Stabilisierung der Population wertgebender Arten in der Zülpicher Börde
Projektdurchführung
Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
Geschäftsbereich 2 - Standortentwicklung,
Ländlicher Raum
Gartenstr. 11
50765 Köln
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Der dramatische Rückgang typischer Bewohner der Zülpicher Börde, sowohl im Bereich der Agrarvögel als auch bei Feldhamster und Knoblauchkröte, war der wesentliche Hintergrund für dieses Projekt. Zielsetzung war eine höhere Akzeptanz für Agrarumweltmaßnahmen und Vertragsnaturschutz auf Seiten der Landbewirtschafter*innen. Dies erfolgte über eine Beratung der Landwirtschaftskammer NRW (LWK) gemeinsam mit den Biologischen Stationen in den Kreisen. Grundlage der Beratung war ein Zielartenkonzept, welches die Biologische Station Düren zu Beginn des Projektes erstellt hat. Hiermit sollte eine Stabilisierung der Populationen wertgebender Arten in der Zülpicher Börde erreicht werden. Die Erfolge wurden durch ein begleitendes Monitoring untersucht.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenBeratung
Die Akquise der Betriebe erfolgte sowohl durch Informationsveranstaltungen der Landwirtschaftskammer als auch über persönliche Empfehlungen. Vor dem ersten Betriebsbesuch wurden mit Einverständnis der Betriebsleiter*innen die Schlagskizzen des Betriebes ausgedruckt und hinsichtlich vorhandener Zielarten abgestimmt. Ausgestattet mit den entsprechenden Informationen führte der Berater das erste Gespräch auf dem Betrieb. In diesem Gespräch konnte eine grundsätzliche Bereitschaft für die Umsetzung von Maßnahmen mit den Landwirten*innen besprochen werden. In der Regel beinhaltete der Betriebsbesuch auch eine Begehung der Flächen. Die Informationen aus dem ersten Betriebsbesuch wurden mit den jeweiligen Biologischen Stationen diskutiert und im Hinblick auf Artenvorkommen und Maßnahmennotwendigkeit abgestimmt. In einem zweiten Betriebsbesuch konnten dann die Artenschutzmaßnahmen gemeinsam mit der Landwirtsfamilie konkretisiert werden. Hilfestellung für die Beratung bietet eine Vielzahl von Steckbriefen, die alle Fördermaßnahmen übersichtlich und für die Betriebsleitung leicht verständlich darstellen.
Verabredete Maßnahmen (Greening-, Agrarumwelt-, Vertragsnaturschutz und in Einzelfällen auch Kompensationsmaßnahmen) wurden für die Betriebsleiter*innen in den Schlagskizzen erfasst und maßnahmenbezogene Informationsmaterialien (wie Steckbriefe über Greening/ÖVF-Maßnahmen und Artensteckbriefe der Zielarten) ausgehändigt. Anschließend wurde den Landwirten*innen bei der Beantragung und Umsetzung der Maßnahmen weitere Unterstützung angeboten
Zielartenkonzept
Entsprechend dem Projektantrag hat die Biologische Station Düren Zielarten ausge-wählt, für die in der Projektkulisse Schutzmaßnahmen vordringlich umgesetzt werden sollen. Dazu zählen: Feldlerche, Grauammer, Kiebitz, Rebhuhn, Schwarzkehlchen, Wachtel, Wiesenpieper, Rohr- und Wiesenweihe, Feldhamster und Knoblauchkröte. Für diese Arten wurde durch die Biologische Station Düren ein sogenanntes Zielartenkonzept aufgestellt. Das Zielartenkonzept bietet die Grundlage für die Auswahl geeigneter Maßnahmen zur Stützung der Populationen. Hierzu wurden insbesondere bereits im Vorfeld vorgenommene Kartierungen verknüpft und durch aktuelle Erfassungen ergänzt. Es erfolgte eine Zusammenstellung von Daten bereits existierender Maßnahmenflächen aus Ornitho.de, der Biologischen Stationen, des LANUV, des Landesbetriebs Straßen, der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, der Vertragsnaturschutzdaten, der NRW-Stiftung und Maßnahmen der Kreise und Kommunen aus der Bauleitplanung. Aus all diesen Daten konnten Karten und Schwerpunkträume generiert werden, die es ermöglichten, die Flächenbewirtschafter*innen zielführend und artenindividuell über die passenden Maßnahmen auf ihren Flächen zu beraten.
Monitoring
Um evaluieren zu können, ob der Ansatz der Beratung und die sich daraus ergebenden Maßnahmen in der Fläche den erwünschten Effekt auf die Avifauna haben, startete die Biologische Station im Kreis Düren im Jahr 2017 ein Brutvogelmonitoring auf zunächst acht, ab 2018 auf zehn je 100 ha großen Stichprobenquadraten. Das Monitoring entspricht dem Standard, der auch in anderen Agrarlandschaften Anwendung findet. Parallel dazu fanden, teilweise durch separate Projekte finanziert, Erfassungen der Wirbellosenbiomassen auf Maßnahmenflächen und ausgewählten konventionellen Ackerflächen statt. Dabei kamen drei unterschiedliche Methoden (Barber-, Malaisefallen und ein D-Vac-Sampler) zum Einsatz.
Materialien
Für die avifaunistischen Kartierungen hat die Biologische Station Düren ein Spektiv mit Hülle und ein Stativ mit Rucksack angeschafft. Des Weiteren wurden für die Biomassenermittlungen ab Mitte 2018 ein motormanueller Insektenstaubsauger und eine Präzisionswaage erworben. Für die Rebhuhnkartierung wurden 3 Soundboxen gekauft und als Klangattrappen eingesetzt.
Ergebnisse und Diskussion
Beratung
In vier Jahren Projektlaufzeit wurden insgesamt 165 landwirtschaftliche Betriebe beraten, das entspricht 25 % aller im Kerngebiet der Zülpicher Börde wirtschaftenden Unternehmen. Mit 147 Betriebsleiter*innen wurden über die Projektlaufzeit Artenschutzmaßnahmen vereinbart und umgesetzt, die Erfolgsquote der Beratung lag somit bei 89 %.
Insgesamt wurden in vier Jahren DBU-Projekt 145 ha Blühstreifen und -flächen im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen geplant und angelegt. Darüber hinaus konnten, gemeinsam mit den Biologischen Stationen der Kreise Düren, Euskirchen und Rhein-Erft, über die gesamte Projektlaufzeit mit 142 Betrieben deutlich zielführendere Vertragsnaturschutzmaßnahmen vereinbart werden. Für insgesamt 693 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche wurden Nutzungskonzepte erstellt, die auf die jeweiligen Ansprüche der Zielarten und gleichzeitig auch auf die landwirtschaftlichen Betriebe abgestimmt sind.
In der gesamten Projektkulisse werden ca. 37.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche bewirtschaftet. Projiziert auf diesen Flächenumfang, konnten über das DBU-Projekt 2,3 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Projektgebiet für den Artenschutz gewonnen werden. Dies bedeutet, dass der Anteil an Maßnahmen, die dem Artenschutz dienen, in der Projektkulisse insgesamt im Laufe der Projektlaufzeit auf 4,3 % gesteigert werden konnte.
Monitoring
Das Brutvogelspektrum spiegelt den Charakter der wenig strukturierten Ackerlandschaft der Rheinischen Börden gut wider. Typische Feldvogelarten, wie Feldlerche, Rebhuhn, Wiesenschafstelze und Grauammer dominieren das eher artenarme Spektrum. Von den insgesamt 38 Brutvogelarten haben 29 % einen Gefährdungsstatus in NRW (Kategorie 1 bis 3), 13 % stehen auf der Vorwarnliste. Die weitaus meisten der charakteristischen Agrarvogelarten bevorzugen Maßnahmenflächen deutlich, meiden demgegenüber die dominierenden Feldfrüchte (Wintergetreide, Zuckerrübe und Mais), was belegt, dass die Maßnahmenflächen eine hohe Bedeutung für die Brutvögel haben. Lediglich konventioneller Raps ist für einige Brutvogelarten attraktiv.
Die Wirbellosenbiomassen sind in den konventionellen Feldfrüchten Winterweizen, Zuckerrübe und Mais im Vergleich zu den Maßnahmenflächen generell sehr gering, höher in konventionellem Raps. Folglich könnte die Masse der Wirbellosen entscheidend dafür sein, welche Flächen zur Brut von den Vogelarten bevorzugt werden.
Zwar ist der Anteil an Maßnahmenflächen im Laufe der Projektlaufzeit deutlich gestiegen, mit <5% ist er jedoch voraussichtlich noch zu gering, um eine Trendumkehr bewirken zu können. Der Maßnahmenanteil nimmt aber in Folge des Projekts nach wie vor weiter zu. Wie die Bestandstrends der Brutvögel verlaufen, ist aufgrund der kurzen Laufzeit des Monitorings noch nicht erkennbar. Nach den aktuellen Zahlen (Stand 2021) entwickeln sich die Bestände der wertgebenden Vogelarten jedoch eher positiv oder sind zumindest als stabil zu bezeichnen.
Herausforderungen
Eine der wesentlichen Herausforderungen war es, Maßnahmen in der Agrarlandschaft so zu platzieren, dass diese den höchsten Nutzen für die Projektzielarten bieten. In der ersten Projektphase hat die Beratung auf landwirtschaftlichen Betrieben stattgefunden, bei denen die Kontakte überwiegend aufgrund von Informationsveranstaltungen zustande kamen. Damit wurden Betriebsleiter*innen beraten, die nicht unbedingt in Bereichen mit Schwerpunktvorkommen der Zielarten ihre Flächen bewirtschaften. Im weiteren Projektverlauf konnten dann aber verstärkt Landwirte*innen in den Schwerpunkträumen erfolgreich angesprochen werden.
Zudem wählen die Betriebe zunächst bevorzugt Flächen für Maßnahmen aus, die für sie wirtschaftlich von geringerem Interesse sind (z. B. weit entfernt vom Hof, viele Steine, Waldrand). Dies ist artenschutzfachlich nicht unbedingt nachteilig, dennoch konnten durch den Beratungsansatz auch andere, für den Schutz der Zielarten deutlich relevantere Flächen akquiriert werden.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Die Arbeit und die Ergebnisse des Projekts wurden auf zahlreichen Veranstaltungen in der Region, aber auch darüber hinaus, dargestellt. Zusätzlich wurde das Projekt in mehreren Presseartikeln umfangreich erläutert.
Fazit
Evaluierung der Beratung
Zum Projektende wurde im Mai 2020 über eine Onlinebefragung der im Projekt beteiligten Betriebe eine Evaluierung der Beratung durchgeführt. Von 75 Betriebsleiter*innen wurde der Fragebogen vollständig ausgefüllt und konnte in der Auswertung berücksichtigt werden.
Die wesentlichsten Ergebnisse sind hier zusammengefast:
- Die Zusammenarbeit des Biodiversitätsberaters der LWK mit den Biologischen Stationen wird mit gut bis sehr gut bewertet. Die Befragten sind der Auffassung, dass die Effektivität der Beratung durch die gute fachliche Abstimmung deutlich gesteigert wurde.
- Der weitaus überwiegende Anteil der Befragten gibt an, dass es für sie wichtig ist, die Biodiversitätsberatung der Landwirtschaftskammer auch nach der Bewilligung der Erstanträge weiter in Anspruch nehmen zu können.
- 91 % der Umfrageteilnehmer*innen gibt an, dass durch die Zusammenarbeit der Landwirtschaftskammer mit den Biologischen Stationen die Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen auf ihren Betrieben gesteigert wurden. 81 % der Teilnehmer*innen haben die Biodiversitätsberatung der Landwirtschaftskammer auch in den Jahren nach der ersten Antragstellung weiterhin in Anspruch genommen.
- Laut Umfrageergebnis haben die Betriebsleiter*innen ihre persönliche Einstellung zum Thema Umsetzung von Vertragsnaturschutz- und Agrarumweltmaßnahmen über die Beteiligung im DBU-Projekt verändert; 97 % der Beteiligten nehmen heute eine eher positive bis sehr positive Haltung ein. Vor der Beratung im Rahmen des DBU-Projektes hatten nur 68 % der Befragten diese Einstellung.
Fazit
Die dargestellten Ergebnisse zeigen, dass die Beratungsstrategie über die gesamte Projektlaufzeit als erfolgreich bezeichnet werden kann. Das Ziel, 130 Betriebe innerhalb der vier Jahre zu beraten, wurde deutlich überschritten. Aus 165 beratenen Betrieben ergaben sich insgesamt 193 Einzelberatungen, da einige Betriebe nach einer Erstberatung offen für weitere Beratungen in den Folgejahren waren. Diese Betriebe waren dann i. d. R. auch bereit, höherwertige Maßnahmen umzusetzen und sich noch intensiver auf den Artenschutz einzulassen. Durch den wachsenden Bekanntheitsgrad des DBU-Projekts gewann auch die öffentliche Diskussion an Dynamik und die Bereitschaft der Landwirte zum aktiven Artenschutz wurde von Jahr zu Jahr größer.
Das begleitende Monitoring hat gezeigt, dass die Biomasse und auch die Anzahl Wirbelloser auf blühenden Maßnahmenflächen und Kulturen am höchsten ist. Eine Korrelation zwischen der Nahrungsverfügbarkeit und den Individuendichten bei der Avifauna ist anzunehmen. Flächentypen wie konventioneller Weizen und Mais werden von vielen Vogelarten gemieden, dies könnte auch an der geringeren Wirbellosenanzahl liegen. Blühenden Maßnahmenflächen und Kulturen mit entsprechend hohen Wirbellosenbiomassen werden deutlich präferiert
Fördersumme
451.250,00 €
Förderzeitraum
01.08.2016 - 30.06.2021
Bundesland
Nordrhein-Westfalen
Schlagwörter
Naturschutz
Umweltkommunikation