Projekt 34790/01

Kaltlagerung von musealen, anthropogenen Objekten auf der Basis von Cellulosenitrat – Mechanische Beanspruchung versus chemischer Abbau

Projektdurchführung

Deutsches Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik
Museumsinsel 1
80538 München

Zielsetzung

Es liegt in der Verantwortung von Museen, das kulturelle Erbe für nachfolgende Generationen zu bewahren. Sowohl Wissenschafts- und Technikmuseen als auch Designmuseen oder Kunstsammlungen besitzen wertvolle Objekte aus Cellulosenitrat (CN). Allerdings zählt CN zu einer der fünf instabilsten Kunststoffarten in Museen und ist daher problematisch zu erhalten. Beim Abbau von CN können höchst korrosive Schadgase entstehen, welche die Polymersubstanz weiter abbauen. Zusätzlich werden umliegende Objekte durch diese Gase stark geschädigt. Sobald der Abbau von CN eingesetzt hat, sind die Erhaltungsmöglichkeiten für Museen begrenzt und sie sind oft gezwungen, betroffene Objekte zu entsammeln, d. h. die Objekte aus der Sammlung auszusondern, um letztere nicht zu gefährden. Die frühzeitige Verlangsamung der Alterungsprozesse ist essentiell für den langfristigen Erhalt von CN-Objekten. Die Kaltlagerung ist eine Praxis, die von Filmarchiven bereits betrieben, aber erst wenig bei 3D-Objekten durchgeführt wird. Grund dafür ist die Furcht vor mechanischen Schäden, die durch den Abkühlprozess hervorgerufen werden könnten, und zudem ist dieses Feld bisher noch wenig untersucht, weshalb kein praktischer Leitfaden für Museen existiert.
In diesem Forschungsprojekt wurde die Verlangsamung der chemischen Abbauprozesse durch das Absenken der Temperatur bei der Kaltlagerung von Prüfkörpern untersucht.

Arbeitsschritte

Das Projekt wurde in folgende Arbeitsschritte gegliedert:
- Herstellung geeigneter Prüfkörper für die Kaltlagerungsstudie
- Methodenentwicklung zur chemischen Charakterisierung von Celluloid (CN mit dem Weichmacher Campher)
- künstliche Alterung der Prüfkörper als Vorbereitung für die Kaltlagerungsstudie
- Durchführung und Bewertung der Kaltlagerungsstudie

Ergebnisse

Herstellung geeigneter Prüfkörper für die Kaltlagerungsstudie:
Durch das DBU-Projekt wurden zum ersten Mal in der Konservierungswissenschaft reproduzierbare 3D-CN-Prüfkörper in Annährung zu historischer Formgebung hergestellt. Dies schuf nicht nur eine geeignete Ausgangsbasis für systematische Kaltlagerungstests, sondern kann als Grundlage genutzt werden, um Prüfkörper mit unterschiedlichen Formen und Materialzusammensetzungen zu produzieren. Dadurch können diese Prüfkörper einen wichtigen Beitrag zur Erforschung von aktiven und passiven Konservierungsmaßnahmen liefern und das Verständnis des Materialverhaltens gegenüber Schädigungsfaktoren erleichtern, ohne das Original zu gefährden.

Methodenentwicklung zur chemischen Charakterisierung von Celluloid:
Die Auswahl und das Adaptieren von bestehenden Methoden ermöglichte das quantitative Erfassen des Stickstoffgehalts (mittels Ionenchromatographie), der Kettenlängen (mittels Gel-Permeations-Chromatographie) und des Camphergehalts (mittels Gel-Permeations-Chromatographie). Mit Hilfe dieser Analysemethoden konnte der unterschiedliche Fortschritt der Alterungsprozesse während der Lagerung nachvollzogen werden. Diese im Projekt verfeinerten Quantifizierungsmöglichkeiten haben das Potential zum Verständnis des Ursprungs des charakteristischen Rissbildes im Inneren des Materials beizutragen, indem sie eine präzise Bewertung der Hauptabbauprozesse von Celluloid ermöglichen. Durch die Verknüpfung von diesen chemischen Charakteristika mit mechanischen Kennwerten kann zukünftig Aufschluss gegeben werden, ab wann es zu Materialversagen und Rissbildung kommt.

Künstliche Alterung der Prüfkörper als Vorbereitung für die Kaltlagerungsstudie:
Die Alterung erfolgte, bis eine deutliche Emission von Stickoxiden einsetzte. Dies war ein Anzeichen dafür, dass der Zerfall gestartet war und der chemische Abbau in den Prüfkörpern begonnen hatte. Durch die quantitative Analyse konnte nachgewiesen werden, dass die angewendete thermohygrische Alterung besonders eine starke Reduktion des Molekulargewichts bewirkt hatte. Die Verringerung im Weichmacher-Gehalts (Campher) und im Stickstoffgehalts war im Vergleich dazu weniger prägnant. Die im Projekt angewendete Vorgehensweise kann dazu benutzt werden, weitere Klimabedingungen und Alterungsfaktoren an den Prüfkörpern zu testen, um die Frage zu klären, wie sich die drei Alterungsmechanismen (Abspaltung der Nitrogruppen, Kettenabbrüche, Sublimation von Campher) gegenseitig in Abhängigkeit der Expositionszeit beeinflussen.

Durchführung und Bewertung der Kaltlagerungsstudie:
Im Rahmen des Projektes konnten erfolgreich Methoden entwickelt werden, die es ermöglichen, systematische Kaltlagerungstests durchzuführen. Durch die Verwendung von Museums- und archivgerechten Materialien wurde eine Verpackungsmethode ausgewählt, welche sich für die unaufwendige Anwendung in Museum eignet. Durch präzise quantitative Analysen konnten die generierten Ergebnisse einen besseren Erhalt der Materialeigenschaften bei einer Lagerungstemperatur von – 15 °C nach 7 Monaten bekräftigen. Eine Langzeitstudie wäre sinnvoll, um die Wirksamkeit der getesteten Lagerungsbedingungen klarer zu differenzieren. Dies hat das vorliegende Projekt bereits vorbereitet, indem weitere Prüfkörper in den Lagerungsbedingungen verblieben sind und zu einem späteren Zeitpunkt analysiert werden können (bspw. nach ca. 24 und 48 Monaten). Außerdem können mit der vorgestellten Methodik weitere Lagerungsbedingungen getestet werden. Als gewinnbringend wird die Kombination von geeigneten Sorptionsmitteln, welche die Akkumulation von Schadgasen unterbindet, mit leichter Temperaturreduzierung gesehen.

Publikation: Selection of thermal, spectroscopic, spectrometric, and chromatographic methods for characterizing historical celluloid (Elsässer et al. 2021)Publikation: Development of a gel permeation chromatography method for analysing cellulose nitrate in museums (Kavda et al. 2021)

Öffentlichkeitsarbeit

Peer-reviewed Publikationen:
- Elsässer C., Pamplona P., Mayr V., Donner T., Grießbach S. (2021): Lower temperature, longer lifetime: practice at the Deutsches Museum and research perspectives for storing 3D cellulose nitrate objects. ZKK Vol. 34.

Open Access:
- Kavda S., Micheluz A., Elsässer C., Pamplona M. (2021): Development of a gel permeation chromatography method for analysis of cellulose nitrate in museums. Journal of Separation Science, https://doi.org/10.1002/jssc.202001018.

- Elsässer C., Micheluz A., Pamplona M., Kavda S., Montag P. (2021): Selection of thermal, spectrometric and chromatographic methods for characterizing historical celluloid. Journal of Applied Polymer Science, https://doi.org/10.1002/app.50477.

Geplante Open Access Publikationen (in Bearbeitung):
- Elsässer et al. Mock-ups in plastic conservation research: production of celluloid samples representative of 3D historical objects for cold storage testing (Arbeitstitel)

- Elsässer et al. Frozen, cold or cool? Chemical assessment of the effectiveness of storage conditions for celluloid 3D objects (Arbeitstitel)

Vorträge:
- Elsässer Christina: Je kühler desto besser? Lagerung von 3D-Objekten aus Celluloid am Deutschen Museum. Digitales Doktorand*innen-Kolloquium der deutschsprachigen Hochschulen und Universitäten in der Konservierung und Restaurierung, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, 10/12/2021.

- Pamplona Marisa: Conservation Science at the Deutsches Museum: analytical research on plastics and preventive conservation measures for future exhibitions and storage. Digitales Symposium “European Online Symposium: Good Practices in Conservation of Special Collections – Cultural Heritage in 90 minutes”, Conservation and Restoration Department – Nova School of Science and Technology und Storage, Conservation and Restoration Department – Sport Lisboa e Benfica, Lissabon, 14/10/2020. (https://www.youtube.com/watch?v=tjIRTAd3rkE).

- Elsässer Christina, Pamplona Marisa, Donner Teresa, Mayr Veronika, Micheluz Anna, Grießbach Susanne: How to deal with a self-destructive plastic in museum collections? Storing cellulose nitrate 3D objects at the Deutsches Museum. Digitale Konferenz “Plastics in Peril: Focus on Conservation of Polymeric Materials in Cultural Heritage”, DM, MfN, DBM, Ak-tionsplan Leibniz-Forschungsmuseen II und University of Cambridge Museums, München, Berlin, Bochum und Cambridge (UK), 17/11/2020. (https://youtu.be/aV3M1Nop56w).

- Elsässer Christina, Pamplona Marisa, Micheluz Anna, Montag Peter, Grosse Christian U.: Die Alterung und Bewahrung von 3D-Objekten aus Cellulosenitrat: Möglichkeiten und Grenzen. Abschlusstagung “Von gläsernen Figuren und anderen Ausstellungsikonen: Historische Kunststoffe erforschen und erhalten”, DHMD, Dresden, 20/09/2019.

- Micheluz Anna, Elsässer Christina, Pamplona Marisa: Challenges in characterization of 3D-cellulose nitrate objects by EGA-MS and TD-Py/-GCMS. 9. MaSC Users Group Meeting, Na-tional Gallery of Canada, Ottawa (Kanada), 06/06/2019.

- Micheluz Anna, Elsässer Christina, Montag Peter, Pamplona Marisa: Challenges in characterization of 3D-cellulose nitrate objects: Experimental design and preliminary results. Konferenz „The Plastics Heritage Congress 2019“, CIUHCT, Lissabon (Portugal), 31/05/2019.

- Elsässer Christina, Micheluz Anna, Pamplona Marisa, Montag Peter, Donner Teresa, Grosse Christian U.: Challenges and opportunities in assessing the effectiveness and harmfulness of storage conditions for three dimensional cellulose nitrate museum objects. Research Seminar “Yhip 2019”, FCT NOVA, Lissabon (Portugal), 28/05/2019.

Filmbeiträge:
Das Projekt wurde in folgenden Filmbeiträgen rund um die Restaurierungsforschung am Deutschen Museum mitvorgestellt:

- BR Abendschau, veröffentlicht am 06.07.2021
Plastik als Kulturgut
https://www.br.de/mediathek/video/deutsches-museum-plastik-als-kulturgut-av:60d05513bb6cb50007441aa5

- münchen.tv, veröffentlich am 02.07.2021
Renovierungsforschung
https://www.muenchen.tv/mediathek/video/renovierungsforschung/

- M*Vlog, veröffentlicht am 05.02.2021
Objekt- und Restaurierungsforschung – Teil 2
https://www.youtube.com/watch?v=_ggTPKK5MAw

- Leibniz-Gemeinschaft, veröffentlicht am 25.07.2018
Schlüsselgerät 41 – Objekt- und Materialforschung am Deutschen Museum
https://www.youtube.com/watch?v=Vt55a2DhYK4

Zusätzlich fand das Projekt Erwähnung in einem Zeitungsartikel vom Münchner Merkur.

Website:
Seit Juni 2021 ist eine erweiterte und ausführlichere Präsentation des Projektes auf Deutsch und Englisch auf der Homepage des Deutschen Museums verfügbar unter:
https://www.deutsches-museum.de/forschung/forschungsinstitut/projekte/detailseite/kaltlagerung-von-musealen-objekten-aus-cellulosenitrat-1

Fimbeitrag: Schlüsselgerät 41 – Objekt- und Materialforschung am Deutschen MuseumVortrag (ab 20:00): How to deal with a self-destructive plastic in museum collections? Storing cellulose nitrate 3D objects at the Deutsches Museum (Elsässer et al.)Filmbeitrag: Objekt- und Restaurierungsforschung – Teil 2Filmbeitrag: RenovierungsforschungVortrag (ab 1:57:00): Conservation Science at the Deutsches Museum: analytical research on plastics and preventive conservation measures for future exhibitions and storage (Marisa Pamplona)

Fazit

Dreidimensionale Objekte aus Celluloid weisen ein sehr komplexes Materialverhalten auf und altern schneller als die meisten anderen Kunststoffe im Museum.
Durch das vorliegende DBU-Projekt wurden neue Ergebnisse über dringend erforderliche Methoden generiert, welche der Konservierungswissenschaft durch Publikationen, Vorträge und Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung gestellt wurden.

Die im Projekt entwickelten Methoden erlaubten zum ersten Mal folgende Innovationen:
- Herstellung von reproduzierbaren 3D-CN-Prüfkörper in Annährung zu historischer Formgebung;
- Museumsnahe künstliche Alterung der 3D-CN-Prüfkörper mit der Simulation von Alterungsphänomene, die auch am Museumsobjekte zu beobachten sind;
- Optimierung von chemischen Analysen für eine effektivere und effizientere Quantifizierung von Abbauprozessen;
- systematische Erfassung und Bewertung einer Temperatursenkung auf den Erhalt von 3D-CN-Prüfkörper, mit dem Ergebnis einer besseren Konservierung der Materialeigenschaften bei einer Lagerungstemperatur von -15 °C (nach 7 Monaten).

Aufbauend auf den Erkenntnissen der einzelnen Arbeitsabschnitte konnten relevante Forschungsfragen formuliert werden, welche neue Impulse für zukünftige Forschung in der Konservierungswissenschaft geben können.

Projektseite des Deutschen Museums

Übersicht

Fördersumme

125.000,00 €

Förderzeitraum

01.01.2019 - 31.03.2022

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Umweltkommunikation