Projekt 34816/01

Entwicklung, Evaluation und Implementierung neuer Bildungsmodule für den Geographieunterricht zum Thema Elektroschrott & Seltene Erden

Projektdurchführung

Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) Institut für Geographie Bereich Didaktik der Geographie
Karl-Glöckner-Str. 21 g
35394 Gießen

Zielsetzung

Neben dem Problembereich der Elektronikentsorgung und des Elektronikrecyclings bestehen im Bereich des Ressourcen-Abbaus bis heute ungelöste politisch-ökonomische und soziale Probleme. Bis 2050 wird eine Vervielfachung des Lithium- und Kobaltbedarfs für Batterien von Elektroautos erwartet. Infolge meist undurchsichtiger Lieferketten herrschen vielerorts problematische, oft illegale Strukturen vor. Besonders betroffen hiervon sind dysfunktionale Staaten wie die D.R. Kongo (u.a. Bürgerkrieg, korrupte Bündnisse aus Militärs, Rebellengruppen, Politiker und Geschäftsleute, illegale Abbaubedingungen, Verschleierung der Herkunftsorte, Zerstörung von Ökosystemen, vgl. u. a. Berdal 2016, Haepp & Nova 2015, Zeebroek 2008).
Die skizzierten, vielfach in komplexen, sich wechselseitig verstärkenden Systemen verwobenen Effekte stellen enorme Forderungen an Produzenten, Konsumenten und politische Akteure im systemischen Denken unter Einbezug ethischer Kriterien. Für Schüler*innen bietet der systemische Ansatz als Lernstrategie eine Möglichkeit die komplexen zu berücksichtigenden Aspekte im Rahmen von reflektierten Entscheidungsfindungen abzuwägen.
Im Bereich der Förderung von Nachhaltigkeitsbewertung und Nachhaltigkeitsbewusstsein findet sich eine große Zahl an Unterrichtsvorschlägen respektive Förderkonzepten, die Bewusstsein und Handeln für die Gestaltung einer zukunftsfähigen Gesellschaft anbahnen sollen (zum Überblick nach Konzepten aus Erziehungswissenschaft, Geographiedidaktik, Didaktiken der Naturwissenschaften vgl. grundlegend Applis 2012).
Für die schulische Praxis liegen allerdings kaum Evaluationen vor, die zum einen Auskunft darüber geben würden, unter welchen Bedingungen die angestrebten Förderziele erreicht werden und in welchem Umfang tatsächlich Bewertungskompetenz nachhaltig gefördert würde.
Leider weisen die wenigen evaluativ ausgerichteten Projekte der Unterrichtsforschung und Unter-suchungen von Bildungsträgern darauf hin, dass Lehrkräfte das vorgeschlagene Bildungsmaterial kaum einsetzten. Als dafür ursächlich wird die Lehrkräfte oft überfordernde Komplexität der vorgeschlagenen Materialien ausgemacht, die selten direkte Passung zwischen Material und Lehrplänen und die generell geringe Durchgängigkeit zwischen externen Bildungsträgern wie Universitäten und NGOs und dem weitestgehend abgeschlossenen schulischen Raum ausgemacht. Die Lehrperson ist hier der entscheidende, oft limitierende Faktor (vgl. u.a. TERHART 2006, LIPOWSKY 2006, HATTIE 2013).
Man kann weiterhin feststellen, dass sich eine große Zahl an Bildungsmaterial findet mit dominierend informierendem Charakter (Ansätze von Wissenstransfer). Komplexe Ansätze jedoch, die auf Förderung von systemischem Denken (Mehren, Rempfler & Ulrich‐Riedhammer 2014) und Urteils- und Bewertungskompetenz hin ausgerichtet sind (kritisch-konstruktivistische Ansätze), liegen im Vergleich in geringer Zahl vor und werden von Lehrkräften überwiegend als überfordernd angesehen (u. a. APPLIS & FÖGELE 2016, FÖGELE & MEHREN 2015).
So müssen Ziele der Wirksamkeit etablierter Maßnahmen, wie sie in Bildungsansätzen zu Förderthema 9 vorauszusetzen sind, als besonders herausfordernd angesehen werden (z. B. Berücksichtigung leitender Werte und ethischer Grundhaltungen, Entwicklung neuer Methoden und Instrumente der Kommunikation, des Lernens, des Dialogs und der Beteiligung, die insbesondere auch auf Kinder und Jugendliche zielen, vgl. grundlegend APPLIS 2012). Für die oben skizzierten Problembereiche können u. a. folgende Herausforderungen auf Seite von Verbraucher*innen, die durchaus für Erwachsene/Lehrkräfte und Schüler*innen gelichermaßen gelten, formuliert werden:
- Anbahnung von Fachkompetenz im Sinne eines systemischen Durchdringens der Komplexität des Gegenstandes
- Bewusstsein schaffen für Relevanz längerer Nutzungszeiträume von Elektrogeräten und produktions- und distributionsbezogene ethische Kriterien
- Bewertungs- und Entscheidungskompetenz fördern hinsichtlich Berücksichtigung lokaler umwelt- und gesundheitsrelevanter Aspekte (u. a. Haltbarkeit, Austauschbarkeit von Akkus, Entsorgung von Elektroschrott, Nutzung von Gebrauchtartikeln)
- Bewertungs- und Entscheidungskompetenz fördern hinsichtlich globaler umwelt- und gesundheitsrelevanter Aspekte (u. a. Wiedergewinnung und Aufbereitung umweltkritischer Metalle, Verbesserung von Recyclingraten, Transport- und Lieferketten von Rohstoffen und Metallen, Produzentenverantwortung, Firmenbewertung nach ethischen Kriterien)
- Bereitschaft unterstützen, außerschulische Lernorte aufzusuchen (regionale Sammelstellen etc.), um Handlungsbereitschaft zu stärken
Gefragt ist also eine Lehrperson, die gleichzeitig Expert*in ist für schwierige fachwissenschaftliche Zusammenhänge, die nötige analytische Durchdringung fachdidaktischer Theorien leisten kann und zudem über Erfahrung in anspruchsvollen Handlungssituationen verfügt (vgl. u. a. REINHARD 2009, CZERWENKA 2004).

Arbeitsschritte

Im Projekt wurden in der Zeit von Februar 2019 bis Februar 2021 auf Basis aktueller Fachstudien zu Erfassung, Bewertung und Bewältigungsstrategien zum nicht behördlich genehmigten Export von Elektro-Altgeräten in Länder außerhalb der EU (= Bereich Elektronikentsorgung und Elektronikrecycling) und zu Gewinnungsketten seltener Erden (=Bereich Rohstoffgewinnung, Rohstoffdistribution und Rohstoffverarbeitung) neu erstelltes Bildungsmaterial für die Jahrgangsstufen 8/9 und 10-12/13 an Schulen in Hessen (Raum Gießen) und Bayern (Raum Erlangen) implementiert auf Grundlage aktueller empirischer Erkenntnisse zu Förderung von systemischem Denken und Urteils- und Handlungskompetenz.
Die insgesamt sechs Projektschulen waren jeweils innerhalb einer Förderinitiative zur Verknüpfung von Theorie und Praxis an Universitäten angebunden. Das themenbezogen neu konzeptionierte Material wurde auf Grundlage empirisch evaluierter Lehr-Lern-Modelle im studentischen Seminar und den Partnerschulen pilotiert, durch die Lehrkräfte einem Expertenreview unterzogen und so schrittweise in Auseinandersetzung zwischen Didaktikern und Lehrkräften verbessert. Im studentischen Seminar erstellte Videovignetten zu den zentralen Fördermethoden wurden innerhalb der Fortbildungsmaßnahmen zur Unterstützung eingesetzt.
Im Projekt wurde zunächst eine Website/ein Blog geschaffen, um die beteiligten Schulen und Lehrkräfte an das Projekt anzubinden und die fortschreitend entstehenden Beiträge zu aktualisieren, sowie Informationen und Materialien zum Themenfeld einer über die sechs beteiligten Projektschulen hinausgehenden Zielgruppe zugänglich zu machen.
Weiterhin wurden in Bayern an der zentralen staatlichen Lehrerbildungsinstitution ALP Dillingen Lehrkräfte mit Multiplikatoren-Funktion an den Unterrichtsmodulen ausgebildet (Seminarlehrkräfte, Fachreferenten, Fachbetreuer), über die die Materialien zusätzlich evaluiert wurden. Um eine nachhaltige Sicherung der innovativen Zugänge zu gewährleisten nahmen die Multiplikatoren an insgesamt drei, zeitlich versetzten Fortbildungen Teil, wodurch sie die Möglichkeit erhielten in den Zwischenphasen eigene Erfahrungen mit den Unterrichtsmodulen zu machen. Eine online verfügbare Endfassung des Materials für Universität, Referendariat und Fortbildung wurde zunächst über die Website/den Blog https://schrottschatz.net/ (weiterhin online), dann über dessen Nachfolger https://doinggeoandethics.com/ zur Verfügung gestellt.

Ergebnisse

Die CoViD-19-bedingte Schließung der Schulen und der Fortbildungseinrichtungen erforderte eine Um-Konzeptionierung des projektierten Ansatzes. In Folge dessen wurde sowohl das Angebot des Unterrichtsmaterials auf der Website erweitert als auch der didaktischen Formate, die wiederum angepasst wurden an die Erfordernisse des digitalen Unterrichts – der Kontakt mit den beteiligten Projektschulen erfolgte fortan digital. Weiterhin wurden Teile der Fortbildungsmaßnahme an der ALP Dillingen digital im von der Akademie verwendeten Moodle-Format angeboten – dieses stellt eine Kombination aus Selbstlernkurs und moderierten Zoom-Konferenzen dar. Das erstellte Schulungsmaterial wurde im Zuge von dessen Fertigstellung immer sofort zunächst auf der Website https://schrottschatz.net/, dann auf https://doinggeoandethics.com/ hochgeladen, um es auch weiteren Nutzer*innen zugänglich zu machen.
Die DBU finanzierte eine volle Projektmitarbeiter*innenstelle. Alle weiteren Projektkosten für Personal, Sachkosten, Reisekosten etc. wurden aus Lehrstuhlmitteln (Universität, Overheadmittel) und aus den Mitteln der Kooperationspartner (Universität bei Zentren für Lehrerbildung und Bayerischer Staat bei Akademie für Lehrerbildung) beglichen. In Absprache mit der DBU wurde die Finanzierung im Laufe des Projektes auf mehrere Mitarbeiter*innen-Stellen aufgeteilt. In diesem Zuge kam es zu einer Neuaufstellung der Website in einem modernen Layout, die seit September 2020 betrieben wird.

Öffentlichkeitsarbeit

Die Erstellung der Website zum Projekt erwies sich als zentrales Element der Implementierungsleistung, wie die Statistiken zur Nutzung des Angebotes zeigen (s. Zwischenberichte). Der durch CoViD-19-bedingte Ausfalls des Unterrichts hat womöglich zu einer vermehrten Nachfrage nach Online-Unterrichtsmaterial geführt. Die neue Website respektive der Blog hat über in der Zwischenzeit erfasste Mail-Verteiler, in die neben Geographie- auch Ethiklehrkräfte als weitere Zielgruppe aufgenommen wurden, zusätzliche Möglichkeiten zur Anbindung weiterer Schulen an das Projekt ermöglicht – wir haben hier einen Stand von insgesamt 503 Follower*innen erreicht bei rund 1000 Besucher*innen pro Monat und ca. 8000 Aufrufen; die Schwelle, per Mail zu abonnieren ist in Zeiten von intensiven Diskussionen über Datenschutz selbstverständlich hoch. Die tatsächlichen Abrufzahlen und Besucherzahlen seit September 2020 zeigen, dass die Zahl der Nutzer allerdings deutlich höher liegt (s.o.). Die Arbeit an der zweiten Fassung der Projekt-Website wird nach dem Abschluss der Förderung im Februar 2021 weitergeführt, wir arbeiten ständig an einer Auswertung der Rückmeldungen von den Fortbildungen und passen unser Angebot entsprechend an; mittlerweile erscheint einmal pro Woche jeden Montagmorgen ein neuer Beitrag, was unserer Auswertung nach zu einer Stabilisierung und Erweiterung der Besucher*innenzahlen führt; die DBU ist mit Ihrem Emblem auf jeder Unterseite als Förderin ausgewiesen.
Um den neuen Blog attraktiver zu machen, haben wir unseren BNE-Ansatz um das Themenfeld „Klimawandel“ erweitert. So können zudem weitere Aufgabenpakete hinzugenommen werden, um die nach dem Förderende anstehende Aktualisierung und Weiterführung gewährleisten zu können. Zudem wurde die in den Themenfeldern vorliegende Verbindung von natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Fakten und ethischen Fragestellungen deutlicher adressiert (vgl. Konzept der doppelte Komplexität), um ein breiteres Feld an Lehrpersonen anzusprechen. Der Blog wird zudem durch einen erst neu eingerichteten Twitter-Account beworben (https://twitter.com/geoandethics); die DBU ist als Förder*in ausgewiesen über Ihren Twitter-Feed.

Blog-Projekt Geographie&Ethikunterricht fördernTwitterhandle des Blogprojekts

Fazit

Der Blog https://doinggeoandethics.com/ hat sich letztlich so gut entwickelt, dass er zum entscheidenden Aushängeschild des Projektes wurde. Über unser ursprüngliches Ziel hinausgehend wird er seit September 2020 zudem für die Lehramtsausbildung eingesetzt, was wiederum unterstützend für das von der DBU geförderte Folgeprojekt „"ESD for 2030: The Future WE Want" eingesetzt werden kann; damit ist über die Publikation des Projektes hinaus die Weiterführung über zwei Jahre garantiert, ebenso kann das Nachfolgeprojekt problemlos über den neuen Blog und den damit verknüpften Twitter-Account https://twitter.com/geoandethics verbreitet werden. Insgesamt sehen wir die von uns angestrebten Ziele, abgesehen von dem durch CoVid19-bedingten limitierten Zugang zu den Schulen, umgesetzt, da es uns gelungen ist, hierfür Kompensationsmaßnahmen zu ergreifen, bei denen die Zahl der Adressat*innen deutlich über die von uns anvisierte Zielgruppe hinausreicht.

Übersicht

Fördersumme

119.198,00 €

Förderzeitraum

16.11.2018 - 16.02.2021

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Umweltkommunikation