Steigerung der Stickstoffnutzungseffizienz landwirtschaftlicher Ackerkulturen und Minderung von Stickstoffdüngungsverlusten durch Optimierung der Struktur landwirtschaftlicher Böden mittels Kalkung
Projektdurchführung
Technische Universität Berlin
Servicebereich Forschung
Der Präsident
Str. des 17. Juni
10623 Berlin
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Der Einsatz von Stickstoffdüngern in der Landwirtschaft hat den Stickstoffumsatz im globalen Ökosystem mehr als verdoppelt. Damit hat die Menschheit einen der für das Funktionieren ökologischer Systeme empfindlichsten Stoffkreisläufe um mehr als 100 % ausgelenkt. Dies wäre unproblematisch, wenn der Stickstoff (N) aus mineralischer und organischer Düngung vollständig in den landwirtschaftlichen Produktionssystemen verbleiben und in Pflanzenerträge umgesetzt würde. Weltweite Inventuren zeigen jedoch, dass die N-Nutzungseffizienz von Getreide jdeutlich unter 50 % liegt. Weit mehr als die Hälfte des reaktiven Stickstoffs verbleibt damit in der Umwelt und belastet das Ökosystem. Dies führt u.a. zu einer Beschleunigung des Klimawandels durch Abgabe von Lachgas (N2O) in die Atmosphäre, zum Biodiversitätsverlust durch Eutrophierung natürlicher Ökosysteme sowie zu einer Gesundheitsgefährdung durch zu hohe Mengen an Nitrat (NO3-) im Grundwasser, aus dem Trinkwasser gewonnen wird. Im Konzept der planetaren Belastbarkeitsgrenzen gilt der Eingriff des Menschen in den globalen N-Kreislauf daher als eine der heute bedeutendsten Umweltauswirkungen menschlicher Aktivität, noch vor dem anthropogenen Klimawandel.
Aufgrund der unzureichenden N-Nutzungseffizienz und den damit verbundenen hohen N-Düngerverlusten stellen die Steigerung der N-Nutzungseffizienz und die Minderung von N-Verlusten in der Landwirtschaft eine der aktuell größten Herausforderungen für die Entwicklung einer nachhaltig funktionierenden Landwirtschaft dar. Daher müssen alle verfügbaren Maßnahmen und Techniken eingesetzt werden, um diese Probleme zu lösen. Dies beginnt mit der Reduzierung gasförmiger N-Emissionen bei der Tierhaltung (Stallemissionen) sowie der Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsdüngern. Auch bei der Ausbringung von mineralischen N-Düngern müssen Verluste minimiert werden. Weiter müssen Ausbringungszeitpunkte und Aufteilung der N-Gaben optimiert werden (Raun & Johnson, 1999). Darüber hinaus müssen die Bodeneigenschaften eine bestmögliche N-Aufnahme durch die Kulturpflanzen gewährleisten. Hier setzt unser Vorhaben an.
In Übereinstimmung mit Fageria & Baligar (2005) sehen wir einen Ansatz zur weiteren Steigerung der N-Effizienz und Verringerung von N-Verlusten in der Schaffung von für das Pflanzenwachstum optimalen chemischen und physikalischen Bodenbedingungen. Entscheidend ist dabei die bodenartspezifisch optimale Bodenstruktur, denn sie verbessert die Nährstoffeffizienz, indem sie eine gleichmäßige, tiefgründige Durchwurzelung des Bodens fördert, die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens erhöht, reduktive Bodenzonen, die zu Stickstoffverlusten führen, minimiert und auch erosionsbedingte Nährstoffausträge verringert. Da neben der organischen Bodensubstanz der Kalkzustand des Bodens für den Aufbau und die Stabilität der Bodenstruktur entscheidend ist, soll die Untersuchung und Quantifizierung der Wirkung von Kalkung auf die N-Effizienz und die Minderung von Stickstoffverlusten im Mittelpunkt unseres Vorhabens stehen.
Zwar wurden die Effekte der Kalkung auf die Nährstoffverfügbarkeit und Bodenstruktur bereits grundlegend untersucht, und auch die Themenkomplexe Stickstoffeffizienz und -verluste häufig bearbeitet; eine ganzheitliche Betrachtung der vielseitigen Berührungspunkte der Kalkwirkungen (chemisch, physikalisch und biologisch) auf Strukturbildung sowie Stabilität des Bodens und dessen N-Dynamik liegt bisher jedoch nicht vor. Auch eine Quantifizierung der N-Düngungsverluste bei unterschiedlicher Kalkversorgung und Bodenstruktur mittels neuer, innovativer Methoden liefert neue Erkenntnisse zu dieser aktuellen Thematik.
Unser Vorhaben soll neben grundlegenden Erkenntnissen auch die wissenschaftliche Begründung für eine fundierte Fachberatung zur standortspezifisch optimierten Kalkversorgung von Ackerböden liefern. Wir streben damit eine Neudefinition des optimalen Kalkzustandes unter integrativer Berücksichtigung von Nährstoff- (insbesondere N) und Wasserverfügbarkeit sowie Aspekten des Bodenschutzes an.
Letztlich zielt das Vorhaben darauf ab, durch Optimierung des Kalkzustandes der Ackerböden einen konkreten und substanziellen Beitrag zur Lösung des Problems des N-Bilanzüberschusses und der N-Düngerverluste zu liefern. Um einen Wissensgewinn zu erzielen, der nah an der landwirtschaftlichen Praxis ist, und um die neuen Erkenntnisse anschließend auch zu vermitteln, erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit Landwirtschaftskammern.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenEs werden praxisnahe Kalkungsversuche in Kombination mit einer Stickstoffsteigerung auf insgesamt sieben lehmigen und tonigen Ackerstandorten, verteilt über Deutschland (Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg (Uckermark), Hessen und Bayern) durchgeführt. In Zusammenarbeit mit den zuständigen Landwirtschaftskammern werden dort kalkbedürftige Ackerschläge für die Versuche identifiziert werden. Auf den Flächen werden Versuchsparzellen (6 x 10, bzw. 6 x 18 m) für die jeweils in vierfacher Wiederholung durchgeführten Düngungsexperimente festgelegt.
Für den Prüffaktor Kalk gelten folgende Stufen: Kalk-0- (Kontrolle, keine Kalkung), Kalk-I- (Kalkung nach VDLUFA-Standpunkt Bestimmung des Kalkbedarfs von Acker-und Grünlandböden, 2000) sowie Kalk-II-Variante (Kalkung nach VDLUFA * 1,5). Es wird praxisüblicher, lokal verfügbarer, feinvermahlener kohlensaurer Kalk verwendet werden.
Für den Prüffaktor Stickstoff gelten folgende Stufen: N0 (Nullvariante, kein Stickstoff), N100 (bedarfsgerechte Düngung nach Nmin-Untersuchung), N80 (wie N100, abzüglich 30-40 kg N je ha), N120 (wie N100, zuzüglich 30-40 kg N je ha). Die N-Stufen entsprechen denen, die in der landwirtschaftlichen Versuchspraxis üblich sind. Sie wurden in enger Abstimmung mit den beteiligten Landwirtschaftskammern Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen festgelegt.
Der Untersuchungszeitraum umfasst vier Vegetationsperioden (2017 bis 2020). In den praxisüblichen Fruchtfolgen dominiert Weizen. Langzeitwirkungen der Kalkung werden zusätzlich auf einer Kalk-Dauerversuchsfläche der Stickstoffwerke Priesterizt (SKW) in Cunnersdorf bei Leipzig untersucht. Somit ergeben sich Informationen über die Auswirkungen einer Kalkung auf verschiedenen räumlichen und zeitlichen Ebenen und die Möglichkeit, langfristige Prognosen für die Feldskala vorzunehmen.
Die Effekte der Kalkung auf die bodenphysikalischen Parameter werden von der Kieler Arbeitsgruppe (Horn/Zimmermann) sowohl in situ als auch im Labor an Proben, die ungestört entnommen wurden, untersucht. Im Feld werden Infiltrationsmessungen zur Abschätzung der erosionsmindernden Effekte der Kalkung durchgeführt, im Labor Untersuchungen zur Wasserretention, Strukturfunktionalität und mechanischen Stabilität der Böden.
Die Stickstoffdynamik wird von der Berliner Arbeitsgruppe (Kaupenjohann/van Husen) quantifiziert. Dazu werden sämtliche Glieder der N-Bilanz (Düngung, Entzüge, Auswaschung und Ausgasung) in situ gemessen, bzw. modelliert Aufgrund des hohen Aufwands können die einzelnen N-Verlustpfade nur exemplarisch auf ausgewählten Versuchsstandorten in einzelen Jahren gemessen werden. Für die Übertragung auf sämtliche Flächen und Vegetationsperioden wird das Modell Expert-N eingesetzt.
Ergebnisse und Diskussion
Die Kalkung erhöht erwartungsgemäß die pH-Werte der Böden. Damit einhergehend steigt die Basensättigung der Kationenaustauscher in den Böden an. Signifikante Effekte auf die Wasserstabilität von Makroaggregaten, die Gehalte an organischem C und die Anteile unterschiedlicher Fraktion in der organischen Bodensubstanz können nicht festgestellt werden.
Eine Verbesserung der bodenphysikalischen Eigenschaften zeigt sich meist durch Erhöhung der Luftkapazität sowie der nutzbaren Feldkapazität. Die Effekte auf die bodenphysikalischen Parameter sind jedoch nicht nachhaltig. Es zeigen sich auch kaum signifikante Zusammenhänge zwischen der Verbesserung der bodenphysikalischen Eigenschaften und den Erträgen.
Eine Verbesserung der Ausnutzung des gedüngten Stickstoffes (NUE) ist immer dann gegeben, wenn infolge der Kalkung Ertragssteigerungen erreicht wurden. Kurzfristig könnten diese durch eine erhöhte N-Mineralisation bedingt worden sein, die durch die Kalkung verursacht wird.
Langfristige Ertragserhöhungen treten parallel mit verbesserten bodenchemischen Eigenschaften (vor allem pH-Wert und S-Wert) auf. Die durchschnittlich erreichte Erhöhung des N-Entzuges, die durch eine optimierte Kalkversorgung erzielt werden kann, liegt bei 5,0 kg N ha-1 Jahr-1, was einer Reduktion von 6,5 % des derzeitigen N-Überschusses der Flächenbilanz in Deutschland entspricht, wenn ein konstanter Boden-N-Pool angenommen wird. Die höchste auf einem Standort gemessene Reduktion des N-Überschusses liegt bei 9,9 kg N ha-1 Jahr-1, die niedrigste bei 1,3 kg N ha-1 Jahr-1.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Die Ergebnisse der Forschung stehen der wissenschaftlichen Öffentlichkeit in Form der Dissertationen von Frau Dr. Tina Frank und Herrn Dr. Wilhelm van Husen, sowie der im Rahmen der Arbeiten entstandenen Publikationen zur Verfügung.
Die landwirtschaftliche Praxis wird über Vorträge auf einschlägigen Fachtagungen (z.B. Düngekalk-Tagung am 27. und 28. März 2023 in Fulda) sowie über Artikel in landwirtschaftlichen Fachzeitschriften informiert.
Fazit
Die positiven Wirkungen auf den chemischen Bodenzustand werden bestätigt. Diese führen im Mittel über alle sieben Versuchstandorte und vier Versuchsjahre hinweg zu einer Erhöhung der N-Aufnahme um 5,0 kg N ha-1 yr-1. Unter der Annahme, dass der N-Vorrat des Bodens unverändert bleibt bedeutet diese Erhöhung eine Verringerung des N-Überschusses um den gleichen Betrag, was einer Verringerung des durchschnittlichen deutschen N-Überschusses um 6,5 % entspricht.
Die Modellierungen mit Expert-N lassen erwarten, dass die durch Kalkung verringerten N-Verluste vor allem zu einer Reduzierung der N2O-Emissionen führen. Unsere Hochrechnungen deuten darauf, dass die durch mineralische N-Düngung in Deutschland bedingten Emissionen dieses hochwirksamen Klimagases durch Optimierung der Kalkversorgung der Ackerböden um mehr als ein Drittel verringert werden könnten.
Deutschlandweit sind nahezu 40 % der Ackerboöden kalkbedürftig. Kalkung dieser Böden kann einen bedeutenden Beitrag zu Verringerung der negativen Auswirkungen der N-Düngung auf diesen Böden leisten. Deshalb sollte in der landwirtschaftlichen Praxis deutlicher als bisher auf optimalen Kalkzustand der Böden geachtet werden.
Fördersumme
492.964,00 €
Förderzeitraum
27.06.2016 - 30.06.2021
Bundesland
Berlin
Schlagwörter
Landnutzung
Ressourcenschonung