Projekt 25386/01

Untersuchungen zur Desinfektionswirkung und Sicherheit/Unschädlichkeit der Inline Elektrolyse von Chlor als umweltschonendes Verfahren für die Desinfektion von Trinkwasser

Projektdurchführung

DVGW Technologiezentrum Wasser (TZW) Außenstelle Dresden
Wasserwerkstr. 2
01326 Dresden

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Das Ziel des Verbundvorhabens bestand darin, die offenen Fragen bei In-line-Anlagen in Bezug auf die Reinheit und Desinfektionswirksamkeit der erzeugten Agenzien, zur Kontinuität der Desinfektionsmittelbildung sowie zu den unerwünschten, möglicherweise toxischen Nebenprodukten auf der Basis wissenschaftlicher Untersuchungen und evaluierter Analysenverfahren zu klären. Die Bearbeitung des Projektes wurde von der HS Anhalt und dem TZW als Koordinator übernommen. Im Unterauftrag des TZW fungierten die Zweigstellen des Umweltbundesamtes (UBA) in Berlin-Marienfelde und Bad Elster.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDer Arbeitsplan der HS Anhalt konzentrierte sich auf die Ermittlung optimaler Operationsbedingungen verschiedener Elektrodenmaterialien im Labormaßstab unter Variation der Elektrolysebedingungen und der Wasserzusammensetzung. Hierzu wurde ein Experimentalstand für Kreislauf- und kontinuierliche Versuche eingesetzt. Des Weiteren wurde eine neue Analysenmethode für Perbromat als mögliches Reaktionsnebenprodukt mittels Ionenchromatographie erarbeitet.
Die Arbeiten des TZW beinhalteten die Erfassung und Reinheit der gebildeten Wirkstoffe für die Desinfektion. Daneben wurden die Begleitprodukte der Elektrolyse Chlorit, Chlorat, Perchlorat und Bromat sowie die Bildung der Trihalogenmethane (THM) unter variierenden Betriebsbedingungen und verschiedener Wasserzusammensetzung im kleintechnischen Maßstab erfasst. Hiefür kamen moderne spurenanalytische und nach DIN genormte Verfahren zum Einsatz, die mit der HS Anhalt abgeglichen wurden.
Am Teststand des UBA Marienfelde wurden Untersuchungen zur Desinfektionswirksamkeit der erzeugten Wirkstoffe unter Einsatz ausgewählter Bakterien, Viren und Sporen sowie Langzeittests über 30 Tage durchgeführt. Neben den Einzeluntersuchungen zur Bildung unerwünschter Nebenprodukte wurden die Abläufe der Elektrolyseanlagen auch toxikologisch am UBA Bad Elster untersucht.
Im Ergebnis der Untersuchungen wurde von den Projektpartnern ein Entwurf für eine Prüfvorschrift erarbeitet, der als Grundlage für eine Prüfung zur Zulassung der Anlagen dienen kann und nur Anlagen mit Mischoxidelektroden berücksichtigt.


Ergebnisse und Diskussion

Wirkstoffbildung:
Für die Elektrolyseanlagen mit Mischoxidelektroden (MO-Elektroden) konnte mit Hilfe eines selektiven Verfahrens auf Basis der UV-VIS-Spektroskopie die Bildung von reinem Chlor nachgewiesen werden.
Die Chlorkonzentration wird von der Stromdichte, dem Durchfluss und der Chloridkonzentration im Wasser bestimmt. Je höher die Stromdichte und die Chloridkonzentration sind, desto mehr Chlor wird gebildet. Hingegen bewirkt eine Durchflusserhöhung eine Verringerung der Chlorkonzentration.
In den Untersuchungen zeigte sich, dass bei einem Großteil der Elektroden eine signifikante Chlorbildung erst ab Stromdichten zwischen 50 und 100 A/m² einsetzt.
Die in das Projekt eingebundene Anlage mit bordotierten Diamantelektroden (BDD-Elektroden) erzeugte OH-Radikale. Daneben wurde die Bildung eines oder mehrerer Oxidationsmittel mit dem DPD-Verfahren nachgewiesen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass freies Chlor entsteht. Eine Verifizierung des Ergebnisses durch die UV-VIS-Methode war in diesem Fall nicht möglich.
Nebenproduktbildung
Infolge der Elektrolyse werden bei beiden Elektrodentypen Chlorat und Bromat gebildet. Dabei steigt die Chloratkonzentration innerhalb der Betriebszeit bei beiden Elektrodentypen an. Sie lag bei den Anlagen mit MO-Elektroden unabhängig von den Elektrolysebedingungen innerhalb der 60minütigen Versuche jeweils unter dem Trinkwasserrichtwert von 200 µg/l. Durch angepasste Reinigungsintervalle sollte die Chloratbildung beherrschbar sein. Die Bromatbildung lag unter dem Trinkwassergrenzwert (10 µg/l). Perchlorat wird an MO-Elektroden nicht gebildet.
An BDD-Elektroden werden vergleichsweise deutlich höhere Konzentrationen an Chlorat gebildet. Zudem entsteht Perchlorat, dessen Konzentration analog zu Chlorat während der Betriebszeit ansteigt. Die Konzentrationen dieser Ionen lagen über den für Trinkwasser geltenden bzw. zu erwartenden Richtwerten für Chlorat (200 µg/l) und Perchlorat (5 µg/l). Für Bromat lagen die Werte unterhalb des Grenzwerts für Trinkwasser (10 µg/l).
Die Komponenten Chlorit und Perbromat wurden bei keiner Anlage nachgewiesen. Die Bildung von Nitrit an der Katode wurde in allen Versuchen nicht nachgewiesen. Die THM-Bildung ist unabhängig vom Elektrodenmaterial mit der der herkömmlichen Desinfektion mit Hypochloritlösung vergleichbar.
Desinfektionswirksamkeit
Unter den Versuchsbedingungen konnte gezeigt werden, dass das Verfahren der In-line-Elektrolyse für die Desinfektion von Trinkwasser ausreichend wirksam sein kann. Die Wirksamkeit ist vergleichbar mit der einer Hypochloritlösung. Nur Anlagen mit Säurespülung zur Regeneration der Elektroden konnten 30 Tage betrieben werden. Die Desinfektion wurde während der Regeneration unterbrochen. Weiterer Forschungsbedarf besteht u. a. zur Wirkstoffbildung unter Verwendung von salzarmem Wasser, zur Abgabe von Stoffen aus dem Elektrodenmaterial sowie zur Optimierung der Umpolung der Elektroden.
Toxikologische Bewertung
Die Toxizitätstests zum Nachweis von Gentoxizität ergaben für keine der Proben der verschiedenen An-lagen eine Einstufung als gentoxisch. In Einzelproben aller Testreihen waren intrazellulär verstärkt freie Radikale nachzuweisen, die als gentoxische Vorläufermechanismen in Betracht zu ziehen sind. Diese Effekte konnten hinsichtlich der auslösenden Parameter im Rahmen des Projektes nicht abgeklärt werden.
Prüfvorschrift
Für den Fall, dass das Verfahren in die Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren gemäß §11 der Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) als zulässiges Desinfektionsverfahren aufgenommen wird, wurde ein Entwurf für eine Prüfvorschrift für die Anlagen mit MO-Elektroden erarbeitet.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Über die Zielstellung des Projektes wurde die Öffentlichkeit z.B. durch den Eintrag in die internetbasierte Forschungsdatenbank des DVGW, des Landes Sachsen-Anhalt und ein Poster auf der Jahrestagung der Internationalen Gesellschaft für Elektrochemie 2010 in Beijing sowie in mündlicher Form innerhalb der Working Party of Electrochemical Engineering der EFCE informiert. Des Weiteren wurden ausgewählte Ergebnisse im Rahmen des Trinkwasserkolloquiums des TZW 2012 und auf einem Poster zur Tagung der Wasserchemischen Gesellschaft in Neu-Ulm 2012 präsentiert. Die Ergebnisse des Projektes wurden regelmäßig in Gremien des DVGW diskutiert.


Fazit

Der Einsatz der Anlagen mit MO-Elektroden für die Trinkwasserdesinfektion ist nach den Ergebnissen vorstellbar. Im Durchflussverfahren werden die Anforderungen der TrinkwV 2001 im Hinblick auf die Reinheit der gebildeten Desinfektionsmittel und der Nebenproduktbildung zwar erfüllt, aber es besteht bezüglich der Langzeitstabilität der Anlagen und der kontinuierlichen Wirkstoffbildung noch Entwicklungsbedarf. Im Gegensatz dazu sind BDD-Elektroden aufgrund der Chlorat- und Perchoratbildung zur Trinkwasserdesinfektion derzeitig nicht einsetzbar.

Übersicht

Fördersumme

294.214,00 €

Förderzeitraum

04.12.2008 - 03.12.2011

Bundesland

Sachsen-Anhalt

Schlagwörter

Ressourcenschonung
Umwelttechnik