Projekt 32446/02

Entwicklung eines Stoffflussmodells für Pharmastoffe sowie Leitfaden zur Emissionsminderung in urbanen Siedlungsgebieten als vorausschauende Strategie für den Gewässerschutz Nachbewilligung

Projektdurchführung

Technische Universität Dresden Fakultät Umweltwissenschaften Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft (ISI) Professur für Siedlungswasserwirtschaft
Bergstr. 66
01069 Dresden

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Minimierung der Einträge potenziell schädlicher Substanzen aus Siedlungsgebieten in unsere Oberflächengewässer
ist ein vorrangiges Ziel zur Sicherung natürlicher Ressourcen zum Erreichen des von der
EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL, Richtlinie 2000/60/EG) geforderten guten ökologischen Zustandes.
Diese Aufgabe ist aufgrund der Komplexität und Vielzahl der Stoffe, Eintragspfade und -dynamik nur interdisziplinär
lösbar. Im Rahmen des Projektes MikroModell wurden vorwiegend die siedlungswasserwirtschaftlichen
Aspekte vor dem Hintergrund der gegebenen Gewässereinzugsgebiete näher untersucht. Die
Vorschläge zum systematischen Vorgehen bei der Einschätzung von Stoffflüssen, von in den Gewässern
entstehenden Konzentrationen an Mikroschadstoffen, von Handlungsoptionen und deren Auswirkungen
wurden auf Grundlage von verfügbaren Messungen, auf eigenen chemischen und biologischen Messkampagnen,
auf Stoffflussmodellierung und auf den Untersuchungen rechtlicher Rahmenbedingungen aufgebaut
und durch eine auf Sensibilisierung ausgerichtete Öffentlichkeitsarbeit flankiert. Die Erarbeitung der
Projektaufgaben erfolgte in vier Produkten.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenAm Beispiel der drei Kommunen Dresden, Chemnitz und Plauen mit ihren Fließgewässern Elbe, Chemnitz
und Weiße Elster wurden detaillierte gewässer- und kläranlagenseitige Betrachtungen anhand von Daten
des LfULG zu Mikroschadstoffen durchgeführt. Aufbauend auf diesen Informationen wurden innerhalb eines
eigenen Produktes vier ökotoxikologische und zwei chemische Monitoringkampagnen durchgeführt.
Dabei wurden der Zu- und Ablauf der Kläranlagen mit Hilfe von 24-h-Mischproben, sowie die Gewässer
durch tägliche Stichproben ober- und unterhalb der Kläranlageneinleitung bewertet. Neben fracht- und
eliminationsbezogenen Betrachtungen an den Kläranlagen stand die Einordnung der Gewässer hinsichtlich
der Umweltqualitätsstandards (UQN) in einer hohen zeitlichen Auflösung (Kampagnen mit 147 Gewässerproben
innerhalb von 21 Tage) im Fokus.
In einem weiteren Produkt wurde anhand von Langzeitdaten zur Gewässergüte und den Verschreibungsdaten
der AOK PLUS zu ausgewählten Arzneimitteln ein sachsenweites Gewässermodell aufgebaut.
Grundlage dafür bildet in einem ersten Schritt die hydraulische Kalibrierung durch die Verwendung der
sächsischen Pegeldaten. Mit Hilfe der zur Verfügung gestellten postleitzahlbezogenen Verschreibungsdaten
wurde für die drei Einzugsgebiete von Dresden, Chemnitz und Plauen die stoffliche Gewässersituation
zeitlich und räumlich jeweils hochaufgelöst abgebildet. Mit dem Modell können zukünftig Maßnahmen zur
Reduktion von Einträgen im gesamten Gewässereinzugsgebiet gegeneinander abgewogen werden. Eine
Bewertung kann dabei auf Grundlage eines maximalen Reduktionszieles zur Gewässerfracht und/oder der
Verbesserung des chemischen Gewässerzustandes entlang der Flusskilometer erfolgen.
Das Ziel des Projektes, elementare Handlungswege im Umgang mit Mikroschadstoffen aufzuzeigen, wirft
auch umfangreiche rechtliche Fragestellungen auf. Aufgrund der Komplexität des vorherrschenden
Rechtsraumes zu diesem Thema wurde der Behandlung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der
politischen wie wirtschaftlichen Handlungsspielräume ein separates drittes Produkt zugeordnet. Dabei
wurden in den Gebieten des Wasser-, Arzneimittel-, Chemikalien-, Pflanzenschutzmittel und Düngemittelrechts
entsprechende Anknüpfungspunkte herausgearbeitet und Empfehlung zu Anpassungen der
Rechtsgrundlagen bzw. zum Umgang mit diesen gegeben.
Mikroschadstoffe stellen in der Öffentlichkeit ein sensibles Thema dar. Akzeptanz für Maßnahmen kann
nur durch Transparenz, offene Information und Kommunikationsbereitschaft aller Akteure geschaffen werden.
Dabei ist sowohl der Dialog mit der begleitenden Kommunal- und Landespolitik als auch mit den
Bürgern gewünscht und im Sinne der Reduktion oder Vermeidung möglicher Eintragspfade auch erforderlich.
Deshalb wurden von Beginn an in einem vierten Produkt zur Öffentlichkeitsarbeit über geeignete Medien
verschiedene Zielgruppen adressiert und in entsprechenden Kampagnen bzw. diversen, teilweise
öffentlichen Veranstaltungen sowohl die Bevölkerung als auch Multiplikatoren (Ärzte, Apotheker, Lehrer
usw.) in den Kommunikationsprozess zur Aufklärung über das Thema eingebunden.


Ergebnisse und Diskussion

Mit dem im Projekt MikroModell erarbeiteten Stoffflussmodell kann für alle Fließgewässer in Sachsen,
unter Berücksichtigung ihrer Teileinzugsgebiete, ein Abbild der Gewässersituation für eine ausgewählte
Anzahl an Arzneimitteln gegeben werden. Mit Hilfe dieses Modells ist der Anwender in der Lage Maßnahmen
an der Quelle gegenüber denen an den Einleitpunkten (Kläranlagen) in die Gewässer hinsichtlich
ihrer Wirksamkeit zu prüfen. Dies betrifft insbesondere die Verbesserung des chemischen Gewässerzustandes
anhand der gegeben Flusskilometer. Es konnte gezeigt werden, dass eine maximierte Reduzierung
der Gesamtfrachte eines Arzneimittels an einzelnen Punkten (große Kläranlagen) nicht automatisch
zur Verbesserung des chemischen Gewässerzustanden einer großen Anzahl von Flusskilometern führt.
Vielmehr ist eine Kombination von Maßnahmen in den Ober- und Unterläufen der Gewässer notwendig,
um die chemische Gewässersituation im gesamten Einzugsgebiet nachhaltig zu verbessern. Unterschätzt
wurde in der Bearbeitung der Zeitumfang, der für die Auswertung der Verschreibungsdaten notwendig ist.
Eine weitere Implementierung von Arzneimitteln wie auch Pflanzenschutzmitteln ist bei der Verfügbarkeit
der Eintragssituation des jeweiligen Stoffes (Verschreibungsdaten, Ausbringungs- und Einsatzmengen)
ohne Probleme möglich, bedarf jedoch einen nicht zu unterschätzenden Zeitaufwand.
Die Ergebnisse der chemischen Monitoring-Kampagnen, sowie die Ergebnisse der Gewässergüteuntersuchungen
des LfULG sind die Grundlage für die Bewertung der Gewässersituation im sächsischen Handlungsleitfaden
für den Umgang mit Mikroschadstoffen. Das Ergebnis dieses Handlungsleitfadens ist ein
Prozessschema das die systematische Erarbeitung von Handlungsoptionen an den Gewässern als gemeinsamen
Weg von Behörden und Aufgabenträgern beschreibt. Neben einer gewässerseitigen Überprüfung
von gesetzlichen definierten und wissenschaftlich empfohlenen Umweltqualitätsnormen (UQN) unterund
oberhalb der Einleitungen von gereinigtem Abwasser wurden die Kläranlagen einem ökotoxikologischen
Effektmonitoring (Hefereportergen, Ames- und Mikrokern-Test) sowie spurenstoffseitigen Untersuchungen
unterzogen. Überschreitungen mit einer gesetzlichen verankerten UQN konnten für Schwermetalle,
ausgewählte Pflanzenschutzmittel, chloraromatischen Verbindungen, PAK und Industrie- bzw. Haushaltschemikalien
registriert werden. Die auf die UQN bezogen bisher gesetzlich nicht verankerten Arzneimittel
Diclofenac und Ibuprofen zeigen die stärksten Überschreitungen aller betrachteten Substanzen. Für
die Ausweisung notwendiger Handlungsmaßnahmen wurde vor allem auf die Stoffe mit gesetzlich geregelten
UQN zurückgegriffen. In Bezug auf die ökotoxikologischen Ergebnisse konnte gezeigt werden, dass
zwischen den Standorten (Kläranlagen) z.T. erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Eintragsverhaltens
in die Gewässer bestehen. Eine Beurteilung der Gewässersituation konnte in Bezug auf Ökotoxikologie
nicht gegeben werden, da zum einen die entsprechenden Ergebnisse (Analysen) in den Gewässern nicht
ermittelt werden konnten und zum anderen zum jetzigen Zeitpunkt keine entsprechenden Leitparameter
zur Beurteilung vorhanden sind. Die Bewertung der Gewässersituation oberhalb und unterhalb einer Einleitung
mit Hilfe von ökotoxikologischen Parametern sollte bei zukünftigen Betrachtungen ein Schlüsselparameter
sein, um die Gesamtheit der Gewässermatrix abzubilden.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Im Rahmen des Projektes wurden eine Reihe von Veranstaltung sowie Kampagnen durchgeführt. Adressaten
der Informationsveranstaltungen war das Fachpublikum der Wasserwirtschaft und Medizin (Apotheker
und Ärzte) sowie eine breite Öffentlichkeit. Die Informationskampagnen waren im Wesentlichen an die
Bürger adressiert, mit dem Ziel der Vermeidung von Einträgen an der Quelle (u.a. fachgerechte Entsorgung
von Arzneimittel).


Fazit

LDS und Gelsenwasser AG konnten die notwendigen chemischen Ergebnisse zur Bewertung der drei
Fließgewässer bzw. Kläranlagen ermittelt werden. Mit Hilfe eines Prozessschemas und der ermittelten
chemischen Gewässerdaten konnten die Handlungsoptionen an den einzelnen Standorten ausgewiesen
werden. In Bezug auf gesetzlich geregelte Spurenstoffe (OGewV) sind die Einträge aus Kläranlagen momentan
als untergeordnet einzuschätzen. Handlungsbedarf besteht hierbei insbesondere für Stoffe aus
diffusen Eintragsquellen (PAK, Schwermetalle, z.T. Pflanzenschutzmittel). Bei den eingetragenen Frachten
von Haushalts- und Industriechemikalien sowie den Arzneimitteln stehen die punktuellen Einträge aus
den Kläranlagen klar im Fokus. Wobei die zur Bewertung genutzten Qualitätskriterien momentan noch
keiner gesetzlichen Verankerung unterliegen. Unter Berücksichtigung von Diclofenac, bei einem angewendeten
Umweltqualitätskriterium von 50 ng/l, ergibt sich zukünftig ein erheblicher Handlungsbedarf für die
untersuchten Kläranlagenstandorte. Wobei konstatiert werden muss, dass zur Verbesserung des chemischen
Gewässerzustandes in Hinblick auf Diclofenac wie auch andere Arzneimittel weitergehende Maßnahmen
in den Oberläufen der betrachteten Gewässer notwendig sind. Durch die Verwendung des im
Projekt erarbeiteten Stoffflussmodells wurde dies bestätigt und in Grafiken zu den Gewässereinzugsgebieten
verdeutlicht.

Übersicht

Fördersumme

144.369,00 €

Förderzeitraum

17.07.2018 - 30.09.2019

Bundesland

Sachsen

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik