Zuverlässige optische Online-Prozessanalytik für nanoskalierbare Herstellungsprozesse unter Total Containment-Bedingungen in der Chemie-, Pharma-, Biopharma-, Lebensmittel- und Kosmetikindustrie
Projektdurchführung
J & M Analytik AG
Willy-Messerschmitt-Str. 8
73457 Essingen
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Ziel des Forschungsvorhabens in Phase I war zunächst die Entwicklung eines zuverlässigen, robusten, sich selbst reinigenden und kontaminationssicheren optischen Online-Prozessanalyseverfahrens für Herstellungsprozesse in der Chemie-, Pharma-, Biopharma-, Lebensmittel- und Kosmetikindustrie. Die in der Projektphase I aufgebaute und patentierte Messsonde, die Lighthouse-Sonde (LHP), ermöglicht eine In-Process-Reinigung und -Kalibrierung der Messfenster. Die LHP-Sonde ist für verschiedene optische analytische Messverfahren geeignet, wie z. B. NIR-, UV/Vis Fluoreszenz- und Raman-Spektroskopie.
Die Zielsetzung der sich anschließenden Projektphase II (vorwettbewerbliche Entwicklung) umfasste zwei Schwerpunkte:
Zum einen sollten im ersten Schwerpunkt die oben genannten optischen Detektionsverfahren im Sondengehäuse miteinander kombiniert werden. Dies erfolgte unter Verwendung unterschiedlicher Segmente der Sonde. Diese Kombination erlaubt es erstmals, mehrere Parameter eines Prozesses, z. B. Partikelgröße und Quantifizierung mittels Ramanspektroskopie, gleichzeitig zu erfassen. Zur Auswertung war es notwendig, entsprechende Module und Auswerteverfahren unter Verwendung von Chemometrie und Bildanalyseverfahren zu entwickeln und in einem Sensormodul zusammenzufassen. Die Verfahren sollten zunächst im Labormaßstab gestestet und validiert werden.
Der zweite Schwerpunkt war die Übertragung der im Projekt erreichten Innovationen vom Labor- zu einem Technikumsmaßstab, und zwar in enger Zusammenarbeit mit industriellen Projektpartnern. Diese Arbeiten beinhalteten die Adaption der entwickelten Messtechniken an die jeweilige analytische Fragestellung, die Validierung der Messverfahren sowie die Dokumentation und Publikation/ Vorstellung der Ergebnisse.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Entwicklung und industrielle Evaluierung waren die zwei hauptsächlichen Arbeitschritte des Projektes. Im Rahmen des ersten Schrittes wurden die Grundlagen für die Weiterentwicklung einer neuartigen Sondentechnik für die Online-Prozessanalytik, durch eine Literaturrecherche, Simulationen und Vorversuche, gelegt.
Schwerpunkt der Entwicklungen waren optische analytische Verfahren. Unter Berücksichtigung von Patentrechercheergebnissen und unter Zuhilfenahme von Simulationsrechnungen wurde ein neues optisches Design zur Raman-Sonde entwickelt und experimentell umgesetzt.
Ein weiterer Entwicklungsschwerpunkt war die Erarbeitung von bildgebenden Verfahren. Die als Ausgangspunkt genommene Idee des Endoskops mit 30.000 Einzelfasern ausgestatteter Lichtwellenleiter und angeschlossener Kamera wurde durch ein starres Endoskop mit externer Lichtquelle und eingebauter Hochgeschwindigkeitsmikrokamera ersetzt.
Ingenieurlösungen zur Kombination der Raman-, NIR- und UV/Vis-, sowie Fluoreszenzspektroskopie innerhalb eines LHP-Sondenrohrs wurden entwickelt.
Zum Einsatz kamen Lichtstreutechniken zur Bestimmung von Partikelgröße und Streukoeffizienten, welche unter Zuhilfenahme winkelabhängiger, spektraler Daten im Rahmen dieses Projektes für ihren Einsatz in der Online-Prozessanalytik optimiert werden konnten.
Die entwickelten Module wurden im Medium der laufenden Prozesse wie Pelletbeschichtung, Granulierung, Trocknung, Kristallisation und Fermentation geprüft. Für die Evaluierung der Messergebnisse spielt die Modellierung und Datenauswertung eine entscheidende Rolle. Um die komplexen spektralen Prozessdaten in quantitative Qualitätsparameter zu transformieren, wurden dementsprechende Algorithmen ausgewählt, angepasst oder neu entwickelt und, sofern nötig, programmiert. Die Theorie der Versuchsplanung (Design of Experiment, DoE) zur optimalen Datenerfassung wurde vor den Messungen angewandt.
Ergebnisse und Diskussion
Sieben verschiedene Sondenmodule wurden entwickelt, aufgebaut und in der industriellen Prozessumgebung eingesetzt. Die folgenden Techniken und deren Kombinationen wurden in den Sonden implementiert:
Sonde 1: Multifunktions-LHP I (Vis+NIR+Raman)
Sonde 2: Multifunktions-LHP II (Vis+NIR+Fluoreszenz)
Sonde 3: Bildgebende LHP-Sonde (Endoskop+Kamera)
Sonde 4: NIR/Vis-LHP (Vis+NIR)
Sonde 5: Total-Containment-LHP (Vis+NIR)
Sonde 6: Partikelgrössen-LHP (ortsaufgelöste Vis-Reflexion)
Sonde 7: Durchfluss-Messzelle (UV/VIS)
Damit wurde der Anwendungsbereich der LHP-Technologie wesentlich erweitert. Die analysierten Medien und Proben beinhalteten Flüssigkeiten, Feststoffe und Suspensionen. Die entwickelten Detektionsverfahren und Techniken wurden im Technikumsmaßstab in Pilotanlagen weiter optimiert und an die analytische Fragestellung angepasst.
Erfolgreich konnte die Lighthouse-Sonde zur Überwachung mehrere Prozesse eingesetzt werden, u. a.: Kristallisation, Bestimmung der Beschichtungsdicke während des pharmazeutischen Beschichtungsprozesses, Überwachung der kontinuierlichen Pulvermischung, Total-Containment-Operationen mit Pulvern, Hefe-Fermentation sowie Reinigungsüberwachung von pharmazeutischen Anlagen.
Wesentliche wissenschaftliche Ergebnisse wurden auch seitens der FuE-Projektpartner erzielt:
Die NIR-Spektren erlauben die Online-Vorhersage der Auflösungskurven von Pellets während der Beschichtung. Dieses wichtige Ergebnis wurde durch die fortgeschrittene chemometrische und kinetische Datenanalyse erreicht.
Die mit 1D-/2D-Fluoreszenz ausgerüstete LHP-Sonde wurde im Bioreaktor eingebaut und in der Fermentation von Hefe Saccharomyces cerevisiae getestet. Durch Datenanalyse wurde gezeigt, dass die Spektren nicht nur wichtige Informationen von den Biomasse- und O2-Gehalten, sondern auch vom metabolischen Zustand der Kultur liefern können.
Die Kombination von NIR- und Raman- sowie NIR-, UV/Vis- und die Fluoreszenspektroskopie wurde für die Überwachung des Beschichtungsprozesses von Pellets in der Pharmaindustrie verwendet. Infolge der synergetischen Wirkung der Techniken konnte nicht nur die Beschichtungsdicke, sondern auch die Produktfeuchtigkeit während des Prozesses mit hoher Genauigkeit bestimmt werden.
Die Bildgebende LHP wurde für eine detaillierte visuelle Kontrolle der Prozesse, z. B. die Pelletbeschichtung, eingesetzt. Sie ermöglicht eine frühere Erkennung von Prozessproblemen wie Bed-Stop, Agglomeration oder Abreibung der Partikel sowie die Bildung feiner Fraktionen.
Weiteres Projektergebnis: Die multivariate Bildanalyse ermöglicht die Erkennung einzelner Partikel. Die Methode ist geeignet für die direkte Messung der Partikelgrößenverteilung.
Die Projektpartner erwarten, dass die Lighthouse-Sonde mit der im Projekt hier entwickelten modularen Bauweise einen breiten Einsatz erfährt und so die Vorteile der Online-Prozessanalytik bezüglich ökonomischer und ökologischer Einsparungen in viele Anwendungen einbringen kann.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Der neue PANOPOD-Prozess-Analyzer soll zunächst in der Pharmazie, später auch in den anderen erwähnten Bereichen, zum Einsatz kommen. Die globale Vermarktung der neuen Technologie soll einerseits über die GEA-Gruppe, an die J&M ihre Systeme liefert, anderseits über J&M selbst im Direktvertrieb erfolgen. Vorgestellt wurde der neue Analyzer mit großer Resonanz auf der Analytica in München, sowie auf den mehreren Konferenzen.
Auf Grund der Projektergebnisse wurden in 2010 vier Artikel in den Fachzeitschriften Journal of Chemometrics (3) und einer in Analyst (1) veröffentlicht oder vorgelegt.
Die Ergebnisse wurden auch bei mehreren Tagungen und Messen durch Vorlesungen und Posters präsentiert, u. a.: APACT-2009 in Glasgow (Schottland), SSC11-2009 in Loen (Norwegen), PAT and QbD in Heidelberg (Deutschland), WSC-7 in St. Petersburg (Russland) und CAC-2010 in Antwerpen (Belgien). Die vollständige Liste wurde im Bericht angegeben.
Fazit
Die in der ersten Projektphase konzipierten und im Labormaßstab untersuchten Ideen wurden während der Projektphase II weiterentwickelt, optimiert und in der Industrie eingesetzt und im Technikumsmaßstab erfolgreich erprobt. Damit konnte der große wirtschaftliche und ökologische Gewinn beim Einsatz der Lighthouse-Sonde in der Online-Prozessanalytik experimentell verifiziert werden. Somit kann der Sonde zu einer hohen Akzeptanz bei Kunden verholfen werden.
Manche der im Projekt entwickelten Sonden, z. B. NIR+Raman, 2D-Fluoreszenz, die ortsaufgelöste Streusonde und bildgebende LHP, haben kaum oder keine Analogien zu bisher eingesetzten Techniken und gehören deshalb zu Innovationstechniken.
Die Entwicklungen wurden patentgeschützt und in wissenschaftlichen- und Fachzeitschriften veröffentlicht.
Fördersumme
239.593,00 €
Förderzeitraum
25.09.2008 - 25.09.2010
Bundesland
Baden-Württemberg
Schlagwörter
Klimaschutz
Naturschutz
Umweltforschung
Umwelttechnik