Projekt 33600/01

Ein ökologisch bedeutungsvolles und kosteneffizientes Mikrokosmen-Testsystem zur Bewertung des Risikos von umweltrelevanten Chemikalien für Bodenlebewesen

Projektdurchführung

Ecossa
Giselastr. 6
82319 Starnberg

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Bodenlebensgemeinschaften können durch Schadstoffe gestört werden und, abhängig von Typ und Persistenz dieser Schadstoffe, können diese Schäden zu vernachlässigen oder aber irreversibel sein. Um die Auswirkungen von Schadstoffen zu bewerten, werden ökologisch relevante Methoden in der Risikoabschätzung benötigt. Allerdings ist die experimentelle Datenlage zur ökologischen Risikobewertung von Umweltchemikalien in terrestrischen Böden im Vergleich zum aquatischen Bereich relativ dünn. Dies liegt auch daran, dass zu wenige Testsysteme zur Verfügung stehen, um die Toxizität im Boden zu bewerten und um die Übertragbarkeit von Toxizitätsdaten auf das Freiland zu validieren. Im hier beantragten Projekt soll deshalb ein Mikrokosmen-Testsystem optimiert, validiert und standardisiert werden, mit dem es möglich ist, im Labormaßstab Wirkungen von umweltrelevanten Schadstoffen auf Nematodenlebensgemeinschaften zu untersuchen. Nematoden können als repräsentative Indikatoren für Bodenlebewesen verwendet werden, da diese abundante und artenreiche Organismengruppe in allen trophischen Ebenen des Bodennahrungsnetzes vertreten sind. Ein weiterer Vorteil ist der geringe Material- und Personalaufwand und die damit verbundenen geringen Kosten des Testsystems. Durch den Vergleich der herkömmlichen morphologischen taxonomischen mit einer DNA-basierten, quantitativen Community-Analyse, soll eine innovative Methode validiert werden, die es auch Nicht-Spezialisten (für Nematodentaxonomie) ermöglichen soll, das Testsystem anzuwenden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Projekt war in 4 Arbeitspakete unterteilt: AP1: Bodentyp; AP2: Chemkalien; AP3: Nematoden-Community-Analyse; AP4: Standardisierung. Alle Arbeitspakete waren in sich verzahnt und wurden in mehreren unabhängigen Experimenten bearbeitet.
Für AP1 mussten zuerst verschiedene Bodentypen ausgewählt werden, die für die Experimente in den Mikrokosmen geeignet waren. Dafür wurden anhand von Literaturrecherchen sechs Standorte in eine weitere Auswahl aufgenommen. Daraus wurden anhand eingehender Untersuchungen der Nematoden-Community drei Standorte bzw. Böden für die Experimente ausgewählt. Die verschiedenen Böden wurden dann in drei verschiedenen Mikrokosmenexperimenten mit unterschiedlichen Schadstoffen (siehe AP2) behandelt, um den Einfluss der Bodeneigenschaften und Struktur der nativen Nematodenlebensgemeinschaft auf die Toxizität der Schadstoffe zu untersuchen.
AP2: Als erster Schritt wurde ein ausführliches Toxizitätsscreening mit dem Standard-Bodentoxizitätstest mit dem Nematoden C. elegans durchgeführt (15 Pestizide; 1 Metall, 1 PAK), um erstens einen Sensitivitätsvergleich zu anderen Standardtestorganismen anstellen zu können, und zweitens geeignete chemische Substanzen (und Konzentrationsbereiche) für die Mikrokosmentests auswählen zu können. In den Mikrokosmenexperimenten wurden dann die Wirkungen von Zn (in drei Böden), Pyren (in zwei Böden) und den Fungiziden Mancozeb (in zwei Böden) und Carbendazim (in einem Boden) auf die jeweils native Nematoden-Community untersucht. Die verschiedenen Parameter zur Beschreibung der Nematoden-Community (Indices) wurden hinsichtlich ihrer Reaktion auf die Schadstoffe qualitativ und quantitativ verglichen.
AP3: Für alle drei Mikrokosmenexperimente wurden die Nematoden mit zwei verschiedenen Methoden taxonomisch bestimmt: (a) herkömmliche mikroskopisch/morphologische Taxonomie; (b) DNA-basierte qPCR-Methode. AP4: Um die Methode hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit zu überprüfen und für eine Standardisierung vorzubereiten, wurden methodische Details (Testzeit, Temperatur, Raumfeuchte, etc.) und statistische Parameter (z. B. Replikate; Stichprobengröße; statistische Trennschärfe) in eigenen Experimenten abgeprüft.


Ergebnisse und Diskussion

(1) Die Überprüfung methodischer Details (Testgefäße, Nematodenextraktion) und bestimmter Testbedingungen (Temperatur, Feuchtigkeit) stellten sicher, dass die angewandte, veröffentlichte Methode für die routinemäßige Anwendung geeignet ist. Es konnte z. B. gezeigt werden, dass die relativ kleine Stichprobe von Nematoden (n = 50 pro Replikat), die für die taxonomische Bestimmung verwendet wird, ausreichend ist, um für die relevanten Community-Indices, die für die Bewertung von Effekten herangezogen werden, robuste und zuverlässige Ergebnisse zu erhalten.
(2) Erste Pilotversuche zeigten, dass die Gesamtabundanzen von Nematoden im Boden, die mit DNA-basierter qPCR-Technik analysiert wurden, gut mit den Werten der klassischen mikroskopischen Auswertung übereinstimmten. Für den Vergleich der Methoden müssen die Nematoden allerdings zuerst lebend extrahiert und dann getrennt mit für die jeweilige taxonomische Methoden geeigneten Fixierungsmittel haltbar gemacht werden.
(3) Mit einem Toxizitätsscreening mit dem Single-Species-Test gemäß ISO 10872:2020 konnten Pestizide ermittelt werden, auf die Nematoden empfindlich reagieren. So konnte ein Vergleich mit anderen Testorganismen angestellt werden, die routinemäßig für die Risikobewertung von Pestiziden verwendet werden (Regenwürmer, Collembolen, Milben). Außerdem konnten so interessante Kandidaten als Testsubstanzen für die Testung im Mikrokosmensystem identifiziert werden. Die Nematoden zeigten sich relativ sensitiv gegenüber allen getesteten Fungiziden. Drei Fungizide wurde deshalb für die Verwendung in den Mikrokosmos-Experimenten ausgewählt (Fludioxonil, Mancozeb, Carbendazim).
(4) Die kleinräumigen, kostengünstigen Mikroksosmen erwiesen sich als geeignete Testsysteme um die Toxizität verschiedener Schadstofftypen (Metalle, PAKs, Pestizide) auf die native Nematodenfauna in Böden zu untersuchen. Dabei zeigten sich die Nematoden genauso empfindlich, oder sogar empfindlicher als andere Organismengruppen (Regenwürmer, Collembolen).
(5) Für die Quantität und die Qualität des Effekts spielt eine große Rolle, welcher Boden für die Verwendung in den Mikrokosmen herangezogen wird. Dabei sind unter anderem Bodeneigenschaften zu berücksichtigen, die die Bioverfügbarkeit von Schadstoffen beeinflussen können (Textur, organischer Gehalt). Als wichtiger erwies sich allerdings die Zusammensetzung der nativen Nematoden-Community in den verschiedenen Böden; z. B. waren Communities aus Böden mit einer relativ hohen Zn-Hintergrundkonzentration als deutlich toleranter gegenüber der Behandlung mit Zn als Communities aus Böden mit niedriger Hintergrundbelastung.
(6) Bestimmte funktionelle Gruppen der Nematoden-Community reagierten unterschiedlich auf bestimmte Schadstoffe. Während als empfindlich eingestufte K-Strategen mit zunehmender Zn-Belastung deutlich an Bedeutung verloren (Abnahmen des Maturity Index), konnten sie vom Schadstoff Pyren profitieren (Zunahme des Maturity Index). Dies legt nahe, dass in den Mikrokosmen nicht nur direkte Toxizität (Zn), sondern auch indirekte Nahrungsnetzeffekte (Pyren) detektiert werden können.
(7) Der Maturity Index erwies sich als einer der empfindlichsten Community-Parameter (Toxizitätsendpunkte) zur Erfassung von schadstoff-induzierten Veränderungen in Nematoden-Communities.
(8) Auch mit einer DNA-basierter Analyse der Nematoden-Community konnten Effekte der untersuchten Schadstoffe detektiert werden. Auch wenn absolute Abundanzen aller Nematoden oder bestimmter Taxa, die mit qPCR ermittelt wurden, nicht direkt mit den mikroskopisch bestimmten Daten übereinstimmen, sind die relativen Veränderungen zur Kontrolle vergleichbar.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Haegerbaeumer, A., Raschke, R., Höss, S., Traunspurger, W. (2018) Comparing effects of fludioxonil on non-target invertebrates using ecotoxicological methods from single-species bioassays to model ecosystems, in: SETAC Europe 28th Annual Meeting. Society of Environmental Toxicology and Chemistry, Rome, Italy, p. 448.

Haegerbaeumer, A., Raschke, R., Reiff, N., Traunspurger, W., Höss, S. (2019) Comparing the effects of fludioxonil on non-target soil invertebrates using ecotoxicological methods from single-species bioassays to model ecosystems. Ecotoxicology and Environmental Safety 183, 109596.

Haegerbaeumer, A., Raschke, R., Reiff, N., Traunspurger, W., Höss, S. (2019) Comparing effects of fludioxonil on non-target invertebrates using ecotoxicological methods from single-species bioassays to model ecosystems, in: SETAC Europe 29th Annual Meeting. Societe of Environmental Toxicology and Chemistry, Helsinki, Finland, p. 399.

Höss, S., Faupel, M. (2019) The sensitivity of Caenorhabditis elegans (Nematoda) to pesticides in soil compared to other standard test organisms, in: SETAC Europe 29th Annual Meeting. SETAC Europe, Helsinki, Finland, p. 317.

Höss, S., Faupel, M., Traunspurger, W., Helder, J.A. (2019) Nematode-based tools for assessing soil health, in: SETAC Europe 14th Special Science Symposium: Soil Biodiversity - What Do We Know and How to Pretect It Rom Adverse Effects of Plant Production Products and Other Chemicals. Society of Environmental Toxicology and Chemistry, Brussels, Belgium.

Höss, S., Reiff, N., Traunspurger, W., Helder, J.A. (2021) On the balance between practical relevance and standardization - testing the effects of zinc and pyrene on native nematode communi-ties in soil microcosms. Science of The Total Environment (under review).

Geplante Publikation: Höss, S., Reiff, N., Asekunowo, J., Van den Elsen, S., Helder, J.A. (geplant): The risk of the fungicide mancozeb for soil organisms – Intermediate-tier testing in microcosms with soil nematodes.

Übersicht

Fördersumme

241.889,00 €

Förderzeitraum

01.07.2017 - 31.12.2020

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Landnutzung
Ressourcenschonung
Umwelttechnik