Dem Hochaltar der Klosterkirche von Teplá in Böhmen kommt für die Initiierung des Projekts eine zentrale Rolle zu. Er fiel bereits bei den natur- und konservierungswissenschaftlichen Untersuchungen zweier Vorgängerprojekte zu den Werkstücken aus Trachyt und den Barrois-Oolithen im Kloster Teplá auf. (LEHRBERGER & GILLHUBER: 2007: 49; LEHRBERGER et al. 2007: 82f.; LEHRBERGER & VON PLEHWE-LEISEN 2017).
Bei den damaligen Projekten lag die Aufmerksamkeit auf der Herkunft und den spezifischen Verwitterungserscheinungen der jeweiligen Gesteine. Aus dieser Perspektive wiesen auch die Gesteine des Hochaltars in der Stiftskirche Besonderheiten auf. Sie kommen nicht aus lokalen Vorkommen, sondern aus dem zentralböhmischen Gebiet in der Umgebung von Prag. Ihr zu dem Zeitpunkt mattes, teilweise sogar schwarzes Erscheinungsbild (Abb. 1-3) verschleierte die Tatsache, dass der barocke Altar, entsprechend seiner Entstehungszeit um 1750, in satten Farben stark geglänzt haben muss. Vor allem Vergleiche mit ähnlichen Altären des verantwortlichen Bildhauers JOSEF LAUERMANN in Prager Kirchen machten deutlich, welch starke Veränderungen im Laufe der Zeit eingetreten waren. Bei der Betrachtung des Altarraums fielen weitere nicht-heimische Gesteine ins Auge. Ein Teil dieser Bodenplatten und Treppenstufen kommt aus dem westlich von Teplá gelegenen heutigen Oberfranken bzw. aus Thüringen.
Der Versuch, diesen durch die Steine vorgegebenen historischen Zusammenhang wiederherzustellen, ließ den Projektleiter GERHARD LEHRBERGER auf eine Schrift aus dem Jahre 1787 aufmerksam werden. Hierin hat der Begründer der Geologie und Mineralogie in Bayern, MATHIAS VON FLURL, in einem Reisebericht über die vorbildliche Einrichtung einer Marmorfabrik in einem Zucht- und Arbeitshaus in St. Georgen bei Bayreuth berichtet. Dort wurde überwiegend im Frankenwald und Fichtelgebirge abgebautes Material bearbeitet. Diese vorwiegend karbonatischen Gesteine sind, wie die in Teplá am Altar eingesetzten, poliert worden, wodurch ihre auffällige Farbigkeit und Musterung zum Vorschein kam. Sie wurden in den Residenzen der Markgrafen von Brandenburg-Bayreuth, das Teil des heutigen bayerischen Regierungsbezirks Oberfranken ist, für Raumausstattungen eingesetzt. Vor Ort fiel auf, dass auch hier die Gesteinsoberflächen matt geworden und somit Glanz und Farbigkeit verloren gegangen waren.
Das die beiden Regionen verbindende Moment ist nicht nur der Einsatz von polierfähigen polychromen Karbonatgesteinen zur Ausstattung von sakralen bzw. fürstlichen Bauten, sondern es sind auch die Schäden an den Gesteinsoberflächen. Diese, so vermutete man, gehen auf eine anthropogen-umweltbedingte Ursache zurück. Das können die erhöhte Konzentration von Schadstoffen in der Raumluft sein, die an den Objekten kondensieren. Beide Untersuchungsgebiete liegen im Einflussbereich der Industrieregion des Egertals in Tschechiens, wo über lange Zeit vor allem die Braunkohleindustrie weitgehend ohne Filterung von Abgasen tätig war. Auch die aufsteigende Feuchtigkeit aus schadstoffbelasteten Böden oder ungeeignete Schutz- und Reinigungsmittel kamen als Schadensursache in Frage. Zusätzlich verursachen auch die Besucher der Kirchen und Schlösser Schäden durch Feuchteeintrag, Berührung der Steinoberflächen, aber auch den Ruß der Opferkerzen.
Grundsätzlich war die Frage zu klären, was die bauzeitlichen Originaloberflächen geschädigt hat und ob mit einer Restaurierung das barocke Erscheinungsbild wieder freigelegt und erhalten werden könnte. Zusammen mit dem Wissen um die Herkunft der Gesteine und den Einsatz von Werkzeugen, Maschinen sowie Poliermitteln zum Erzeugen des Glanzes, war es das Ziel der Antragsteller, ein Konzept für eine Wiederherstellung der ursprünglichen Oberflächenwirkung möglichst ohne die Verwendung von chemischen Substanzen zu entwickeln. In Absprache mit der Kanonie von Teplá und der tschechischen Denkmalschutzbehörde diente der Hochaltar der Kirche Mariä Verkündigung als Pilotobjekt für ein modellhaftes, diesen Ansprüchen genügendes Restaurierungsprojekt.
Zum Ende des Projekts hat sich gezeigt, dass es Möglichkeiten einer minimalinvasiven, aber doch hinsichtlich Glanz und Farbigkeit wirksamen Restaurierung gibt. Somit können qualifizierte Restaurierungskonzepte entwickelt und aufgrund der in diesem Projekt erzielten praktischen Erfahrungen auch auf polierfähige polychrome Karbonatgesteine (PPK) anderer Epochen und Regionen angewendet werden.
Mit dem Projektabschluss liegen zudem erstmals sowohl Erkenntnisse über polychrome polierfähige Baugesteine aus Bayern, Böhmen, Thüringen und Sachsen, als auch über ihre spezifischen Verwitterungsformen und die Steinbearbeitung im 18. Jahrhundert vor.
Das Projekt begann im Oktober 2017 mit einer Bestandsaufnahme von Schäden und den unterschiedlichen Materialien.
Der Projektablauf war wegen der ungünstigen Temperaturbedingungen im Innenraum der Klosterkirche von Teplá bereits in der ersten Projektphase verzögert worden. Bürokratischen Hürden des tschechischen Denkmalschutzes waren auch Verzögerungsfaktoren. Schließlich kam ab dem Februar 2020 noch die Corona-Pandemie als erheblich einschränkender Faktor dazu.
Aufgrund dieser unvermeidlichen Verzögerungen im Projektablauf und wegen der unvorhergesehenen Zu-satzarbeiten an den Statuen wurde das Projekt aus-nahmsweise von der DBU zweimal kostenneutral um jeweils ein Jahr verlängert.
Innerhalb der verlängerten Laufzeit konnten alle vorgesehenen Ziele des Projektes erreicht und ein deutlich über die ursprüngliche Planung hinausgehendes inhaltliches Feld abgedeckt werden.
Das Projekt spannt mit seinen vielfältigen thematischen und geographischen Facetten einen weiten Bogen. Die bearbeiteten Themen umfassen die Geologie der Vorkommen polierfähiger Kalksteine im heutigen Oberfranken, Böhmen, Thüringen und Sachsen. Durch eine intensive Recherche zu den Steinbrüchen der polierfähigen und auch tatsächlich verwendeten Gesteine kann eine Übersicht gegeben werden, wie sie bisher in der Literatur nicht existiert.
Die Recherche von erschlossenen Werksteinlagen, deren spezifische Eigenschaften, Aspekte des Transports und der Verwendung in Mittel-europa, die Untersuchung ausgewählter Pilotobjekte mit einer Charakterisierung ihrer typischen Verwitterungsformen, die Entwicklung von Technologien zur Reinigung und Erhaltung sowie die praktische Restaurierung und Konservierung von Pilotobjekten sind Inhalte des durchgeführten Forschungsprojektes.
In vielen Bereichen haben sich zusätzliche Forschungsansätze ergeben und die Untersuchungen gingen wegen der geweckten Neugier der beteiligten Forscher oft weit über den geplanten Rahmen hinaus. Insgesamt wurden viele völlig neue Erkenntnisse gewonnen. Vor allem bezüglich der grundsätzlichen Fragen der Verwitterung konnte gezeigt werden, dass das Stumpfwerden der Steinoberflächen in Innenräumen häufig mit feinstkristallinen Belägen, überwiegend von Gips, verursacht wird.
Aus den Erkenntnissen der naturwissenschaftlichen Untersuchungen an den Verwitterungsbildungen konnte dann in Absprache mit der Denkmalpflege in Tschechien ein Konzept für eine schonende Reinigung und Politur entwickelt werden, so dass modellhaft gezeigt werden kann, wie man mit barocken Oberflächen umgehen kann, um die ursprüngliche Wirkung wiederherzustellen. In der eigentlichen Schlussphase des Projektes waren viele Arbeiten durch die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie schwierig oder nicht möglich. Trotzdem konnten die Projektziele erreicht werden.
Welche weitreichende Bedeutung die Kenntnis der Gesteinsvorkommen, der Verarbeitung, der Verwitterung und der Konservierung haben, zeigt die sowohl zeitliche wie räumliche Verbreitung von Objekten aus polychromen polierfähigen Karbonatgesteinen.
Durch Vorträge und Publikationen konnte ein Teil der Ergebnisse schon während der Projektlaufzeit dem Fachpublikum vorgestellt werden. Die Zusammenschau erfolgt nun in diesem Abschlussband des Projektes. Hiermit soll das Wissen um die polierfähigen Kalksteine und Marmore einem breiten Personenkreis aus den Naturwissenschaften, den Konservierungswissenschaften, der Restaurierung und Kunsttechnologie bis hin zur Kunst-, Wirtschafts- sowie Technikgeschichte erschlossen werden.
Die Erkenntnisse aus dem Projekt wurden bei Tagungen und im Rahmen von Fachvorträgen vorgestellt, sie gehen aber auch in die Hochschullehre ein und erreichen sowohl Studierende der Geowissenschaften, aber auch der Denkmalpflege. Die interessierte Öffentlichkeit wurde über mehrere populärwissenschaftliche Publikationen und einen Fernsehfilm des Bayerischen Fernsehens informiert. Auch in Zukunft werden Exkursionen zum Thema der »polychromen polierfähigen Karbonatgesteine« angeboten.
Ein modernes Medium stellt der "Schlösser-Blog" der Bayerischen Schlösserverwaltung dar, in dem ein Beitrag zum Thema der Marmore in den Bayreuther Schlössern veröffentlicht werden konnt.
Die wissenschaftliche Weiterbearbeitung des Themas der Marmorfabriken in der Barockzeit erfolgt in nächster Zukunft durch die Doktorarbeit von MARGRETA SONNENWALD an der Technischen Universität München.
Schließlich ist die 368 Seiten umfassende Abschlusspublikation zum Projekt und seinem wissenschaftlichen Umfeld zu nennen, die unter dem Titel "Glanz und bunte Vielfalt" als Band 24 der Münchner Geowissenschaftlichen Abhandlungen im Verlag Dr. Friedrich Pfeil im September 2020 erschienen ist.
Seit der Antike schätzen die Menschen polierte und bunte Natursteinoberflächen als Dekorelemente in weltlichen wie sakralen Gebäuden. In Griechenland und Italien wurden bereits in der Antike dünn geschliffene und polierte bunte Steinplatten zur Verkleidung des Mauerwerks verwendet. Diese Tradition der polierten Dekorsteinplatten wurde in Byzanz und davon ausgehend während der italienischen Renaissance weitergeführt. Mit zum Teil wiederaufgearbeiteten Platten wurden Kirchenböden und Wandflächen geschmückt, wie beispielsweise im Petersdom in Rom. Dabei wurden neben den vielfarbigen Kalksteinen auch die weitverbreiteten Marmore genutzt, aber auch Porphyre und granitische Gesteine.
Nördlich der Alpen waren es nach eher zögerlichen Anfängen während der Renaissance vor allem die Bauten des Barock, in denen bunte, polierfähige Kalksteine vielfache Verwendung fanden. Diese wurden zusammen mit den metamorphen Karbonatgesteinen, also den Marmoren i.e.S. als Marmore bezeichnet. Auf den Dualismus zwischen dem petrographischen und gesteinstechnischen Begriff Marmor gehen SIEDEL & LEHRBERGER (2021, in diesem Bd., 29–36) ein, SNETHLAGE (2021, in diesem Bd., S. 241–249) erläutert die Metamorphose vom Kalkstein zum Marmor.
Weitere Höhepunkte erlebte die Verwendung polierter Steinoberflächen in der Architektur des Klassizismus und dann zuletzt des Historismus.
Beispiele für die umfangreiche Verwendung von polierten bunten Karbonatgesteinen lassen sich in Mitteleuropa einerseits in den barocken Kirchen der Gegenreformation (Abb. 1-1) und andererseits in den Schlössern der weltlichen Herrscher finden.
An einer großen Zahl von Objekten der Innenraumausstattung, wandfest wie mobil, ist man mit der Problematik des Mattwerdens der Oberflächen als Folge der Einwirkung von anthropogen umweltbedingten Schäden konfrontiert. Nur an wenigen Stellen, die über lange Zeit beispielsweise durch Holzdekor abgedeckt waren, ist der ursprüngliche intensive Glanz und eine starke Farbwirkung erhalten geblieben. Dadurch ist zu erahnen, wie Altäre, Wandverkleidungen und Dekor- sowie Gebrauchsgegenstände im Barock ausgesehen haben. Der Verlust der Politur ist als ein Schaden an diesen Kunstwerken zu verstehen, der den Eindruck, den wir heute von dem Zeitalter haben, verfälscht.
Der Einsatz dieser Gesteine kann nicht ohne ihre spezifische Eigenschaft durch Politur Glanz und intensive Farbe anzunehmen, verstanden werden. Die Technik des Polierens, mit der Hand oder an Maschinen, konnte in diesem Projekt recherchiert werden, vieles liegt aber auch noch im Dunklen und soll im Rahmen der Dissertation von Margreta Sonnenwald erforscht werden.
Um die Prozesse der Verwitterung zu verstehen und um Restaurierungs-, bzw. Konservierungskonzepte zu erstellen, wurden die Schadensbilder aufgenommern und die Ursachen für die Schäden mittels mikroskopischer und rasterelektronenmikroskopischen Methoden untersucht. Darauf aufbauend wurden Restaurierungskonzepte entwickelt und am Pilotobjekt des Hochaltars der Klosterkirche von Teplá auch umgesetzt.
Die Recherche der Natursteinvorkommen ergab, dass speziell im ehemaligen Markgraftum eine Fülle kleiner Gesteinskörper abgebaut wurden, während in Tschechien wenige, größere Steinbrüche in der Umgebung von Prag die Rohstoffquellen darstellten.
Ergänzende Archivrecherchen zeigten einerseits, dass es bedeutende Werkstätten von Marmorpolierern und Steinmetzen gab, die für die herausragende Qualität der Steinobjekte verantwortlich waren. Andererseits gab es auch einen Austausch zwischen den Herrschaftsgebieten und eine Wanderung von Handwerkern. Exporte ganzer Altäre bis nach Sachsen konnten ebenfalls nachgewiesen werden.
Mit den entwickelten Methoden von der Recherche der Steinbrüche und Charakerisierung der Rohmaterialien, über die besonderen Bearbeitungstechniken, vor allem in Hinblick auf die Politur, bis hin zur Verwitterung, der Quantifizierung der Schadensbilder und den Möglichkeiten der Restaurierung konnte ein Modell für den Umgang mit Steinobjekten aus polierfähigen Kalksteinen erarbeitet werden. Die Anwendung auf die zahlreich vorhandenen Objekte in Mitteleuropa kann mit jeweiligen Anpassungen an den Spezialfall erwartet werden.