Im Rahmen des Forschungsprojektes sollen die außergewöhnliche Wirkungsweise und Langlebigkeit historischer Klebstoffe, ihre Bestandteile, die Art ihrer Zusammensetzung und ihre Verarbeitung untersucht werden, wie sie bei der Fixierung von Natursteinvierungen oder Fragmenten im Außenbereich historischer (sakraler) Bauwerke in Süddeutschland (Ulmer und Freiburger Münster, Regensburger Dom), aber auch angrenzenden Ländern noch heute vorzufinden sind, d.h. sich unter realen Bedingungen bewährt haben. Bei diesen Klebstoffen handelt es sich zumeist um Schmelzkleber aus Kolophonium mit Zuschlägen, aber auch Holzteer, Pech und Schwefel.
Neben daraus resultierenden Einsichten in die Arbeit, Kommunikation und den Technologietransfer der historischen Bauhütten sollen auf dieser Basis historische Rezepturen wiederentdeckt und hinsichtlich ihres historischen und werkstofftechnischen Interesses, aber auch ihr Potential, materialkonformer Restaurierungsmaßnahmen analysiert werden.
Es sollen zu herkömmlichen, chemischen Klebern Alternativen entwickelt werden, nämlich langlebige und klimaresistente Klebstoffe aus nachwachsenden Rostoffen, deren Einsatz zudem allergenarm erfolgen kann.
Das Ziel des Forschungsvorhabens ist die Entwicklung eines biobasierten Schmelzklebstoffes für die Steinkonservierung und das Steinmetzhandwerk. Dabei sollte eine Komponente der Klebstoffrezeptur aus natürlichen Harzbestandteilen bestehen. Die Ausgangsstoffe und die daraus entwickelten Verbindungen sollten hinsichtlich Verfügbarkeit, Verarbeitungseigenschaften, Klebkraft, Alterung und Kosten der verarbeiteten Produkte bewertet und zur Anwendung gebracht werden.
Im Rahmen des vorliegenden Antrags ist vorgesehen, die durch anthropogen verur-sachten Umwelteinflüsse entstandenen Verwitterungsphänomene beispielhaft zu un-tersuchen und speziell im Hinblick auf notwendige Klebungen Lösungswege für eine dauerhafte Konservierung von Gesteinen durch nachwachsende Rohstoffe zu entwi-ckeln. Die Ergebnisse sollen auch auf Objekte mit vergleichbarer Belastung durch anthropogen verursachte Umweltaggressorien in anderen Gebieten Mitteleuropas über-tragbar sein.
Grundlegende Idee ist die wissenschaftlich begleitete Wiedereinführung von historisch verwendeten Klebemitteln im Bereich der Steinkonservierung um in bestimmten Fällen auf den Einsatz von synthetisch hergestellten Konservierungsprodukten wie Epoxid- oder Akrylharzen zukünftig verzichten zu können. Historische Klebstoffe bieten hierfür einen erfolgversprechenden Ansatz, da sie sich zum Teil über Hunderte von Jahren unter realen und sich verändernden Umweltbedingungen bewährt haben. Dabei handelt es sich um Klebstoffe, die aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen und für Gesundheit und Umwelt mit Blick auf Herstellung, Verarbeitung und Entsorgung mit allergrößter Wahrscheinlichkeit unbedenklich sind.
Es wird zunächst darum gehen, die vorhandene Literatur- und Quellenlage zu recherchieren (v. a. über historische Klebstoffe, die an steinernen Objekten Verwendung fanden oder vergleichbaren Belastungen getrotzt haben (z.B. paläolithische Pfeilspitzen, der Bewitterung ausgesetzte Pietra-Dura-Arbeiten oder aufgeklebte Silberapplikationen auf Römischen Reiterhelmen), an geeigneten Objekten Proben von aufschlussreichen Klebungen zu entnehmen, sie zu präparieren und in den Laboren der Laboren der TU München, Campus Straubing und der Universität Bamberg (KDWT) zu analysieren:
- lichtmikroskopische Untersuchung der Proben
- Energiedispersive Röntgenspektroskopie der anorganischen Probenbestandteile am Rasterelektronenmikroskop und Auswertung
- Identifikation der organischen Substanzen mittels Gaschromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung und GC-MS in Kombination mit Thermogravimetrie und Infrarotspektroskopie
- Fourier-Transform-Infrarot-Mikrospektrometrie zur Untersuchung der im GC-MS aufgetrennten Fraktionen
- FTIR-mikroskopische Untersuchung
- Mikrochemische Untersuchung
Anschließend folgen materialkundliche Untersuchungen und Vergleiche verschiedener historischer Klebemittel für Natursteine mit modernen Alternativen, hier vor allem handelsübliche Epoxid- und Acrylharze.
Es werden Untersuchungsreihen zur Nachstellung historischer Kleber auf der Basis materialkundlicher Analysen entwickelt.
Recherchen zu den festgestellten Inhaltsstoffen und deren Herkunft und zu den Zeitstellungen der Verwendung und der regionalen Verbreitung werden aufgenommen.
Zur Entwicklung eigener Klebstoffformulierungen werden konservierungswissenschaftliche sowie materialtechnologische Untersuchungen in Form von Zugscherversuchen und Zugprüfungsverfahren an verschiedenen Prüfkörpermaterialien (v. a. Steinprüfkörper).
Anschließend ist ein Langzeitmonitoring über die Projektzeit hinaus bei ausgewählten Situationen und Flächen an mindestens zwei Bauwerken von nationaler Bedeutung geplant.
Die geplante Kooperation mit Fachreferenten der Landesdenkmalämter von Bayern und Baden-Württemberg, aber auch anderer renommierter Institutionen in Potsdam, Berlin, Bamberg, München, Rom, Florenz und Genf wird bei der Recherche sowie der Auswertung der Laboranalysen unerlässlich sein.
Die Projektdauer beträgt 24 Monate. Beginn voraussichtlich am 01.08.2018.
Die Verbreitung der Kenntnisse soll über eine Abschlusspublikation erfolgen.
Vorgesehen sind 2 Expertentreffen während der Projektlaufzeit
- 1. Treffen zur Festlegung der Arbeitsbereiche bzw. Vorgehensstrategie im 1. Monat
- 2. Treffen nach der Auswertung der analysierten Proben und ersten Auswertung der nachgestellten Kleber nach 12 Monaten
- Zum Projektende ist ein Abschlusskolloquium vorgesehen nach 24 Monaten
- Abschlussbericht und weiteres Monitoring der Versuchsklebungen nach 30 Monaten
Im Rahmen dieses Forschungsprojektes konnten 59 Proben von 14 historischen Bauwerken und 9 kleineren Objekten gesammelt und analysiert werden. Es konnte festgestellt werden, dass die Klebungen an den untersuchten Objekten in den meisten Fällen mit Schmelzklebstoffen auf Basis von Nadelholzpech oder Kolophonium (zumeist aus Fichtenholz) in Kombination mit Bienenwachs und mineralischen Zuschlägen (Stein-, Ziegelmehl oder Sand) hergestellt wurden. Die untersuchten Objekte konzentrieren sich im süddeutschen Raum und in den angrenzenden Regionen. Möglicherweise wurde das Wissen um die Technik dieser Schmelzklebstoffe von Italien über die Alpen gebracht und gelangte so in die heutigen Gebiete der Schweiz, Deutschlands, Tschechiens und Frankreichs. Der nördlichste Befund, der im Rahmen dieses Forschungsprojektes untersucht wurde, befindet sich in Potsdam Sanssouci. Dorthin gelangten die Klebstoffrezepturen in der Barockzeit sehr wahrscheinlich gemeinsam mit der Pietra-Dura-Technik aus Italien. Doch wie genau die Rezepturen im Mittelalter den Weg in die Bauhütten Bambergs, Regensburgs oder Freiburgs fanden, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren, da die Verwendung der Klebstoffe nicht dokumentiert wurde. Die wenigen überlieferten Rechnungen der Kathedralbaustellen berichten in der Regel über Lieferungen von Naturstein, Holz, Ziegel oder Metall, jedoch nicht über in geringen Mengen verwendete Harze. Der zeitliche Rahmen der Klebstoffverwendung erstreckt sich bei den untersuchten historischen Objekten vom 13. bis zum 19. Jahrhundert.
Um die in Anlehnung an die historischen Rezepte entwickelten Klebstoffformulierungen untereinander und mit anderen Klebstoffen vergleichen zu können, wurden gängige Materialprüfungen an der Universalprüfmaschine an Edelstahlprüfkörpern und Natursteinprüfkörpern durchgeführt. Zunächst wurde der Zugscherversuch in Anlehnung an DIN EN 1465 - Bestimmung der Zugscherfestigkeit von Überlappungsklebungen – geprüft. Die Zugscherversuche zeigten, dass Formulierungen mit nur 9 % Bienenwachs (KB11) im Bindemittel noch sehr spröde waren und eine nur sehr geringe Klebkraft erzeugten. Bessere Werte erzielten Klebungen mit 17 % und 23 % Bienenwachsanteil im Bindemittel. Das Bindemittel-Zuschlagsverhältnis war hierbei 2:1 und 1:2. Das beste Ergebnis (Fmax=3,04 MPa) erzielte die Formulierung KB39A mit 23 % Bienenwachs im Bindemittel und einem hohen Quarzmehlanteil . Die besten drei Formulierungen wurden dann mit anderen Zuschlägen, nämlich Marmormehl und Ziegelmehl hergestellt und mit mehr Bienenwachs kombiniert, um eine Optimierung zuerreichen. Es sollte eine Grenze absehbar werden, ab der das Bienenwachs die Masse nicht mehr positiv elastifizierend beeinflusst, sondern die Masse zu weich und im schlechtesten Fall bei Raumtemperatur klebrig macht. Es konnte festgestellt werden, dass Quarzmehl und Ziegelmehl ähnlich gute Haftzugeigenschaften hervorrufen, während Marmormehl schlechtere Werte aufwies. Neben der Formulierung mit 23 % Bienenwachs im Bindemittel wurden Formulierungen mit 28,6 % und 33 % Bienenwachs mit Ziegelmehl und Quarzmehl als Zuschlag gewählt. Die Zugscherprüfungen wurden zusätzlich in einer Klimakammer auf Stabilität bei 20 °C, 40 °C, 50 °C und 5 °C getestet. Da die Formulierung mit 33 % Bienenwachs im Bindemittel bei 50 °C bereits stark erweichte, wurde sie aus den folgenden Messungen ausgeschlossen. Somit wurden 5 Formulierungen für Untersuchungen mit Natursteinbezug verwendet. Da an den untersuchten Objekten im Wesentlichen Sandstein oder Kalkstein verwendet wurde, sollten Prüfkörper aus Lahrer Sandstein, ein Material, das aktuell am Freiburger Münster verwendet wird, hergestellt werden. Für stabile Prüfkörper wären mindestens 3 cm starke Platten nötig gewesen, die jedoch überlappend geklebt nicht in der Prüfvorrichtung einspannbar wären. Daher wurden Würfel mit 5 cm Kantenlänge zusammengeklebt und eine Metallmanschette entwickelt, um die Prüfkörper im Schraubspannzeug fixieren zu können. Die Prüfung erfolgte in Anlehnung DIN EN 15870: 2009 Klebstoffe – Bestimmung der Zugfestigkeit von Stumpfklebungen Trotz der großen Klebeflächen versagte ein Großteil der Prüfkörper im Substrat und somit konnte die tatsächliche Höchstbelastung der Klebstoffformulierungen oft nicht bestimmt werden. Die Zugfestigkeit reichte von 2–2,5 MPa. Daher wurde eine weitere Prüfreihe mit Granitprüfkörpern mit einer Klebfläche von 5 x 2 cm2 durchgeführt. Die besten Ergebnisse mit 3 MPa erzielte hierbei eine Formulierung mit 23 % Bienenwachs im Bindemittel, Bindemittel-Zuschlagsverhältnis 1:1 mit Ziegelmehl. Diese Formulierung ließ sich für einen ersten Test auch mit einer handelsüblichen Heißklebepistole applizieren, was sich aufgrund der abrasiven Zuschläge sicherlich nicht oft wiederholen lässt.
Im Februar 2020 wurde im Rahmen einer Radio-Reportage von BAYERN 2 von Birgit Fürst mit dem Titel „Es geht auch ohne Erdöl - Forschung an pflanzlichen Alternativen“ neben anderen Forschungsthemen des Straubinger Kompetenzzentrums für Nachwachsende Rohstoffe auch über die Erforschung historischer Klebstoffe im Rahmen dieses Projektes informiert.
Im Rahmen des 7. Kolloquiums Erhaltung von Bauwerken, der Fachtagung zur Beurteilung, Instandhaltung und Instandsetzung von Bauwerken Technische Akademie Esslingen e.V. wurde der Beitrag „Wie Pech & Schwefel – Historische Klebstoffe und ihre Verwendung bei Natursteinreparaturen an historischen Baudenkmälern unter Betrachtung ihrer Rezeptur, Belastungsgrenzen, umweltschonenden Wirkung und Nachhaltigkeit“ von Sophie Hoepner und Prof. Dr. Cordt Zollfrank publiziert (Technische Akademie Esslingen e.V. 2021, S. 171-178).
Für das Wissenschaftsmagazin der Technischen Universität München „Faszination Forschung“ wurde ein Beitrag über das Forschungsvorhaben von Claudia Doyle mit dem Titel „Unlocking the secrets of long-lasting success“ erarbeitet, der in der Ausgabe 26/21 erschienen ist. (S. 14-21).
Im April 2021 wurde ein einstündiger Fachvortrag als Fortbildungsmaßnahme für die Mitarbeiter der Kayser + Böttges | Barthel + Maus. Ingenieure und Architekten GmbH, einem renommierten Planungsbüro für die Denkmalpflege, von Sophie Hoepner gehalten.
Für die Fachtagung „Natursteinsanierung 2022- Neue Natursteinrestaurierungsergebnisse, messtechnische Erfassungen und Sanierungsbeispiele“ , die am 11./12. März 2022 in Karlsruhe/Breisach am Rhein stattfinden wird, wurde im gleichnamigen Tagungsband ein Manuskript mit dem Titel „Historische Steinklebstoffe und ihre Möglichkeiten zur Anwendung in der Steinkonservierung.“ von Sophie Hoepner, Prof. Dr. Cordt Zollfrank eingereicht (Gabriele Patitz, Karin Schinken (Hrsg.), 2022 Fraunhofer IRB Verlag. S. 97-105).
Grundsätzlich konnte mithilfe der Forschungsmittel der DBU erfolgreich eine erkenntnisreiche Grundlagenforschung über historische Steinklebstoffe betrieben werden. Diese muss nun fortgeführt werden, um die besonders langwierigen Untersuchungsmethoden mit Bewitterungsbezug durchzuführen und die erfolgreichsten Formulierungen als Ergebnis dieses Forschungsvorhabens noch weiter optimieren und selektieren zu können.
Um die Formulierungen auch hinsichtlich ihrer Verwitterungsresistenz vergleichen zu können, sollen Granitprüfkörper für die Bestimmung der Zugfestigkeit an Stumpfklebungen hergestellt und für 12 Monate dem Außenklima in Straubing ausgesetzt werden. Einige der Prüfkörper werden als Referenz unbewittert zurückgestellt und eine weitere Reihe in der Klimakammer künstlichen Frost-Tau-Wechseln ausgesetzt. Die nach Ablauf der 12 Monate erfolgenden Zugprüfungen im Vergleich der Rückstellproben, der natürlich und künstlich bewitterten Prüfkörper sollen dann eine abschließende Selektion der Formulierungen hinsichtlich ihrer Klimastabilität ermöglichen.
Zudem sollen weitere Materialprüfungen an anderen Substraten wie einem möglichst homogenen porösen Baustoff wie Keramik (Fliesenrohlinge) sowie an deutschen Denkmalgesteinen (z. B. Solnhofener Kalkstein) durchgeführt werden, um die chemischen Einflüsse verschiedener Gesteinsoberflächen beurteilen zu können. So wäre es beispielweise möglich, dass das Zeta-Potential eines Kalksteines (verbaut am Regensburger und Passauer Dom) oder Eisenverbindungen des Doggersandsteines (Ulmer Münster) einen Einfluss auf die Verbindung zwischen Klebstoff und Substratoberfläche haben und hatten.