Berufsbildung und modellhafte Sanierung eines ehemaligen Hausmeisterhauses zu einem Lernort für regenerative Energien und Nachhaltigkeit
Projektdurchführung
Radko-Stöckl-Schule
Eveshamallee 4
34212 Melsungen
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Aufbauend auf der integrierten Berufsbildungs- und Technikplanung des DBU-Projektes AZ 27448 soll
Umweltbildung an energieeffizienten Techniksystemen am Beispiel des energetisch sanierten ehemaligen Haus-meisterhauses der Radko-Stöckl-Schule als praktischer Lernort sichtbar und erlebbar werden. Ein eher unscheinbares Gebäude in typischer 70er Jahre Architektur soll durch Anwendung von hocheffizienten Sanierungsmaßnahmen zu einem energieautarken, optisch ansprechenden und barrierefreien Bildungshaus für regenerative Energien und Nachhaltigkeit umgestaltet werden. Es besteht durch die Sanierung die einmalige Chance, alle erforderlichen Maßnahmen mustergültig sichtbar und erlebbar zu gestalten. Der reale Baukörper wird nicht nur während der Sanierungsphase, sondern dauerhaft zum Lernkörper für Ausbildungs- und Schulungszwecke für regionale Fachkräfte, an dem anschaulich das Gebäude als energetisches Gesamtsystem verstanden wird und jede angehende und ausgebildete Fachkraft die Bedeutung des eigenen Handels innerhalb des energetischen Gesamtsanierungssystems verstehen lernt. Durch die lückenlose Dokumentation der Sanierungsmaßnahme werden zusätzlich alle erforderlichen Arbeitsschritte und Absprachen für eine erfolgreiche energetische Sanierung nachhaltig für die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften gesichert und aufbereitet. Gleichzeitig soll das Haus in der Jahresbilanz mehr Energie erzeugen als es für den normalen Betrieb benötigt.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie komplette Umsetzung des Projektes soll in drei Phasen erfolgen. In der ersten Phase mit einer Lauf-zeit von drei Monaten wurde die Gesamtfinanzierung des Projektes rechtsverbindlich gesichert. Darüber hinaus wurden in der ersten Phase detaillierte Ausführungspläne zur Umgestaltung des Gebäudes zu ei-nem Bildungshaus für Energieeffizienz und Nachhaltigkeit erstellt. Die bauliche Umsetzung der gesam-ten Sanierungsmaßnahme als Lehrbaustelle in ausgewählten gewerkeübergreifenden Bereichen, ein-schließlich deren Dokumentation, erfolgt in der zweiten Phase. Die angestrebte möglichst kurze Baupha-se konnte wegen der stückweise ausgezahlten Fördergelder über die gesamten drei Jahre nicht umge-setzt werden. Die dadurch gewonnene Bauzeit wurde für noch mehr Detailplanungen sowie Vernetzungen und Koordinierungen der verschiedenen handwerklichen Kooperationspartner genutzt. Deutlich wird dies daran, dass z.B. jedes Fenster von einem anderen Handwerksbetrieb eingebaut wird und für das Wärmedämmverbundsystem acht unterschiedliche Malerbetriebe ihr Können einbrachten. Ermöglicht werden konnte diese breite Identifikation insbesondere dank der intensiven Arbeit des ausführenden Ar-chitekturbüros. In dieser Phase des Projektes werden von Beginn an viele handwerkliche Arbeiten in Form von Bild-, Film- und Tonsequenzen festgehalten. Unter dem Aspekt Was können andere Personen von diesem Projekt lernen? werden viele Details dokumentiert und didaktisch nachhaltig aufbereitet.Interviews mit den ausführenden Personen über praktische Problemstellungen und deren Lösungen
werden im gewerkeübergreifenden Kontext dokumentiert. Veranschaulicht werden diese Interviews
durch Zeitrafferaufnahmen und das Filmen von handwerklichen Sanierungsschritten aus unterschiedli-chen Perspektiven. Anregungen hierzu bekam die gesamte Projektgruppe insbesondere durch den Be-such des Baumedienzentrums in Düren und durch vielfältige und intensive Gespräche mit den Koopera-tionspartnern, die in dieser Hinsicht eine besondere Kreativität entfalteten.
In der dritten Phase steht die Erprobung des Bildungshauses als Lernträger für eine handlungsorien-tierte Aus- und Weiterbildung von Fachkräften in der Region im Zentrum. Durch die zeit- und arbeitsin-tensivere Umsetzung der Sanierungsschritte in Verbindung mit didaktischen Überlegungen haben sich die zweite und dritte Phase des Projektes vermischt. Verschiedene Lernsituationen zum gewerkeüber-greifenden Arbeiten sind entstanden und werden von den Lehrkräften weiter entwickelt.
Ergebnisse und Diskussion
Trotz der angespannten Finanzsituation des Landes Hessen und des Schulträgers konnte in der ersten
Projektphase die Gesamtfinanzierung des Projektes gesichert werden. Detaillierte Ausführungspläne
wurden erstellt, wobei durch die intensive Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern immer wieder
neue innovative Umsetzungsvarianten entwickelt wurden und weiterhin entwickelt werden. Der möglichst
modulare Einbau von hocheffizienten Sanierungsmaßnahmen steht dabei im Fokus der Ausführungspla-nung. Der kontrollierte Rückbau der vorhandenen Haustechnik konnte unter Einbeziehung von Auszubil-denden erfolgreich durchgeführt werden und sensibilisierte sie von Beginn an hinsichtlich der gewerke-übergreifenden Schnittstellen, wie z.B. der sensible Umgang mit vorhandenen Glasfaserleitungen oder mit kontaminierter Glaswolle. Durch regelmäßige Baubesprechungen vor Ort mit den ausführenden Handwerkern, Planern und Lehrerkollegen konnten innovative Sanierungslösungen mit didaktischen Überlegungen gewinnbringend verknüpft werden. Zusätzlich konnten vielfältige Seminare, z. B. zu den Themen Umgang und Entsorgung von Baustoffen, Fenstereinbau nach RAL für Lerngruppen, Koope-rationspartner und die breite Bevölkerung angeboten werden.
Die Ausführungsplanung für den Bereich Haustechnik wird kontinuierlich unter finanziellen, ästhetischen
und didaktischen Gesichtspunkten optimiert und gegeneinander gespiegelt. Altersgerechtes und barrie-refreies Wohnen entwickelte sich zu einem weiteren Themenschwerpunkt. Sehr erfreulich ist, dass im Projektverlauf auch hier weitere Kooperationspartner gefunden werden konnten.
Auf Grund der vielfältigen Aufgaben ist die schulische Projektgruppe auf elf Personen angestiegen, wodurch sich auch die Identifikation der Schulgemeinde mit dem Bildungsprojekt vergrößert hat. Darüber
hinaus konnte in enger Kooperation mit dem Schulträger im Rahmen des Modellprojektes Bürgerarbeit
der Bundesagentur für Arbeit eine projektbezogene Teilzeitstelle mit einer Laufzeit von drei Jahren ge-schaffen werden. Diese Stelle konnte mit einer Person besetzt werden, die sich zu einer weiteren tra-genden Säule für das Projekt entwickelt hat. Kleine handwerkliche Arbeiten, die Unterstützung der handwerklichen Kooperationspartner sowie das Führen von Besuchergruppen übernimmt diese Person
flexibel und vorbildlich. Sie ist für das Projekt unentbehrlich geworden.
Zum Zeitpunkt des Richtfestes im September 2011 wurde für die Öffentlichkeit der besondere und inno-vative Charakter des Projektes in Verbindung mit der Solartankstelle visuell erlebbar. So konnte auch ausgehend von der breiten Unterstützung der Öffentlichkeit und der Kooperationspartner das Bildungs-projekt im Herbst 2011 um einen E-Roller erweitert werden, der das Thema Elektromobilität in Zusam-menhang mit regenerativen Energien vorbildlich und anschaulich aufzeigt. Drei Kollegen meistern nun mit Elektrofahrrädern den steilen Berg zur Schule. Die kostenneutrale Verlängerung des Projektes war notwendig, um die verlängerte Bauzeit auszugleichen. In der Schlussphase zeigte sich, dass alle Betei-ligten ihre zur Verfügung stehenden Kräfte für das Projekt mobilisierten, damit die geplanten Ziele er-reicht werden konnten. Dass dadurch Schüler, Lehrer, Handwerker, Herstellervertreter neben- und mitei-nander arbeiteten, erzeugte eine Stimmung, in der alle zu besonderen Arbeitseinsätzen bereit waren. Stolz wurde so Anfang September die Einweihung des Technikhaus EnergiePLUS gefeiert. Ein 6-minütiger Film wurde von einem professionellen Filmteam während der Einweihung aufgenommen.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Die Dokumentation aller Bild- und Tonträger, der Arbeitsprotokolle und Ergebnisse der Umsetzungspha-se sollen als Basis dienen, um gezielte Hintergrundinformationen für die Ausgestaltung von Lernsituatio-nen zu gewinnen. Der aktuelle Projektstand wird durch Veröffentlichungen auf der schulischen homepa-ge (www.radko-stoeckl-schule.de) dokumentiert. Infoflyer, ein Einführungsvideo und eine 3-D-Animation unterstützen auf der homepage die Auseinandersetzung mit dem Bildungsprojekt.
Durch bereits mehrere öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen, wie die offizielle Baueröffnung, die Osn-abrücker Hochschultage, die Teilnahme an drei Preis- und Auszeichnungsveranstaltungen sowie die Präsentation des Bildungsprojektes auf dem Gemeinschaftsstand der DBU während der Bildungsmesse didacta 2012 in Hannover konnten die bisherigen Ergebnisse des Bildungsprojektes einer breiten Öffent-lichkeit zugänglich gemacht werden. Zur Präsentation des Bildungsprojektes während der Woche der Umwelt im Juni 2012 im Park von Schloss Bellevue wurde ein Modell des Hauses im Maßstab 1:20 vor-gestellt. Dieses Modell wird aktuell im Rahmen einer Wanderausstellung an verschiedenen Orten im Schwalm-Eder-Kreis ausgestellt. Zusätzlich wurde in der lokalen und überregionalen Presse vielfältig
über das Bildungsprojekt berichtet und Beiträge in Fachbroschüren veröffentlicht.
Den ersten Nachhaltigkeitspreis der Altstipendiaten der Konrad-Adenauer-Stiftung, den Förderpreis des CO2NTRA-Projektes der Saint-Gobain-Isover G+H AG und die Auszeichnung zum UN-Dekadenprojekt 2011-2012 für Nachhaltigkeit in der Bildung konnte das Bildungsprojekt in der zweiten Projektphase ver-zeichnen. Ausgehend von den Preisgeldern konnte mit Unterstützung weiterer Kooperationspartner die erste Solartankstelle im Schwalm-Eder-Kreis unmittelbar neben dem Technikhaus EnergiePLUS im März 2011 eingeweiht werden. Die Presse schrieb: Eine Baustelle und schon drei Preise. Als Pilotschule wurde die Radko-Stöckl-Schule bei der Aktion Klima! mobil 2013 als eine von 13 bundesweiten Schulen ausgezeichnet. Der Schwalm-Eder-Kreis hat mit dem Projekt Technikhaus EnergiePLUS beim weltweiten Liv-Com- Award 2013 in China den zweiten Platz von weltweit 21 überragenden Projekten gewonnen.
Fazit
Nach der Sanierung steht nicht nur ein mustergültig energetisch saniertes und energieautarkes Technik-haus als Lernort für regenerative Energien und Nachhaltigkeit verschiedenen Bildungseinrichtungen und beruflichen Schulen zur Verfügung, sondern es wird durch die Flexibilität aller Sanierungsmaßnahmen ein von Beginn an sich selbst weiter entwickelbares Bildungshaus für Schulungszwecke geschaffen. Damit steht dieses Bildungshaus auch Techniken, die heute noch nicht bekannt oder verfügbar sind, für Bildungszwecke offen. Durch die frühe Verzahnung verschiedener Bildungsakteure konnte bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine breite Nutzung des sanierten Gebäudes durch entsprechende Kooperationserklä-rungen gesichert werden. Mehrere Veranstaltungen zu den Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz wurden auch mit internationalen Besuchergruppen erfolgreich durchgeführt. Die verstärkte Einbindung von Lehrerkollegen, die regelmäßigen Arbeitsbesprechungen und der unermüdliche Einsatz aller Betei-ligten haben maßgeblich zum Erfolg des Bildungsprojektes beigetragen. Die zusätzlich realisierte Solar-tankstelle mit dem schuleigenen E-Roller ergänzt vorbildlich das Bildungsprojekt um die Themen Elekt-romobilität und Intelligente Stromnetze. Die Bauphase benötigte mehr Zeit, um die vielen Details und sich veränderten Unterstützungen verschiedener Hersteller und Handwerker in die Planungen einzuar-beiten. Die bundesweite Aufmerksamkeit des Projektes regte viele Menschen an, sich mit den Themen und Möglichkeiten des Bildungsprojektes auseinanderzusetzen. Bei der Einweihung wurde allen Beteilig-ten deutlich, wie viele Menschen zu dem Gelingen des Projektes beigetragen haben. Die vielen Besuche seit der Eröffnung zeigen das große Interesse an dem Projekt. Die Ehrung durch den Gewinn der Gold-medaille des Schwalm-Eder-Kreises mit dem Technikhaus EnergiePLUS-Projekt bei dem weltweiten Wettbewerb um die livable Comunity (LIV-Com-Award) krönt die gemeinsame Arbeit an diesem Projekt. Damit findet das erfolgreiche Projekt einen Höhepunkt, der wiederum nur der Startpunkt in eine bewegte Zukunft der Umweltbildungsaktivitäten an der Radko-Stöckl-Schule und darüber hinaus gewesen sein wird.
Fördersumme
210.000,00 €
Förderzeitraum
18.03.2010 - 31.10.2013
Bundesland
Hessen
Schlagwörter
Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umweltkommunikation
Umwelttechnik