ergebnisse erzielt. In der Integrierten Produktion führte der reduzierte Fungizid-Einsatz zudem zu geringeren PSM-Rückständen auf den Früchten.

Öffentlichkeitsarbeit

Durch die enge Verzahnung der OVA Jork mit den Beratungseinrichtungen OVR und ÖON im ESTEBURG-Obstbauzentrum Jork war eine direkte Überführung von gewonnenen Erkenntnissen in die obstbauliche Praxis sichergestellt. Anlässlich der Tagungen der obstbaulichen Facharbeitsgruppen „Technik“ und „Kernobst“ wurden die Überdachungssysteme im Sommer und Winter 2022 und der Facharbeitsgruppe „Kernobst“ im Sommer und Winter 2023 ausgewählten Obsterzeugern vorgestellt. Außerdem wurden die Überdachungssysteme auf dem Feld- und Techniktag der ESTEBURG Ende August 2022 und 2023 einer großen Anzahl Obstanbauern präsentiert (Holthusen, 2022; Holthusen et al., 2023). Auszüge aus den ersten Ergebnissen wurden in einem Kooperationsvortrag verschiedener europäischer Obstforschungsinstitute anlässlich des XXXI International Horticultural Congress: IHC2022 im August 2022 in Angers, Frankreich vorgestellt und im Nachgang in Acta Horticulturae veröffentlicht (Zavagli et al., 2023). Direkt im Anschluss an die Projektlaufzeit wurden grundlegende Erkenntnisse der mehrjährigen Untersuchungen anlässlich der Norddeutschen Obstbautage 2025 in Jork vor über 200 Obsterzeugern und Gästen vorgestellt.

Fazit

Das Variable Dach erfüllte die Erwartungen an Fruchterträge und -qualitäten weitgehend. Abweichungen waren meist auf technische Mängel zurückzuführen, die durch eine Weiterentwicklung, insbesondere mit einem automatisierten Öffnungs- und Schließsystem, behoben werden könnten. Bereits während der Projektlaufzeit zeigte sich, dass die verwendeten Materialien nicht ideal waren. Besonders problematisch war der Einsatz von Kunststoff, der durch Witterungseinflüsse beschädigt wurde und sich als Kleinteile in den Obstanlagen verteilte. Künftige Entwicklungen sollten auf robustere, nachhaltige Materialien ohne Kunststoff setzen.
Parallel dazu bot das Projekt erste Einblicke in ein weiterentwickeltes Agri-PV-Überdachungssystem. Im Vergleich zu Folienüberdachungen zeichnete es sich durch eine längere Lebensdauer und reduzierten Kunststoffeinsatz aus. Dank zusätzlicher Einnahmen aus der Stromvermarktung erscheinen Agri-PV-Systeme als wirtschaftlich attraktive Lösung für eine geschützte Apfelproduktion mit reduziertem Pflanzenschutz. Zudem könnten sie Schutz vor Hagel, Frost und Sonnenbrand bieten. Eine flexible Steuerung wäre ideal, um je nach Bedarf zwischen maximaler Lichtverfügbarkeit und Stromproduktion zu wechseln. Untersuchungen hierzu könnten erheblich zur Weiterentwicklung des geschützten Obstbaus beitragen.

Übersicht

Fördersumme

411.652,00 €

Förderzeitraum

01.02.2020 - 31.10.2024

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umwelttechnik