Projekt 33011/01

Förderinitiative Nachhaltige Pharmazie 3: Entwicklung einer sektorspezifischen Nachhaltigkeitsbewertungsmethodik für die pharmazeutische Produkt- und Verfahrensentwicklung – SERUM –

Projektdurchführung

Technische Universität Berlin FG Sustainable Engineering Institut für Technischen Umweltschutz
Str. des 17. Juni 135
10623 Berlin

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Um potentielle Umweltschäden der Pharmaindustrie umfassend quantifizieren zu können, ist es notwendig, den gesamten Lebenszyklus eines pharmazeutischen Produktes zu betrachten. Die Ökobilanzmethodik (engl. Life Cycle Assessment, LCA) erlaubt zwar eine derartige Betrachtung, weist jedoch mehrere methodische Einschränkungen auf, die eine verbreitete Nutzung von LCA im Pharmasektor derzeit erschweren. Um diesen methodischen Herausforderungen entgegenzuwirken, sollte im Rahmen des SERUM-Projekts, eine konsistente, LCA-basierte Nachhaltigkeitsbewertungsmethodik für die pharmazeutische Produkt- und Verfahrensentwicklung entwickelt werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenZur Erreichung der oben genannten Zielstellung wurden folgende Arbeitsschritte im Rahmen von 6 Arbeitspaketen (AP) durchgeführt und dabei folgende Methoden angewandt:
• Durchführung einer umfassenden Literaturrecherche, um Empfehlungen für die Harmonisierung der Sachbilanz im Pharmabereich auszuarbeiten, inkl. Ergänzungen um pharmarelevante Aspekte (z.B. fehlende Wirkstoffemissionen) (AP 1),
• Semi-quantitative Auswertung bestehender Wirkungsabschätzungsmodelle und -indikatoren, um ein konsistentes und für die Pharmaindustrie geeignetes Indikatoren-Set für die Wirkungsabschätzung (engl. Life cycle impact assessment, LCIA) festzulegen (AP 2)
• In Anlehnung an etablierte Wirkungsabschätzungsmodelle und unter Berücksichtigung von Fachliteratur aus den Bereichen der Umwelt- und Humantoxikologie, (Weiter-)entwicklung von Wirkungsabschätzungsmodellen zur Abbildung fehlender pharma-spezifischer Wirkungspfade (endokrine Wirkung und Antibiotikaresistenzen) (AP 2),
• Durchführung von vier Ökobilanzfallstudien mit Hilfe der Ökobilanzsoftware „GaBi“ und primären sowie sekundären (Ökobilanzdatenbanken) Daten zu verschiedenen pharmazeutischen Produkten und Prozessen (z.B. etabliertem Schilddrüsenmedikament) (AP 3).
• Basierend auf den Ergebnissen der AP 1-3, Entwicklung sektorspezifischer Modellierungsvorschriften (sog. Produktkategorieregeln, PKR) für pharmazeutische Produkte und Verfahren (AP 4).
• Entwicklung eines Konzepts für ein Web-basiertes Tool („PharmLCA“-Tool) am Beispiel einer der in AP4 durchgeführten Fallstudien
• Vorstellung der PKR und des „PharmLCA“ Tools gegenüber den potentiellen Endnutzern und weiteren Interessenten an verschiedenen Konferenzen und Workshops (AP 6).

Weiterhin, wurde im 1. Projektjahr ein Projekt-Begleitkreis aus Vertretern der Industrie, Wissenschaft und Politik etabliert, der durch einen interdisziplinären Wissensaustausch die Robustheit und die Anwendbarkeit der zu entwickelnden Methode sicherstellen soll.



Ergebnisse und Diskussion

Im Rahmen des SERUM-Projekts wurde der Zielsetzung entsprechend eine konsistente, LCA-basierte, Nachhaltigkeitsbewertungsmethodik – in Form von Produktkategorieregeln – für pharmazeutische Produkte und Prozesse entwickelt. Der entwickelte Ökobilanzstandard (PKR) weist einen hohen Reifegrad auf und liefert bei der Erstellung von Ökobilanzen im Pharma-Sektor detaillierte methodische Hilfestellung. Darüber hinaus beschreibt er mögliche Berechnungs- und Abschätzungsansätze für Sachbilanzdaten und beinhaltet Default-Werte für ausgewählte Szenarien. Ein ausgewähltes Indikatoren-Set wurde in die PKR miteinbezogen und stellt sicher, dass relevante Umweltauswirkungen bei zukünftigen „Pharm-LCAs“ abgedeckt sind. Bisher blieben Wirkstoffemissionen während der Nutzung und End-of-life(EoL)-Phase von Pharmazeutika in Ökobilanzfallstudien unberücksicht. Ein neu entwickeltes Modell zur Modellierung der Nutzungs- und EoL-Phase von Pharmazeutika erlaubt es, solche Emissionen zu quantifizieren und in die Sachbilanz (bzw. in die Wirkungsabschätzung) zu integrieren. Somit wird eine genauere Quantifizierung der Umweltlasten pharmazeutischer Produkte ermöglicht. Außerdem erlauben zwei neu entwickelte Wirkungsabschätzungsmodelle die Berücksichtigung fehlender pharmaspezifischer Effekte in LCIA. Mit Hilfe neu berechneter Charakterisierungsfaktoren für ca. 150 endokriner Disruptoren kann in der Zukunft das endokrine Wirkpotential von Produkten und Prozessen bestimmt werden. Ebenso kann mit Hilfe antibiotikaspezifischer „Resistenzpotentiale“ für ca. 130 Antibiotika das Risiko einer Resistenzbildung und -verbreitung in die Wirkungsabschätzung integriert werden.
Die Fallstudien dienten dem Erproben und Verbessern der zu entwickelnden Bewertungsmethodik und ermöglichten es, den Ökobilanzstandard anwendungsorientiert zu gestalten. Des Weiteren wurde basierend auf ein parametrisiertes Ökobilanzmodell aus den Fallstudien ein Konzept für ein Web-basiertes Ökobilanztool („Pharm-LCA Tool“) entwickelt, das die Erstellung pharmazeutischer Ökobilanzen in der Zukunft operativ unterstützen und zugleich vereinfachen soll.



Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Das Projekt sowie die Resultate (insbesondere der Ökobilanzstandard) wurden auf verschiedenen Konferenzen vorgestellt (z.B. „Green and Sustainable Chemistry Conference“, „SETAC Europe Annual Meeting“) und in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften erfolgreich publiziert. Um die Anwendung der PKR zu erhöhen, wurde außerdem ein Stakeholder-Workshop durchgeführt.


Fazit

Eine konsistente Umweltberwertungsmethodik für pharmazeutische Produkte und Verfahren wurde im Rahmen des SERUM-Projekts entwickelt, die die Durchführung zukünftiger LCAs in der Pharmabranche harmonisiert und vereinfacht. Somit wird eine umweltfreundlichere Herstellung und Prozess-/ Produktentwicklung ermöglicht sowie eine „nachhaltige Pharmazie“ möglichst wissenschaftlich robust und anwendungsorientiert quantifizierbar gemacht. In der Zukunft können Produktkategorieregeln für spezifische Produktkategorien (z. B. Schmerzmittel) entwickelt werden sowie die Methodik auf Tierarzneimittel erweitert werden.

Übersicht

Fördersumme

445.719,00 €

Förderzeitraum

01.06.2016 - 30.11.2019

Bundesland

Berlin

Schlagwörter

Klimaschutz
Umweltforschung
Umwelttechnik