Die regulativen Funktionen von Mooren und die darauf basierenden Ökoystemdienstleistungen sind im Zuge des Klimawandels, der Biodiversitätskrise und der Treibhausgasbilanzierung verstärkt deutlich geworden. Zur Erreichung ambitionierter Moor- und Klimaschutzziele (Reduktion der THG-Emissionen) muss neben der Wiederherstellung eines hochmoortypischen Wasser- und Nährstoffhaushaltes auch die Wiederherstellung der lebensraumtypischen Pflanzengemeinschaften von Mooren und der torfbildenden Prozesse Rechnung getragen werden. Dazu gehört die Ausbildung eines lebensraumprägen-den Mikro-reliefs, gebildet vor allem durch wasserspeichernde und torfbildende Bulttorfmoose. Trotz Jahrzehnte langer gesetzlich vorgeschriebener Wiedervernässungs- und Renaturierungsanstrengungen in Nordwestdeutschland fehlen Bulttorfmoose ebenso wie viele hochmoortypische Pflanzen jedoch noch immer nahezu vollständig. Für die Regeneration verloren gegangener Ökosystemfunktionen sind diese jedoch unabdingbar.
Die in einem ersten Projekt erarbeiteten Grundlagen und Erfahrungen zu den Voraussetzungen und steuernden/zusätzlichen Maßnahmen für eine erfolgreiche Vermehrung von Bulttorfmoosen sowie die eigens vorhandene Infrastruktur bildeten eine außerordentlich günstige Ausgangsbasis für die Weiterentwicklung von Verfahren zu ihrer Ansiedlung im größeren Maßstab im Freiland. Die Versuche erfolgten unter realen Praxisbedingungen und mit weiterführenden Renaturierungsansätzen. Das Projekt zielte darauf ab, Wege zu einer beschleunigten und nachhaltigen Regeneration und Erhaltung von Mooren als Kohlenstoffsenken und wertvolle Habitate aufzuzeigen und darüber hinaus die Grenzen und Perspek-tiven einer aktiv gesteuerten Hochmoorentwicklung auszuloten. Damit sollte die Erreich- und Planbarkeit von Renaturierungszielen besser einschätzbar werden.
Nachdem in dem vorausgegangenen Forschungsprojekt erfolgreich Methoden zur Vermehrung von initialem Spendermaterial entwickelt werden konnten, stellten die Sicherstellung der Verfügbarkeit für eine Ausbringung auf größerer Skala und die Identifikation der für die Ausbringung und Etablierung günstigen standortökologischen Faktoren die nächsten Herausforderungen dar. Hierzu wurden anhand eines Vegetations-Standortmodells die ökohydrologischen Voraussetzungen von unterschiedlichen Flächen-typen unterschiedlicher Sukzessionsstadien und unterschiedlicher Vornutzung untersucht. Mithilfe systematischer Versuchsanlagen sollte herausgefunden werden, inwieweit Mikroreliefstrukturen (auf noch weitgehend
vegetationslosen Wiedervernässungsflächen) und Begleitvegetation (in Sukzessionsstadien) die Etablierung von Bulttorfmoosen unterstützen können. In Ableitung von diesen Standortvoraussetzungen wurden wesentliche Standortvoraussetzungen wie Wasserregime, Trophienniveau und Mikroklima unter praxisnahen Bedingungen simuliert und die jeweils am geeignetsten erscheinenden Moosarten und Ansiedlungstechniken zur Renaturierung erprobt. Die in den verschiedenen Modulen erfassten Daten dienten zunächst der Erfolgskontrolle und um die Erreichbarkeit der angestrebten Ziele mithilfe des entwickelten Modells verifizieren zu können. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse (v. a. im Hinblick auf Vegetation und mittlere Wasserstände) bildeten die Basis für die Fortführung oder Weiterentwicklung der Renaturierungsmaßnahmen und mündeten in die Entwicklung praxisrelevanter Empfehlungen zur Abschätzung der Eignung von Flächen für die Ausbringung von Bulttorfmoosen sowie in die Entwicklung eines Monitoringkonzeptes zur Bulttorfmoosetablierung.
Während aus Kanada und dem Baltikum bereits erfolgreiche Anwendungsbeispiele vorliegen, wie eine Renaturierung abgetorfter Hochmoorflächen gelingen kann, fehlten Erfahrungen hierzu aus Nordwestdeutschland oder auch den benachbarten Niederlanden bislang nahezu vollständig. Eine Übertragung der Methoden ist aufgrund der fast vollständigen Degeneration der Moore hier und damit fehlender Spenderflächen für eine Vegetationsübertragung nicht möglich. Die hier durch die DBU geförderten Projekte zeigen aber, dass eine erfolgreiche Etablierung von Bulttorfmoosen nach Abtorfung auch in Nordwestdeutschland grundsätzlich möglich und praktikabel sein kann. Auf den ausgewählten Flächen wurde in ca. 40-60% der Fälle nach 7 Jahren ein Erfolg verzeichnet und nach einmaliger Herrichtung und Ausbringung sowie einem initialen Wassermanagement waren auf Dauer keine zusätzlichen Maßnahmen notwendig. Die größten Risiken für eine erfolgreiche Umsetzung der erprobten Maßnahmen liegen in klimatischen Extremen, hydrologischen Störungen, fehlenden Quellpopulationen der Zielvegetation und Eutrophierung. Eine sorgsame Abschätzung der Renaturierungschancen, standortangepasste Maßnahmen, die von Fall zu Fall entschieden werden müssen, und langfristige Messungen sind wichtig, um Risiken zu minimieren und Fehlentwicklungen frühzeitig entgegenwirken zu können. Werden diese Empfehlungen berücksichtigt, sind die Chancen gut, aus degradierten Moorflächen mittelfristig wieder sich selbst regulierende Ökosysteme und Treibhausgassenken zu entwickeln.
Im Rahmen eines kompakten und praxisorientierten Leitfadens zur Torfmoosvermehrung und -etablierung für Renaturierungszwecke wurden die wesentlichen Erkenntnisse beider aufeinander aufbauender Forschungsprojekte zusammengefasst. Diese werden einem breiten Interessentenkreis zugänglich gemacht und können so auch auf andere Vorhaben übertragen werden. Zielgruppen sind vor allem Akteure in anderen Torfabbauunternehmen, Naturschutzbehörden, Naturschutzorganisationen sowie wissenschaftliche Institutionen.
Die praktische Anwendung der Ergebnisse und die weitere Betreuung der Flächen und eingerichteten Versuchsfelder als Dauerflächen wird durch die Arbeit der Stiftung Lebensraum Moor und der Gramoflor GmbH & Co. KG sichergestellt. Die wissenschaftliche Begleitung ist über Abschlussarbeiten und Forschungsprojekte des Instituts für Landschaftsökologie an der Universität Münster gewährleistet.
Die Forschungsergebnisse zeigen die Herausforderungen und Risiken, vor allem aber die Chancen der Regeneration nordwestdeutscher Hochmoore auf und liefern die für einen erfolgreichen Moor- und Klimaschutz erforderlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen. Darüber hinaus werden den Akteuren konkrete, in der Praxis umsetzbare Verfahren und Methoden an die Hand gegeben, mit denen die nahezu vollständig verschwundene hochmoortypische Vegetation wieder hergestellt und nachhaltig angesiedelt werden kann.