Energetische Optimierung eines Plattenbau-Karrees – ein Beitrag zum städtischen Klimaschutz
Projektdurchführung
Brandenburgische Technische Universität Cottbus-
Senftenberg
Fakultät Umweltwissenschaften und Verfahrenstechnik
Fachgruppe Bauliches Recycling
Siemens-Halske-Ring 8
03046 Cottbus
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
An einem konkreten Fallbeispiel (komplexes Wohnquartier/Wohnkarree) am Standort Weißwasser soll exemplarisch die best-practice-Lösung (Vorzugsvariante) für angepasste, energetische sowie bautechnische und architektonische Aufwertungsmaßnahmen für den zu verändernden Plattenbaubestand (Veränderung, Reduzierung) aufgezeigt werden. Derzeitige Sanierungsmaßnahmen von industriell errichteten Wohnbauten beinhalten meist eindimensionale Untersuchungen und Lösungen. Daher gilt es, einerseits die verschiedenen energetischen Sanierungs- und Modernisierungskonzepte über eine Lebenszyklusbetrachtung auf wissenschaftlicher Basis zu bewerten. In Abhängigkeit der unterschiedlichen Maßnahmenpakete zur Verbesserung der Dämmung der Hüllkonstruktion und der Anlagentechnik ist die tatsächliche Effizienz des Energie- und Umweltverbrauchs und der Kosten offen zu legen. Als Entscheidungsgrundlage ist hierzu eine praxistaugliche Empfehlung für ein geeignetes Bewertungssystem zu ermitteln.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie anstehenden Aufgabenschwerpunkte gliedern sich in:
Arbeitsschritt 1: Bestandsaufnahme zur Baukonstruktion/Voruntersuchungen am Modellquartier in Weißwasser
Arbeitsschritt 2: Gegenüberstellung/Abgleich der Konzeption zum Modellquartier mit Zielstellungen zum Passivhaus-Standard sowie zu geplanten Umbau- und Aufwertungsstrategien
Arbeitsschritt 3: Erarbeitung möglicher Varianten zur energetischen Gebäudesanierung als Vergleich gegenüber dem Passivhaus-Standard unter Berücksichtigung der Anforderungen geltender Regelungen, der örtlichen Möglichkeiten der Nutzung alternativer Energien, der Möglichkeiten zur Wohnwertverbesserung im Modellquartier
Arbeitsschritt 4: Berechnung der Energieeinsparung mittels verschiedener Programme zur Ermittlung der Vorzugsvariante für die energetische Sanierung
Arbeitsschritt 5: Darstellung verallgemeinerbarer Aussagen als Grundlage für einen zu erarbeitenden Leitfaden Nachhaltige Sanierung Plattenbau
Ergebnisse und Diskussion
Auf der Grundlage des Istzustandes der Bestandsbauten im untersuchten Plattenbaukarree mit 395 WE und den lokalen Versorgungsgegebenheiten wurden auf Basis der gesetzlichen Vorgaben zur Minimierung des Energiebedarfs für 235 WE nach durchzuführendem und zwischenzeitlich erfolgtem Teilrückbau und Abbruch drei grundlegende Sanierungsvarianten der energetischen Aufwertung konzipiert:
- Variante 1: Energieeinsparungsverordnung (EnEV) 2009 Neubau in drei Ausführungsvarianten der Anlagentechnik (Var. 1.1 - Var. 1.3),
- Variante 2: Effizienzhaus 70 in vier Ausführungsvarianten der Anlagentechnik (Var. 2.1 - Var. 2.4),
- Variante 3: Passivhaus-Standard in zwei Ausführungsvarianten der Anlagentechnik (Var. 3.1 und Var. 3.2).
Die Berechnungen der entwickelten Varianten erfolgten im Vergleich der computergestützten Programme B 52 der Solar Computer GmbH, Version 5.02, und LEGEP. Der Vorteil der LEGEP-Software besteht ge-genüber üblicher Arbeitsweisen darin, dass ein integraler Planungsansatz gegeben ist.
Die berechneten Ergebnisse und die Untersuchungen zu alternativen Dämmmaterialien sowie darüber hinaus umfangreichen Analyseergebnissen der Befragung der Bewohner zu den geplanten Umbaumaßnahmen, die erarbeiteten Vorschläge zur Umgestaltung aus städtebaulicher und -räumlicher Sicht samt der Wohnumfeldgestaltung wurden stetig dem Bauherrn vorgestellt und mit ihm intensiv diskutiert. Ergänzungen, Korrekturen etc. flossen in die erarbeiteten Unterlagen ein. Alle Akteure wirkten aktiv mit.
Der Vergleich der berechneten Ergebnisse zur energetischen Aufwertung nach o.a. computergestützten Programmen zeigt, dass diese nicht immer identisch sind. Zwar wurden für dieselben Varianten die besten Ergebnisse ermittelt, auch die Abstufung verhielt sich etwa adäquat, aber die einzelnen Kennwerte weichen z. T. erheblich voneinander ab wie z.B. die Energie-/Betriebskosten für Fernwärme und Strom. Dennoch besteht Kongruenz darin, dass durch eine verbesserte Hüllfläche und Anlagentechnik Energieverluste in Abhängigkeit des Niveaus der Sanierungsmaßnahme erwartungsgemäß reduziert werden. Unstrittig ist, dass aus technischer Sicht Passivhaus-Standard erzielbar ist. Mit Passivhaus-Var. 2 (Heizung zentral (Fernwärme), Warmwasserversorgung zentral mit Zirkulation und Solaranlage, Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung) sind die höchsten Reduktionen gegenüber dem Bestandsgebäude erzielbar. Nämlich: -90 % Heizwärmebedarf, -85 % bis -95 % Endenergiebedarf und -85 % bis -90 % Primärenergiebedarf. Hinsichtlich der Herstellungskosten ist dies jedoch die aufwändigste. Die Energiekosten der Passivhaus-Varianten reduzieren sich am stärksten; gegenüber dem Bestand um ca. 83 94 %. Die Berechnung der Lebenszykluskosten nach LEGEP ergab, dass nach statischer Berechnung die günstigste Variante die Passivhaus-Var. 2 ist, aber nach dynamischer Berechnung des Barwerts in /m² BGF die Effizienzhaus 70-Var. 1 am besten abschneidet. Die ökologischen Untersuchungsergebnisse belegen, dass durch die Passivhaus-Var. 2 die höchste quantitative Entlastung erzielt wird.
Unter Berücksichtigung der Möglichkeiten der Fördermittelinanspruchnahme im Freistaat Sachsen in Höhe von 130 /m² NGF, Wfl. hat der Bauherr zwar nicht die Passivhaus-Var. 2, aber zumindest die ermittelte Passivhaus-Var. 1 (Heizung zentral (Fernwärme), Warmwasserversorgung zentral mit Zirkulation, Zu- und Abluft mit Wärmerückgewinnung) umgesetzt. Die Solaranlage (entspr. Passivhaus-Var. 2) ist aus Kostengesichtspunkten nicht installiert worden.
Äußerst kritisch anzumerken ist, dass die Vorschläge, alternative Dämmstoffe für die Außenwand (z. B. Steinwolle, Zellulose) zu verwenden, leider unberücksichtigt blieben. Die Dämmung des Drempelgeschosses hingegen erfolgte aus Kostengründen mit Holzfaserdämmung - also auch ökologisch sinnvoll.
Denn gegen die Verwendung von Polystyrol sprechen mehrere Aspekte. Zum einen betrifft dies die Phase Abbruch/Rückbau am Ende des Lebenszyklus mit nachfolgender Entsorgung des hier im Bestand erzeugten Verbundbaustoffes/-systems. Zum anderen besteht das Problem der Algenbildung und starker Verschmutzung von Außenputzen auf WDVS, was sich auch ästhetisch in kürzester Zeit negativ auf die Umgebung auswirkt.
Die Untersuchungen haben gezeigt, dass es nicht ausreicht, energetische Sanierungen eines Plattenbaukarrees einzuleiten. Der erfolgreiche, nachhaltige Umbau eines solchen Quartiers ist nur in seiner Komplexität zu erreichen. Es sind gesamtheitliche Lösungen aus architektonisch, städteräumlicher Sicht, aus Vermarktungssicht der Wohnungen neben den o. a. Untersuchungen erforderlich. Dies erfolgte hier in der vorgelegten Arbeit. Dieser komplexe Lösungsansatz ist verallgemeinerbar. Ein Rezept zur energetischen Sanierung für die Aufwertung von Plattenbaukarrees gibt es nicht, weil die lokalen Rahmenbedingungen immer unterschiedlich sind.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Zwischenzeitlich erzielte Arbeitsergebnisse sind kontinuierlich, d. h. mehrfach unter Einbeziehung der Kooperationspartner, Vertretern des Bauherrn und z. T. Gästen (bspw. Vertretern der SAB) vorgestellt und intensiv diskutiert worden. Eine Endpräsentation zu allen ermittelten Ergebnissen fand vor dem Bauherrn statt.
Über regionale Medien (lokale Zeitungen) wurde mehrfach von der Umgestaltung des Wohnquartiers berichtet. Allerdings konzentrierten sich die Aussagen überwiegend auf den Abbau des Wohnungsüberhangs und auf die Erfüllung der Wohnbedürfnisse der Mieter. Dass durch die Umsetzung der Passivhaus-Variante in rd. 15 % der Wohnungen des Karrees ein Beitrag zum städtischen Klimaschutz erzielt wird, ist leider nur kurz in einem Beitrag erwähnt worden.
Fazit
Die Autoren schlagen vor, die hier umfassend erzielten Ergebnisse für Sanierungsmaßnahmen von Plattenbaukarrees ganzheitlich in einem zu erarbeitenden Leitfaden Nachhaltige Sanierung Plattenbau einfließen zu lassen und diese um die Monitoring-Untersuchungen zu ergänzen. Die methodische Herangehensweise sollte so gestaltet werden, dass sich die unterschiedlichen Sichtweisen bzw. Akteurshandlungen (Bauherr, Planer, ausführende Unternehmen, Fördermittelgeber, Politiker, Nutzer) wiederspiegeln.
Fördersumme
124.251,00 €
Förderzeitraum
13.06.2009 - 02.07.2013
Bundesland
Brandenburg
Schlagwörter
Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik