Entwicklung eines naturschutzkonformen Konzeptes zur Stechmückenbekämpfung am Oberrhein
Projektdurchführung
Rheinland-Pfälzische Technische Universität
Kaiserslautern-Landau (RPTU)
Institut für Umweltwissenschaften
Fortstr. 7
76829 Landau
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Seit mehr als 20 Jahren wird das Bakterium Bacillus thurinigiensis var. israelensis (Bti) regelmäßig zur
biologischen Stechmückenbekämpfung am Oberrhein eingesetzt. Da der Oberrhein zu den artenreichsten
Naturlandschaften Deutschlands gehört und zahlreiche Naturschutzgebiete beherbergt, sind potentielle
Effekte auf Nicht-Zielarten und die aktuell hinterfragte Umweltverträglichkeit des Einsatzes von Bti
als sehr bedenklich einzustufen. Daher ist ein wesentliches Ziel des Projektes die direkten und indirekten
Auswirkungen der Stechmückenbekämpfung mit Bti auf die für die Nahrungskette essentiellen Zuckmücken
und Amphibien als beispielhaften Mückenprädator zu untersuchen. Durch die Ermittlung der Betroffenheit
der Bevölkerung und deren Akzeptanz einer naturschutzkonformen Bekämpfung (z.B. der Einsatz
von Stechmückenfallen im häuslichen Umfeld), kann nachfolgend ein Konzept erarbeitet werden, in dem
der Erhalt des nationalen Naturerbes gesichert wird.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Projekt verfolgt einen interdisziplinären Ansatz und setzt sich im Wesentlichen aus drei ökotoxikolo gischen Studien (Laborstudien, Mesokosmenstudien, (Halb-)Freilandstudien), der Erprobung von alter nativen Fallensystemen und sozioökonomischen Bevölkerungsumfragen zusammen. In den Laborstu dien wurde die direkte Toxizität von Bti gegenüber Zuckmücken (Chironomus riparius) und subletale Ef fekte (Biomarker, Entwicklung) auf Grasfroschkaulquappen (Rana temporaria) untersucht. Die Meso kosmosexperimente (2015 und 2016) untersuchten den Einfluss von Bti auf die Nahrungsgrundlagen von Molch- und Libellenlarven. Dabei analysierten wir die Veränderung ihrer Nahrungszusammensetzung un ter Bti-Behandlung mit Hilfe von stabilen Isotopen (?13C, ?15N) und untersuchten die damit verbundene Entwicklung, das Wachstum und die Überlebensrate von Molchlarven (Lissotriton helveticus). Der Fokus der drei (Halb-)Freilandstudien war die Untersuchung der Beeinträchtigung von Zuckmücken bei der Stechmückenbekämpfung unter natürlichen Bedingungen auf einer Druckwasserschlute und in einem temporär überfluteten Wald und einer Wiese. Parallel wurde der Einsatz von Stechmückenfallen (Bioge nts) zur Reduktion der Belästigung im häuslichen Umfeld in Berg(Pfalz) erprobt. Bei persönlichen Inter views innerhalb der betroffenen Bevölkerung am Oberrhein (2016: 300 Personen, 2017: 600 Personen) wurde unter Anwendung der kontingenten Bewertungsmethode der sozioökonomischen Nutzen der Stechmückenbekämpfung vor dem Hintergrund potenzieller Risiken für die Biodiversität ermittelt.
Ergebnisse und Diskussion
Dieses Projekt lieferte den für die Biozid Zulassung wichtigen EC50 Wert für Zuckmücken Erstlarven (7 ITU/L). Zudem werden Zuckmücken auch bei regulär angewandten Bti Mengen im Feld von der Stech mückenbekämpfung beeinträchtigt. Zuckmückendichten wurden unabhängig von der Komplexität des Studiendesigns durch den Bti-Einsatz um mindestens 50% reduziert. Damit reagieren Zuckmücken in diesen Systemen empfindlicher auf die Bti-Behandlung als bisher in der Literatur angenommen. Zusam men mit einer 90%igen Reduktion von Stechmückenlarven wird das Nahrungsangebot für aquatische sowie terrestrische Räuber in Feuchtgebieten erheblich beeinträchtigt und könnte indirekte Effekte ent lang der Nahrungskette mit sich bringen. Zuckmücken stellen eine priorisierte Nahrung für aquatische Molchlarven dar, unabhängig ihrer Verfügbarkeit. Bti Behandlung führte zu einem geringeren Gewicht beim Landgang (7%) und einem höheren Risiko (27%) aufgrund von Nahrungslimitierung die Beute von Großlibellenlarven zu werden. Ein solcher Zusammenhang kann langfristige Folgen für die Populations größe von Amphibien haben. Obwohl der Kontakt von den in Deutschland verwendeten Bti Ausbringungsformen nicht tödlich für Grasfroschkaulquappen war, zeigten sie nach Exposition subzellu lare Veränderungen, wie Entgiftungsaktivitäten und oxidativen Stress. Die Regulation dieser Prozesse, kann Nachteile auf andere wichtige Lebensfunktionen haben, die sich erst in der späteren Entwicklung zeigen können. Die Effektivität der Fallen gegenüber Aedes vexans konnte aufgrund der geringen Über flutungsereignisse nicht final bewertet werden, jedoch gibt es Hinweise, dass die Fallen die Über schwemmungsmücken verringern können. Die Bevölkerung befürwortet mehrheitlich eine Anpassung der Stechmückenbekämpfung bei der negative Effekte auf die Natur verringert werden, solange ein Schutz vor Stechmücken im häuslichen Bereich erhalten bleibt. Der Einsatz von Fallen innerhalb von Ortschaften könnte in Kombination mit einer reduzierten Bti-Ausbringung in Naturschutzkernzonen eine effektive und von der Bevölkerung akzeptierte naturschutzkonforme Methode der Bekämpfung sein.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
In mehreren (inter)nationalen Workshops, Tagungen und Informationsveranstaltungen wurde der intensi ve Austausch mit der lokal betroffenen Bevölkerung, Akteuren der Stechmückenbekämpfung, Natur schützern, Behördenvertretern und Wissenschaftlern gesucht. Bei allen Veranstaltungen kam es zu ef fektiven Gesprächen, die neue Aspekte zur Thematik geliefert und positiv zum Fortgang des Projektes beigetragen haben. Das mediale Interesse am Projekt war stets sehr groß, so dass etliche Zeitungsarti kel aber auch Fernsehbeiträge entstanden sind. Insgesamt wurde dadurch das Bewusstsein der mögli chen negativen Auswirkungen der Stechmückenbekämpfung in der Öffentlichkeit deutlich gesteigert. Bisher sind sechs wissenschaftliche Publikationen in internationalen Fachzeitschriften erschienen, zwei davon innerhalb assoziierter Projekte. Ein Review Artikel wird bald fertiggestellt. Die Vortragstätigkeit war mit sechs Vorträgen auf wissenschaftlichen Tagungen und weiteren lokalen Vorträgen sehr hoch.
Fazit
Die viel zitierte Umweltfreundlichkeit der Stechmückenbekämpfung mit Bit beruht auf einer mutmaßlich geringen Toxizität gegenüber Nicht-Zielorganismen, zu der am Oberrhein bisher keine belastbaren Feld studien durchgeführt wurden. Unsere Studien zeigen allerdings ein unterschätztes Risiko für den Einsatz des Biozids Bti, da neben Stechmücken auch die Zuckmücken erheblich beeinträchtigt werden. Das Feh len dieser Biomasse hat negative Konsequenzen für höhere Ebenen im Nahrungsnetz, wie z.B. auf schützenswerte Amphibien. Eine objektive Aufklärung über die Übertragung und Ausbreitung tropischer Krankheiten erscheint dringend nötig, vor allem in Bezug auf die Unterschiede der Bekämpfungsstrate gie. Die Bevölkerung ist gegenüber einer umweltverträglicheren Strategie aufgeschlossen, auch wenn dies eine höhere finanzielle Beteiligung auch der betroffenen Haushalte mit sich bringen würde. Das For schungsvorhaben gestaltete sich auf Grund seiner politischen Brisanz in seiner Durchführung zuweilen als sehr schwierig. Aus unserer Sicht müssen daher zukünftige Untersuchungen von der Politik unter stützt und von unabhängiger Seite durchgeführt werden. Für ein naturschutzkonformes Konzept zur Stechmückenbekämpfung am Oberrhein schlagen wir vor, den vermehrten Einsatz von lokalen Fallen systemen im häuslichen Bereich zu prüfen und die Stechmückenbekämpfung vor allem in Naturschutz gebieten zu reduzieren oder gar vollständig einzustellen.
Fördersumme
124.579,00 €
Förderzeitraum
01.01.2015 - 30.04.2019
Bundesland
Rheinland-Pfalz
Schlagwörter
Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umwelttechnik