Modellhafte Entwicklung von Monitoring- und Evaluierungsverfahren von vor mehr als 25 Jahren untersuchten und restaurierten, durch anthropogene Umwelteinflüsse geschädigten Wandgemälden
Projektdurchführung
Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst
(HAWK) Hildesheim/Holzminden/Göttingen
Fakultät Bauen und Erhalten
Bismarckplatz 10 - 11
31135 Hildesheim
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Nach wie vor erfährt die interessierte Öffentlichkeit von spektakulären i. d. R. extrem teuren Restaurierungen an hochkarätigen Wand- und Deckengemälden (besonders bei UNESCO Welterbestätten), die dann nach Abschluss der Maßnahmen publikumswirksam vorgestellt werden. Viel zu oft, wenn auch inzwischen nicht mehr immer, erfahren diese Objekte im Anschluss aber über Jahrzehnte hin keinerlei Nachkontrolle, bis sich die nächste entsprechend kostenintensive Maßnahme nicht mehr aufschieben lässt. Vor diesem Hintergrund erschien es sinnvoll, ausgewählte Wandgemälde, die seinerzeit in den vom BMFT geförderten Verbundprojekten intensiv durch eine interdisziplinär zusammengesetzte Forschergruppe untersucht worden waren und deren Ergebnisse zu konkreten Handlungsempfehlungen geführt hatten, erneut auf ihren Erhaltungszustand hin zu untersuchen. Zum Zeitpunkt der Projektbewilligung waren die seinerzeit Beteiligten noch weitgehend verfügbar, somit auch deren vergleichende Sicht und Einschätzung damals/heute gegeben. Besonders im Fokus standen hier Fragen zur Schädigung durch Feuchtigkeit, Salzbelastungen und Mikroben, dies auch vor dem Hintergrund möglicherweise veränderter Nutzungsbedingungen, erfolgter Eingriffe - besonders in das Klima - sowie der globalen Klimaveränderung.
Im Projektrahmen sollten weitgehend zerstörungsfreie Techniken zum Monitoring des Objektzustands, die in den letzten Jahrzehnten entwickelt worden sind, eingesetzt werden. Hier bieten sich für die Diagnostik der mikrobiellen Besiedlung Aktivitätsmessungen über den Energiegehalt der Besiedlung, aber auch zur Photosyntheseaktivität von Algen- und Cyanobakterienbelägen sowie Tageslicht und UV-Aufnahmen zur Ausbreitung besonders von Schimmelbefall an, die - soweit möglich - mit digitaler Bildbearbeitung quantifiziert werden sollen. Ergänzende Laboruntersuchungen zur mikrobiellen Aktivität unter den in den jeweiligen Objekten herrschenden/zu realisierenden Klimabedingungen können für ausgewählte Isolate durchgeführt werden. Alle Untersuchungen im Objekt sollen soweit wie möglich standardisiert und so ausgearbeitet werden, dass nach einer Erstanamnese auch entsprechend geschulte Restauratoren das weitere Monitoring ausführen können.
Im Hinblick auf schädigende Salzbelastungen kann inzwischen auf das Programm run-salt zurückgegriffen werden, was Sicherheit der Beurteilung auch für i. d. R. als Salzgemische vorliegenden Belastungen gibt.
Beide Schadensprozesse werden extrem beeinflusst vom jeweiligen Klima, was dessen Bedeutung für den Erhalt verdeutlicht.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenFür ausgewählte Objekte sollten zunächst die an verschiedenen Stellen vorliegenden Dokumentationen zusammengetragen und gesichtet werden, danach erfolgte eine weitgehend endgültige Auswahl der Objekte für die Nachuntersuchung. Aus technischen Gründen musste noch eine Änderung erfolgen, die zur Einbeziehung des Heiligen-Geist-Spitals in Lübeck geführt hat. Vor Ort erfolgte eine gemeinsame Inspektion der Malereien auch mit inzwischen entwickelten oder angepassten neuen Methoden bei gleichzeitiger Sichtung des Umfelds. In Absprache erfolgten zerstörungsfreie Probennahmen für die Untersuchung von Salzausblühungen sowie zur Bewertung einer möglichen mikrobiellen Belastung/ Besiedlung.
Soweit möglich und gewollt, wurden bei diesen Ortsterminen die vor Ort Verantwortlichen hinzugezogen.
Nachuntersuchungen im Labor erfolgten an den entnommenen Salzproben und zur Mikrobiologie. Nur in einem Fall wurde eine Mikroprobe entnommen, um diese im Labor auf eine mögliche Oberflächenfixierung zu untersuchen.
Die Bewertung der erzielten Ergebnisse und damit Beurteilung der gegebenenfalls durchgeführten Maßnahmen erfolgte dann wieder interdisziplinär im gesamten Team.
Ergebnisse und Diskussion
Folgende Feststellungen zum Erhaltungszustand der Objekte können getroffen werden:
Objekte, an denen die seinerzeit empfohlenen Maßnahmen weitgehend oder vollständig umgesetzt wurden, präsentieren sich auch heute noch in einem sehr guten Zustand, hier sind insbesondere die Malereien in den Kirchen in Idensen und Axien zu nennen.
Für Idensen ist hervorzuheben, dass nach den damaligen Eingriffen eine jährliche Zustandskontrolle durch die zuständige Amtsrestauratorin Frau Dr. Klein erfolgen konnte, die aufgrund des guten Erhaltungszustands dann in längeren Intervallen fortgesetzt wurde. Dies stellt den Idealfall für die Erhaltung der Malereien dar.
Ebenso sind die Malereien in Axien sehr gut erhalten. Die Nachkontrolle fällt leicht wegen der vorliegenden, sehr guten fotografischen Dokumentation der Restaurator*innen. Lediglich im Bereich der Konturen wurde eine erneute Kontrolle empfohlen.
In Eilsum zeigen sich die Malereien ebenfalls in gutem Zustand. Hier erfolgt leider seit vielen Jahren keinerlei Kontrolle mehr. Die Klimafühler sind nicht mehr in Funktion. Die Ursache für die sehr punktuell auftretenden Algenbeläge konnte im Projektrahmen nicht ermittelt werden.
In Süderende musste festgestellt werden, dass das derzeitige Klima nicht als zufriedenstellend eingeschätzt werden kann und daher die seinerzeit ausgeführten Testflächen stabil erscheinen, jedoch in anderen Bereichen die stark salzbelasteten Partien durchaus noch als gefährdet einzustufen sind.
In Lübeck wurde für die Malereien in der Vorhalle des Heiligen-Geist-Hospitals festgestellt, dass sehr starke Schwankungen des Klimas nach wie vor dokumentiert sind (Klimamessungen liegen teils vor). In dem Zusammenhang musste festgestellt werden, dass die Eingangstür nicht schließt und hier über eine andere Lösung nachgedacht werden muss. In Teilen waren leichte Randablösungen im Original beobachtet worden, die noch im Projektverlauf direkt zu den erforderlichen Konsolidierungsmaßnahmen geführt haben.
Alle Malereioberflächen zeigten nach der langen, auf die damaligen Eingriffe folgenden Zeit eine erhebliche Staubbelastung, die sich auch in den Belastungen der Malereioberflächen mit kultivierbaren Anflugkeimen äußerte. Letztere hatten allerdings mit Ausnahme der Situation in Eilsum noch nicht zu einem Wachstum geführt.
Daraus ergibt sich die dringende Empfehlung auch bei klimatisch gut eingestellten Objekten spätestens nach 25 Jahren eine erneute Staubabnahme durchzuführen.
Was die eingesetzten zerstörungsfreien Monitoring- und Untersuchungsverfahren angeht, erwiesen sich der Einsatz von Oberflächentemperaturmessungen mittels Thermokamera als sehr geeignet, um kritische Bereiche auszumachen und hier gezielt sowohl im Hinblick auf mikrobielle Belastungen als auch Salzschäden gezielte Untersuchungen anzustellen.
Als sehr hilfreich erweist sich die inzwischen bestehende Möglichkeit, das Kristallisations- und Lösungsverhalten auch von Salzmischungen zu berechnen (ECOS-Runsalt) und diese hieraus resultierende, objektspezifische Anforderung zu formulieren. Bei Objekten mit ebenfalls ausgebildetem mikrobiellem Befall konnten dessen Wachstumsbedingungen (i. d. R. Schimmelpilze) für die spezifischen Arten im Hinblick auf das Klima ebenfalls erarbeitet werden und so der für den Erhalt der Malereien geeignete Klimakorridor festgelegt werden, der sowohl die Salzschädigung wie auch mikrobielle Schadensprozesse vermeidet oder zumindest deutlich minimiert.
Zur besseren Verdeutlichung der Ausbreitung einiger Schimmelpilzarten sowie von Algen und Cyanobakterien erwies sich die Beobachtung unter UV-Anregung als sehr sinnvoll. Gerade für die phototrophen Mikroorganismen lässt sich hier auch eine Aktivitätsbestimmung zerstörungsfrei durchführen. Hier muss auch die Untersuchungsmöglichkeit durch Einsatz der forensischen Fotografie erwähnt werden, die Hinweise auf makroskopisch nicht erklärbare Veränderungen geben kann und die deutlich weiter ausgearbeitet werden sollte, da es sich hier ebenfalls um eine zerstörungsfreie Methode handelt.
Ebenso sind Aktivitätsbestimmungen durch Messung des oberflächlichen Energiegehalts sinnvoll (ATP-Messung).
Die Keimbelastung der Malereioberflächen kann zerstörungsfrei durch das Abstempeln der aufliegenden Keime und deren Anzucht zur quantitativen und qualitativen Untersuchung genutzt werden.
Diese Methode gibt auch erste Hinweise auf eine Staubbelastung der Malereien.
Nicht zuletzt ist die Bedeutung der Dokumentationsfotografie in Form einer Mapping-Fotografie-Kartierung hervorzuheben. Optische Veränderungen lassen sich durch fotografische Mittel gut dokumentieren. Werden Fotoaufnahmen aus unterschiedlichen Aufnahmezeitpunkten maßstäblich entzerrt und übereinander oder nebeneinandergelegt (mapping), so sind optische Veränderungen sehr gut erkennbar. Durch das Auflegen von Kartierungsebenen (digital layers) können die Schadensbilder und-verläufe visualisiert und auch mengenmäßig gemessen werden. Eine präzise Eingrenzung von Schäden und Maßnahmen wird damit möglich, erspart Zeit, Kosten und ist zudem genauer als alle Empirie und verbale Beschreibung.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Die erzielten Ergebnisse konnten mit den beteiligten Kirchengemeinden/Objektverantwortlichen und den jeweiligen Denkmalpflegeinstitutionen bereits vor Ort diskutiert werden und haben teilweise auch zu ersten erforderlichen Eingriffen geführt (Idensen/Heiligen-Geist-Hospital Lübeck). Zudem wird der Schlussbericht diesen in gedruckter Form zur Verfügung gestellt und, falls gewünscht, weiter erläutert. Wegen der Corona-bedingten erheblichen Verzögerungen in den ersten zwei Jahren der Projektlaufzeit wurde auf die Ausrichtung einer öffentlichen Abschlussveranstaltung verzichtet.
Die erzielten Ergebnisse, sowohl zu den einzelnen Objekten als auch zu den seit Ende der damaligen BMFT-Projekte etablierten Untersuchungsmethoden, wurden regelmäßig in die Lehrveranstaltungen der Beteiligten an der Universität Hamburg, der Hochschule für Bildende Künste in Dresden, der Fachhochschule in Potsdam sowie der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim einbezogen.
In drei Fällen von Axin, Idensen und Lübeck konnten die Ergebnisse vor Ort direkt mit den Vertretern der jeweiligen Fachbehörden sowie den Objektverantwortlichen vorgestellt werden bzw. im Anschluss dargestellt und mit ihnen diskutiert werden.
Im Fall des Heilig Geist Spitals Lübeck erfolgte die direkte Reaktion und Bereitstellung der erforderlichen Mittel, um das Gerüst weiterzunutzen und die als dringend erforderlich erkannten Sicherungsmaßnahmen durch Restauratorinnen ausführen zu lassen.
Einer breiteren Fachöffentlichkeit wurden im Rahmen von Abschlusstagungen zu anderen DBU-Projekten sowohl die Auswirkungen des Klimas, hier besonders Verzahnung von Feuchte und Temperatur im Hinblick auf die Salzproblematik, als auch die Entwicklung einer mikrobiellen Besiedlung, aber auch die erweiterten Nachweismöglichkeiten vorgestellt.
Hier soll auf die Projekte Mikwe Worms als auch Schlosskapelle Celle sowie die Tagung zur möglichen Auswirkung der globalen Erwärmung auf Kunst- und Kulturgut im September 2022 in Dresden verwiesen werden, die auch mit internationaler Beteiligung stattfanden.
Nicht zuletzt ist der Abschlussbericht in digitaler Form zugänglich. Darüber hinaus wurde eine gedruckte Version allen Verantwortlichen für die jeweiligen Objekte ausgehändigt.
Fazit
Die Möglichkeit, seinerzeit gemachte Empfehlungen auf deren Umsetzung und Auswirkungen an ausgewählten Objekten nachzuvollziehen, hat sich als äußert erfolgreich herausgestellt. Der Zustand, in dem die Objekte derzeit vorgefunden wurden, ist in einigen Fällen als sehr gut einzuschätzen. Die empfohlenen Maßnahmen haben dort also sehr wohl Modellcharakter für ähnlich gelagerte Fälle.
Allerdings zeigten sich auch Situationen, in denen zwar zunächst Maßnahmeumsetzungen erfolgten, die aber dann im Laufe der Jahre nicht weiter beachtet wurden, was somit nicht zur langfristigen Sicherung der Malereien geführt hat. An diesen Beispielen wurde einmal mehr die Bedeutung eines kontinuierlichen Monitorings deutlich, zumal dieses mit den heute zur Verfügung stehenden Dokumentationsmethoden wesentlich einfacher und präziser durchzuführen ist als seinerzeit.
Zusammenfassend beurteilen wir die erzielten Ergebnisse als sehr zufriedenstellend.
Fördersumme
124.502,00 €
Förderzeitraum
01.01.2019 - 31.12.2022
Bundesland
Niedersachsen
Schlagwörter