Projekt 32883/01

Modellprojekt Greifswalder Agrarinitiative

Projektdurchführung

Michael Succow Stiftung zum Schutz der Natur
Ellernholzstr. 1/3
17489 Greifswald

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

In Deutschland werden grundlegende Naturschutzziele – insbesondere zum Schutz der Biologischen Vielfalt – nach wie vor nicht erreicht. Die genutzte Agrarlandschaft spielt hierfür eine zentrale Rolle. In der ‚Greifswalder Agrarinitiative’ haben sich daher Landeigentümer und Landbewirtschafter rund um Greifswald zusammengefunden, um die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen noch stärker am Leitbild der Nachhaltigkeit auszurichten. Die Universitäts- und Hansestadt Greifswald, die Universität Greifswald, die Peter-Warschow-Sammelstiftung und die Domgemeinde St. Nikolai besitzen im Umland der Stadt Greifswald zusammen etwa 10.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Die Flächen sind an örtlich ansässige Landwirtschaftsbetriebe verpachtet.
Ziel des Projektes ist am Beispiel „Bienen“ und „Ackerbegleitvegetation“ bespielhaft herauszuarbeiten, wie Landeigentümer und -bewirtschafter ihrer Verantwortung für eine nachhaltige Landnutzung gerecht werden und insbesondere die Biodiversität in der Agrarlandschaft fördern können. Die Erfahrungen und Ergebnisse dieses Dialogprozesses sollen für potenzielle Nachahmer verfügbar gemacht werden.



Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Projekt setzt auf einen intensiven Dialogprozess zwischen Landeigentümern und deren Pächtern. Es folgt einem interessensbasierten und handlungsorientierten Ansatz.
• In einer ersten Phase werden ökologische, ökonomische und ethische Fragen der landwirtschaftlichen Praxis in einem moderierten Dialogprozess bearbeitet. Mögliche Maßnahmen und Ansatzpunkte für eine zukünftig veränderte landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Pachtflächen werden herausgearbeitet.
• In einer zweiten Phase werden erste beispielhafte Maßnahmen umgesetzt.
• In Phase 3 werden die Erfahrungen ausgewertet und Möglichkeiten der Verstetigung identifiziert.
Die moderierten Dialogformate werden durch landschaftsökologische und -ökonomische Untersuchungen (z. T. in Form von Qualifizierungsarbeiten) und Input von externen Experten unterstützt und durch ein umweltethisches Gutachten zur Zuschreibung von „Verantwortung“ ergänzt. Der Gesamtprozess wird extern evaluiert.



Ergebnisse und Diskussion

Die wesentlichen Ergebnisse liegen in vier Bereichen:
1. Das umweltethische Gutachten bietet Begründungen für das (gemeinsame) Handeln von Akteuren – im vorliegenden Fall Flächeneigentümern und Flächenpächtern – im Interesse einer nachhaltigeren Landwirtschaft: Der Schutz der Biodiversität kann als „geteilte, prospektive Verantwortung“ aufgefasst werden. Wenig zielführend scheinen Verantwortungszuschreibungen an nur eine Akteursgruppe. Retrospektive Untersuchungen der Schuldfrage führen ebenso wenig weiter.
2. Konkrete Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität in der genutzten Agrarlandschaft sind hinreichend erprobt, aber noch unzureichend bekannt und häufig nicht an die lokalen Bedingungen angepasst. Die Implementierung in Form eines Angebotsverfahrens mit individuellen Nachver-handlungen wurde erfolgversprechend erprobt.
3. Die Verständigung zwischen Eigentümern und Pächtern wurde in Form von Vereinbarungen und Leitlinien festgehalten. Ein entsprechendes Leitbild in Verbindung mit einem Kooperationsmodell wurde von der Bürgerschaft der Stadt Greifswald, dem Senat der Universität Greifswald und dem Kirchengemeinderat der Domgemeinde beschlossen. Nach Ende der Projektlaufzeit ergaben wei-tere Beschlüsse der Bürgerschaft zu allgemeinen Pachtbedingungen und Pachtvergabekriterien die auf Vorarbeiten des Projektes aufbauen und zumindest mittelbar ebenfalls diesem zuzurechnen sind.
4. Die Erfahrungen aus dem Dialogprozess zwischen Vertretern der Eigentümer, Bewirtschafter und der Wissenschaft (vertreten durch das Projektteam) wurden durch eine externe Evaluatorin aus-gewertet und evaluiert. Sie sind in einer populärwissenschaftlichen Broschüre als „Leitfaden für Nachmacher*innen“ zusammengefasst. Die beteiligten Landeigentümer und -pächter haben Anfang 2020 einen Verein gegründet, der das entwickelte Leitbild und Kooperationsmodell weiter mit Leben füllt.

Im Projekt wurde unter den Schlagworten „kooperativ – wissensbasiert – wertorientiert – landschaftsbezogen“ der „Greifswalder Ansatz“ geprägt. Dieser Ansatz muss und kann bezogen auf andere Orte, mit anderen Akteuren und zu anderen Zeitpunkten entsprechend angepasst werden.



Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Während der Projektlaufzeit Berichterstattung in Printmedien, im Radio und auf der Projekthomepage. Präsentation des Projektes und der Projektergebnisse auf zahlreichen Tagungen.

Es liegt dauerhaft vor: Abschlussbericht mit zahlreichen Anlagen, darunter:
• ‚Erfahrungen aus der Greifswalder Agrarinitiative – ein Leitfaden für Nachmacher*innen‘
• Umweltethisches Gutachten (in Kurz- und Langfassung)
• Bericht zur externen Evaluation des Dialogprozesses
• Postersammlung (Ergebnisse von Qualifizierungsarbeiten)
• Beschlusstexte zu Leitbild, Kooperationmodell u.a.m.

Der Verein Greifswalder Agrarinitiative e.V. führt die Öffentlichkeitsarbeit auf eigener Homepage fort.



Fazit

Das Thema „Nachhaltige Landwirtschaft“ ist und bleibt Gegenstand einer stetigen Diskussion. Wer hier aktiv werden will, steht in einem unauflösbaren Dilemma: Es soll und muss schnell etwas passieren (siehe: Klimawandel) und gleichzeitig soll und darf niemand „überwältigt“ werden. „In den Dialog kommen“ und „Menschen mitnehmen“ wird gefordert, gleichzeitig werden schnelle Veränderungen erwartet.
• Im Projekt wurde von Landeigentümern und Landbewirtschaftern ein kooperativer Ansatz entwickelt, durch entsprechende Formate untersetzt, in der Praxis erprobt und dessen Möglichkeiten (und Grenzen) aufgezeigt.
• Der Ansatz konnte durch parallele Gremienbeschlüsse in drei Institutionen (Stadt, Universität, Kirchengemeinde) abgesichert werden.
• 80% der beteiligten Landwirtschaftsbetriebe haben sich in diesem Kontext in einer Kooperationsvereinbarung zu einer Förderung der Biodiversität bekannt – auf ihrer gesamten Betriebsfläche.
• Die Beteiligten haben gemeinsam einen Verein gegründet und finanzieren eine Geschäftsstelle. Die Vereinsmitglieder sind insgesamt für 22.000 ha landwirtschaftlicher Fläche verantwortlich.
Das Modellprojekt ‚Greifswalder Agrarinitiative hat damit erfolgreich Grundlagen und Erfahrungswerte geschaffen, auf die stetig weiter aufgebaut wird.

Übersicht

Fördersumme

479.931,00 €

Förderzeitraum

08.12.2015 - 30.06.2019

Bundesland

Mecklenburg-Vorpommern

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz