Die Bauindustrie ist für 37 % des globalen CO2 Ausstoßes verantwortlich und verursacht 30 % des globalen Abfallaufkommens. Zwar wird ein erheblicher Teil dieser Abfälle verwertet, allerdings in der Regel in Form minderwertiger Materialien wie etwa Straßenunterbau o.ä. Insbesondere Sand geht dabei als Rohstoff unwiderruflich verloren. Bei Lehmbaustoffen kann aufgrund ihrer Wasserlöslichkeit einerseits eine vollständige Rückgewinnung der materialeigenen Bestandteile – insbesondere der Sandfraktion – erfolgen und andererseits können andere Materialien, die mit den Lehmbaustoffen verbunden waren, wie etwa Dämmstoffe, sortenrein abgetrennt werden. Die Rohstoffe können dann als reine Komponenten zur Herstellung hochwertiger Baustoffe wiederverwertet werden. Gleichzeitig herrscht gemäß verschiedener Schätzungen ein jährlicher Bedarf an 220.000 - 400.000 Wohnungsneubauten. Derzeit werden 73 % aller Wohngebäude in Mauerwerksbauweise errichtet, wovon 70 % auf Gebäude mit maximal zwei Wohneinheiten und somit einer geringen Geschossanzahl entfallen. In diesem Bereich stehen bauphysikalische Eigenschaften wie Brand- und Schallschutz im Vordergrund. Eine Verwendung von Baustoffen mit hohen Festigkeiten wie etwa Beton ist in der Regel aus statischen Gründen nicht erforderlich. Die Nutzung von Lehmmauerwerk stellt hier eine ressourcenschonende und klimaverträgliche Alternative dar. Um eine breite Anwendung von Lehmmauerwerk zu ermöglichen, gilt es allerdings, eine wissenschaftliche Datengrundlage zu erarbeiten, auf deren Basis die baurechtlichen Anforderungen erfüllt und aktualisierte Bemessungsvorschriften erarbeitet werden können. Die Zielstellung dieses Forschungsvorhabens war es, Grundlagen für die Bemessung tragenden Lehmmauerwerks auf Basis des normativ verankerten, vereinfachten Bemessungsverfahrens für konventionelles Mauerwerk (DIN EN 1996-3/NA) zu erarbeiten und dabei den Einfluss der Feuchte auf das Tragverhalten adäquat abzubilden. Dazu wurden zunächst umfangreiche experimentelle Untersuchungen durchgeführt und ausgewertet. Im Wesentlichen umfassten diese die Ermittlung der Druckfestigkeit, des Elastizitätsmoduls, sowie des Langzeit-Tragverhaltens in Abhängigkeit der Bauteilfeuchte bzw. der relativen Luftfeuchte des Umgebungsklimas. Im ersten Schritt wurden die mechanischen Kenngrößen der Lehmsteine und Lehmmauermörtel ermittelt. Anschließend wurden kleinformatige Mauerwerksprobekörper unter zentrischer und exzentrischer Druckbeanspruchung geprüft. Um Rückschlüsse zur Systemtragfähigkeit ziehen zu können, wurden abschließend Druckversuche an geschosshohen Lehmmauerwerkswänden unterschiedlicher Schlankheit unter zentrischer sowie exzentrischer Lasteinleitung durchgeführt.
Auf Basis der experimentell gewonnenen Erkenntnisse wurde im Anschluss ein geeignetes Materialmodell kalibriert, welches die materialspezifische Spannungs-Dehnungs-Beziehung von Lehmmauerwerk unter Druckbeanspruchung zutreffend approximiert. Die Traglast von Lehmmauerwerk wurde schließlich auf dieser Grundlage sowohl anhand eines numerischen Finite-Elemente-Modells als auch unter Verwendung eines mauerwerkstypischen analytischen Berechnungsverfahrens ermittelt. Abschließend wurde beurteilt, inwiefern die vereinfachten Bemessungsmethoden für konventionelles Mauerwerk gemäß DIN EN 1996-3/NA unter Berücksichtigung der materialspezifischen Besonderheiten von Lehmmauerwerk für ebendieses angewandt werden können.
Im Wesentlichen unterteilt sich das Vorhaben in die experimentelle Ermittlung der mechanischen Kenngrößen, die an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin durchgeführt wurden sowie darauf aufbauende numerische Untersuchungen an der TU Darmstadt. Beratung und die Koordination der Arbeit im Normungsgremium erfolgte durch die ZRS Ingenieure GmbH.
Zunächst wurden umfangreiche experimentelle Untersuchungen an zwei Lehmsteinen unterschiedlicher Herstellungsart sowie zwei verschiedenen Lehmmauermörteln aus werksmäßiger Herstellung durchgeführt. Dabei galt es im Wesentlichen den Einfluss der Feuchte auf die Druckfestigkeit und das Elastizitätsmodul zu untersuchen. Im Anschluss an die Untersuchungen an Steinen und Mörteln, wurden Druckversuche an kleinformatigen Mauerwerksprobekörpern (RILEM-Probekörper) in Abhängigkeit der relativen Luftfeuchte durchgeführt, um zu überprüfen, inwiefern die bei Steinen und Mörteln gefundenen Zusammenhänge übertragbar sind und, um die Mauerwerksdruckfestigkeiten von Lehmmauerwerk aus marktüblichen Materialien in Abhängigkeit der Feuchte zu ermitteln. Neben Versuchen mit zentrischer Lasteinleitung wurden hier auch Versuche mit exzentrischer Lasteinleiten durchgeführt. Dabei wurde eine Exzentrizität von 1/10 der Wanddicke und eine Exzentrizität von 1/4 der Wanddicke gewählt, um sowohl das Tragverhalten des überdrückten, als auch des gerissenen Querschnitts untersuchen zu können. Aufgrund der sehr ähnlichen mechanischen Kenngrößen der beiden Mörtel wurde dabei auf eine Variation der Mauermörtel verzichtet.
Die Untersuchungen an Steinen und Mörteln erfolgten gemäß normativer Vorgaben für Lehmsteine (DIN 18945), Lehmmauermörtel (DIN 18946), die Untersuchungen der kleinformatigen Mauerwerksprobekörper gemäß der Prüfvorschrift für herkömmliches Mauerwerk (DIN 1052-1). Um den Einfluss der Feuchte auf die Druckfestigkeit und die Verformungskenngrößen der Steine, des Mörtels und des Mauerwerks zu untersuchen wurden drei Konditionierungsklimate gewählt: 23°C/50% RLF, 20°C/65% RLF und 23°C/80% RLF. Neben den Versuchen an kleinformatigen RILEM- Probekörpern wurden zehn geschosshohe Wände unterschiedlicher Schlankheit geprüft, um die Systemtragfähigkeit von Lehmmauerwerk evaluieren zu können. Dabei wurden sechs Wände zentrisch und vier Wände mit einer planmäßigen Lastexzentrizität von e = t/4 belastet. Die Schlankheit wurde bei konstanter Wandhöhe (h ≈ 2m) mittels Variation der Wandstärke entsprechend dem Steinformat eingestellt, wodurch sich jeweils ein Verhältnis aus Wandhöhe zu Wanddicke von h/t = 8,3 (t = 24 cm), 11,4 (t = 17,5 cm) und 17,3 (t = 11,5 cm) ergab. Die Herstellung erfolgte analog zu den kleinformatigen Probekörpern, wobei eine gezielte Konditionierung aufgrund der Größe nicht möglich war. Die Wände wurden in der Prüfhalle errichtet und gelagert, wo das Klima ab dem Zeitpunkt der Herstellung bis zur Versuchsdurchführung aufgezeichnet wurde.
Auf Basis der experimentellen Ergebnisse erfolgte eine detaillierte Analyse der Tragfähigkeit druckbeanspruchten Lehmmauerwerks unter Variation verschiedener Parameter wie der Materialfeuchte, Wandschlankheit und Lastexzentrizität mittels numerischer und analytischer Berechnungsmethoden. Hierzu wurde das einaxiale Materialmodell aus DIN EN 1992-1-1 verwendet, welches sich flexibel an den Verlauf von Spannungs-Dehnungs-Beziehungen mineralischer Baustoffe anpassen lässt und somit eine geeignete Möglichkeit bietet, die ausgeprägte Nichtlinearität der Arbeitslinie sowie die das duktile Materialverhalten von Lehmmauerwerk abzubilden. Die numerische Modellierung des Lehmmauerwerks wurde mit Hilfe der Software DIANA FEA als vereinfachte Mikromodellierung durchgeführt. Dabei werden die Mauersteine um die Hälfte der angrenzenden Mörtelfugen erweitert und als Volumenelemente modelliert. Alternativ zur numerischen Traglastberechnung unbewehrter Mauerwerkswände wurden analytische Modelle, die für herkömmliche Mauerwerksbaustoffe entwickelt wurden, überprüft, um festzustellen, ob eine Übertragbarkeit auf den Lehmmauerwerksbau gegeben ist. Hierzu musste sichergestellt sein, dass die materialspezifischen Festigkeits- und Verformungseigenschaften von Lehmmauerwerk mit Hilfe der bestehenden Berechnungsansätze zutreffend abgebildet werden können.
Abschließend wurde ein Bemessungsvorschlag für druckbeanspruchtes Lehmmauerwerk in Form von DIN 18940 unter Berücksichtigung der materialspezifischen Eigenheiten des Lehmmauerwerks formuliert.
Die Wesentlichen Ergebnisse sind die Ermittlung charakteristischer Mauerwerksdruckfestigkeiten für Lehmmauerwerk, die Berücksichtigung des Feuchteeinflusses auf die mechanischen Kenngrößen sowie die Anpassung des Traglastfaktors in Wandhöhenmitte aufgrund des vergleichsweise geringen Elastizitätsmoduls bzw. Verhältniswerts zwischen Elastizitätsmodul und charakteristischer Mauerwerksdruckfestigkeit.
Die gestellten Ziele wurden vollumfänglich erreicht. Die Vorhabensergebnisse sind im Rahmen zahlreicher Veröffentlichungen verfügbar und stellen neue grundlegende Erkenntnisse zum feuchteabhängigen Tragverhalten von Lehmmauerwerk dar. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse gelang es zudem einen konsistenten Textvorschlag in Form einer Bemessungsnorm zu erstellen. Die DIN 18940 - Tragendes Lehmsteinmauerwerk - Konstruktion, Bemessung und Ausführung stellt ein weltweit einzigartiges mechanisch fundiertes Bemessungskonzept dar, das sicherheitstheoretisch dem aktuellen Stand der Technik entspricht und den Einfluss der Feuchte explizit Berücksichtigt. Die Anwendung des semiprobabilistischen Bemessungskonzepts in Verbindung mit der starr-plastischen Ermittlung der Querschnittstragfähigkeit ermöglicht höhere Materialausnutzung und damit eine wirtschaftlichere Bemessung von Lehmmauerwerk.
Aus ökologischer Sicht kann es somit gelingen, den hohen Bedarf an Wohnraum klimaneutraler und ressourcenschonender zu decken als dies bisher der Fall ist, da Lehmbaustoffe vollständig und sortenrein wiederverwertet werden können und einen geringeren Energiebedarf bei der Herstellung als andere Baustoffe aufweisen. Im Hinblick auf technologische Aspekte zeigen die erstmalig in diesem Umfang durchgeführten seriellen Untersuchungen an Lehmmauerwerk, dass die Materialeigenschaften von industriell hergestellten Lehmbaustoffen und somit des daraus hergestellten Lehmmauerwerks mit denen anderer, konventioneller Mauerwerksbaustoffe qualitativ vergleichbar sind. Unter Berücksichtigung der materialspezifischen Besonderheiten konnte eine bauordnungsrechtliche Grundlage in Form einer DIN Norm für die Bemessung von Lehmmauerwerk erstellt werden, die auf einem zeitgemäßen Sicherheitskonzept basiert. Die Anwendung wird damit aus technischer Sicht deutlich erweitert und aus baurechtlicher Sicht der Anwendung anderer Mauerwerksarten quasi gleichgestellt. Umständliche Genehmigungsverfahren unter Einholung einer Zustimmung im Einzelfall oder einer allgemeinen Bauartgenehmigung entfallen. Das Genehmigungsverfahren von Lehmmauerwerksbauten ist dadurch nicht mehr wie bisher mit erheblichem Mehraufwand und Mehrkosten verbunden, so dass einer breiten Anwendung zumindest aus planerischer Sicht nichts mehr entgegensteht.
Gelingt es einen relevanten Anteil an Wohnungsneubauten in Lehmmauerwerksbauweise zu realisieren, reduziert sich einerseits der Anteil an Bauschutt bzw. Abfall, da Lehmbaustoffe am Ende ihrer Nutzungsdauer wieder nahezu vollständig in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden können und andererseits wird der Energiebedarf zur Herstellung der Gebäude reduziert, da Lehmbaustoffe nicht gebrannt werden müssen oder hydraulische Bindemittel wie etwa Zement enthalten.
Die im Rahmen des Vorhabens gewonnenen Erkenntnisse werden bzw. wurden mittels Konferenzbeiträgen, Artikeln in internationalen Fachzeitschriften sowie Buchkapiteln verbreitet. Weiterhin bilden die erzielten Ergebnisse die wesentliche Grundlage der im Normungsausschuss Lehmbau (NA 005-06-08 AA) erarbeiteten und im März 2023 veröffentlichten DIN 18940: Tragendes Lehmsteinmauerwerk – Konstruktion, Bemessung und Ausführung. Neben dieser Norm handelt es sich im Einzelnen um folgende Veröffentlichungen:
- Wiehle, P., Brinkmann, M.: Tragfähigkeit von Lehmmauerwerk –
experimentelle und numerische Analyse, LEHM 2020 – 8. Internationale
Fachtagung für Lehmbau in Weimar, Deutschland, 2020
Englische Version: Load-bearing capacity of earth masonry – an experimental
and numerical analysis
- Brinkmann, M.; Graubner, C.-A.: Load-bearing capacity of slender earth masonry
walls under compression. In: Proceedings of the 17th International Brick and
Block Masonry Conference, S. 404-411. Krakow (Poland), 5. - 8. Juli 2020.
- Wiehle, P., Simon, S., Baier, J., Dennin, L.: Influence of relative humidity on the
strength and stiffness of unstabilised earth blocks and earth masonry mortar,
Construction and Building Materials 342, S. 1 – 15, 2022
https://doi.org/10.1016/j.conbuildmat.2022.128026
- Wiehle, P., Brinkmann, M.: Material behaviour of unstabilised earth block
masonry and its components under compression at varying relative humidity,
Case Studies in Construction Materials 17, e01663, 2022.
https://doi.org/10.1016/j.cscm.2022.e01663
- Brinkmann, M., Wiehle, P., Thiele M., Graubner C.-A.: Grundlagen zur
Bemessung druckbeanspruchten Lehmmauerwerks, Mauerwerk Kalender 2023,
E. Brehm und D. Schermer [Hrsg.], Ernst & Sohn, 2023.
https://doi.org/10.1002/9783433611142.ch4
Darüber hinaus werden auf Grundlage des Forschungsvorhabens zwei Dissertationen erarbeitet, von denen eine bereits abgeschlossen wurde:
- Brinkmann, M.: Tragfähigkeit druckbeanspruchten Lehmmauerwerks unter
Berücksichtigung nichtlinearer Feuchteprofile [Dissertation], Technische
Universität Darmstadt, 2023
- Wiehle, P.: Einfluss der Feuchte auf das Tragverhalten von Lehmmauerwerk
[Dissertation in Arbeit], Technische Universität Berlin, 2023
Die Ergebnisse zeigen, dass die Druckfestigkeit von Lehmmauerwerk vergleichbar mit anderem niederfesten Mauerwerk ist. Insbesondere für die Verwendung bei der Errichtung geringgeschossiger Wohnungsneubauten bietet sich Lehmmauerwerk somit an, wodurch ein wesentlicher Beitrag zur Senkung des Treibhausgasausstoßes und zur Schonung vorhandener Ressourcen geleistet werden kann.
Es konnte festgestellt werden, dass der Elastizitätsmodul von Lehmmauerwerk mit E ≈ 440 ∙ fk vergleichsweise gering ausfällt, was insbesondere im Rahmen der Bemessung schlanker Wände zu berücksichtigten ist. Weiterhin ist der ausgeprägten Feuchteabhängigkeit der Festigkeits- und Verformungseigenschaften in geeigneter Weise Rechnung zu tragen. Die experimentellen Untersuchungen bei unterschiedlichen Umgebungsklimata zeigen einen nahezu linearen Zusammenhang zwischen der relativen Luftfeuchte und der Druckfestigkeit bzw. dem Elastizitätsmodul. Anhand von Traglastversuchen unter Ansatz verschiedener Lastexzentrizitäten sowie variierender Wandschlankheiten wurde festgestellt, dass das allgemeine Tragverhalten sowie die Versagensmechanismen druckbeanspruchten Lehmmauerwerks mit herkömmlichem Mauerwerk vergleichbar sind und somit eine Bemessung in Anlehnung an DIN EN 1996/NA möglich und sinnvoll ist.
Eine detaillierte Analyse der Tragfähigkeit von Lehmmauerwerk mittels eines anhand der Versuchsergebnisse kalibrierten Finite-Elemente-Modells konnte belegen, dass mauerwerkstypische Modellierungsansätze sowie gängige Materialmodelle auf Lehmmauerwerk übertragen werden können. Zudem lässt sich die Traglast mit Hilfe mauerwerkstypischer analytischer Berechnungsmethoden ermitteln, sofern das gewählte Modell die Materialeigenschaften von Lehmmauerwerk mit hinreichender Genauigkeit berücksichtigen kann.
Auf Basis der validierten Traglastmodelle und unter Einbezug der materialspezifischen Besonderheiten von Lehmmauerwerk wurde schließlich eine Bemessungsgrundlage in Anlehnung an die vereinfachten Berechnungsmethoden nach DIN EN 1996-3/NA erarbeitet. Die bestehenden Regelungen des Eurocodes konnten dabei in vielen Bereichen unverändert übernommen werden, allerdings erforderten die Feuchteabhängigkeit der Festigkeits- und Verformungseigenschaften sowie der geringere Elastizitätsmodul punktuelle Anpassungen bzw. zusätzliche Einschränkungen des Nachweisverfahrens. Die Änderungen beschränken sich dabei jedoch im Wesentlichen auf die Einführung eines zusätzlichen Anpassungsfaktors M, welcher den Einfluss der Materialfeuchte im Bemessungsfall abdeckt, sowie auf eine modifizierte Gleichung zur Berechnung des Traglastfaktors in Wandhöhenmitte, welche den Einfluss des geringen Elastizitätsmoduls von Lehmmauerwerk berücksichtigt.
Der vorgestellte Bemessungsansatz stellt eine erhebliche Erweiterung des Anwendungsbereichs tragenden Lehmmauerwerks dar und wurde bereits in den neuesten Entwurf der DIN 18940 übernommen. Dementsprechend kann die Bemessung von tragendem Lehmmauerwerk gemäß einem Sicherheitskonzept auf aktuellem Stand der Technik erfolgen und das Leistungsvermögen industrieller Lehmmauerwerksbaustoffe wird adäquat abgebildet.
Im Zuge weiterer Forschung sind die im Bemessungsfall tatsächlich auftretenden Materialfeuchten tiefergehend zu untersuchen. Unter instationären Klimabedingungen im Anwendungsfall ergeben sich ungleichmäßig verteilte und zeitlich wie räumlich veränderliche Feuchtegehalte im Wandquerschnitt. Ein besonderer Aspekt ist dabei das Langzeittragverhalten -Dauerstandfestigkeit und Kriechverhalten - von Lehmmauerwerk unter dem Einfluss wechselnder Feuchtegehalte, wozu derzeit keine Erkenntnisse vorliegen. Eine exakte Berücksichtigung dieser tatsächlich auftretenden Feuchtegehalte führt gegebenenfalls zu geringeren Bemessungsfeuchten, wodurch sich der Ausnutzungsgrad und somit die Wirtschaftlichkeit des Nachweisverfahrens weiter steigern ließe. Hierzu müssen zunächst grundlegende Erkenntnisse zum Feuchtetransport in Lehmbaustoffen gewonnen werden.
Um einen genauen Nachweis der Gebäudeaussteifung führen zu können, gilt es außerdem die Querkrafttragfähigkeit von Lehmmauerwerk unter dem Einfluss der Feuchte zu untersuchen. Die fehlenden Grundlagen für diesen Nachweis wurden im Normungsausschuss von Seiten des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) ausdrücklich bemängelt.
Schließlich ist für die Bemessung im Brandfall die erforderliche Feuerwiderstandsdauer von Lehmmauerwerkswänden zu bestimmen. Bei der Betrachtung des Brandfalls ist im Vergleich zu herkömmlichen Mauerwerkswänden nicht nur die Hitzeeinwirkung, sondern auch die Folge des Löschwassereinsatzes zu bedenken. In Ermangelung von Versuchsergebnissen konnten in den Normenentwuf der DIN 18940 nur deutlich auf der sicheren Seite liegende Feuerwiderstandswerte aufgenommen werden, die einen wirtschaftlichen Einsatz von Lehmmauerwerk für Gebäude mit erhöhten Brandschutzanforderungen erschweren.