Errichtung eines bundesweiten Schutzgebietsnetzes für Ackerwildkräuter – Vorphase
Projektdurchführung
Georg-August-Universität Göttingen
Albrecht-von-Haller-Institut
Ökologie und Ökosystemforschung
Untere Karspüle 2
37073 Göttingen
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Intensivierung der Unkrautbekämpfung und Nutzungsaufgabe von Äckern haben einen drastischen Ar-tenrückgang der Ackerwildkräuter bewirkt, der auch die dortige Tierwelt betrifft. Bisherige Bemühungen konnten keine nachhaltige Verbesserung der Situation erreichen. Angestrebt wird die Einrichtung eines bundesweiten Schutzgebiets-Netzes von mindestens 100 Schutzäckern, auf denen repräsentativ die Pflanzengesellschaften der Äcker aller Naturräume Deutschlands vertreten sind. Dazu wurden in der bewilligten Vorstudie Konzepte erarbeitet, um langfristig die Finanzierung und Bewirtschaftung der Schutzäcker sicherzustellen.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm Vorprojekt haben die Universität Göttingen (Albrecht-von-Haller-Institut für Pflanzenwissenschaften, Abteilung Ökologie und Ökosystemforschung), das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Deutschland e.V., Standort Witzenhausen) und der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL) zu-sammengearbeitet. Das Vorprojekt konzentrierte sich auf die folgenden Arbeitsschritte, die zur Vorbereitung und Durchführung des Hauptprojektes notwendig waren: a) Entwicklung einer Organisationsstruktur. b) Identifikation und Einbeziehung übergeordneter und lokaler Partner (Vorverhandlungen), die die Abwicklung vor Ort übernehmen (Vertreter der Landkreise, die jeweiligen Ansprechpartner für die betreffenden Gebiete, Naturschutzverbände u. a.). c) Bundesweite Recherche von Flächen mit schutzwürdigen Ackerwildkraut-Restpopulationen, die sich als Schutzäcker eignen. Bundesweite Umfrage zu existierenden Feldflorareservaten, deren Trägern und Bewirtschaftung. d) Erarbeitung von Finanzierungsmodellen für die Umsetzung im Hauptvorhaben und für die Verstetigung darüber hinaus, um langfristig die Finanzierung und Bewirtschaftung der Schutzäcker sicherzustellen. e) Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen des Projektes (Informationsblätter, Werbung, Website). f) Entwicklung eines Konzeptes zur Abwicklung vor Ort. g) Erarbeitung der Struktur für die Realisierung des Hauptprojektes. h) Expertenaustausch zum Aufbau einer Netzwerkstruktur durch Tagungen (5.-7.07.07 in Witzenhausen) und Workshops (6.-7.09.07 in Würzburg u. a.).
Ergebnisse und Diskussion
Recherchen zum Status Quo des Ackerwildkrautschutzes in Deutschland
Zur Evaluierung der derzeitigen Schutzbemühungen für die Segetalflora in Deutschland wurde zu Beginn des Projekts eine Erfassung mittels einer Fragebogenaktion durchgeführt. Die Fragebögen wurden gezielt an Institutionen oder Personen (Untere Naturschutzbehörden der Landkreise, Landschaftspflegeverbände, Naturschutzvereine, Freilichtmuseen) versendet, die sich um einen flächenhaften Schutz der Segetalflora bemühen. Neben allgemeinen Angaben zu Standort, vorkommenden Arten auf der Schutzfläche und Aktivitäten zur Öffentlichkeitsarbeit standen Fragen zur Bewirtschaftung und Finanzierung im Mittelpunkt der Erfassung. Bei insgesamt 127 versendeten Fragebögen wurden 85 komplett und teilweise ausgefüllte Bögen bearbeitet und konnten zur weiteren Auswertung herangezogen werden, was einer Rücklaufquote von 67 % entspricht (vgl. MEYER et al. 2008).
Aus der Fragebogenauswertung sowie weiterführenden Literaturrecherchen konnten mehr als 170 Standorte lokalisiert werden, die dem flächenhaften Schutz der Segetalflora in Deutschland dienen oder dienten. Als Hot spots des Ackerwildkrautschutzes in Deutschland gelten demnach die Gegend um Hannover, die Nieder- und Oberlausitz, Mitteldeutschland, die Nordeifel, das Maingebiet, der Rheingraben, das Gebiet der Schwäbischen Alb sowie der Bayerische Wald. Ursachen für die räumliche Konzentration liegen zum einen im Vorkommen artenreicher Felder, nicht zuletzt aber auch im Vorhandensein aktiver Vereine oder Einzelpersonen, die sich um den Schutz seltener Ackerwildkräuter bemühen.
Bemerkenswert ist, dass 54 % der Befragten (n = 79) bisher nicht im Erfahrungsaustausch mit Betreibern von anderen Schutzackerinitiativen stehen, jedoch äußern 95 % (n = 75) ihr Interesse daran, an einem bundesweiten Netzwerk zum Ackerwildkrautschutz mitzuwirken. Sie versprechen sich davon eine bessere Öffentlichkeitsarbeit, eine Stärkung des Stellenwertes des Ackerwildkrautschutzes, Kontakte und Anregungen und eine überregionale Vernetzung mit Effekten für den praktischen Naturschutz. Der derzeitige Beitrag von Schutzäckern für einen wirksamen Ackerwildkrautschutz wird größtenteils als sehr wichtig, aber als bisher unzureichend durch viel zu wenige und zu kleine Flächen eingeschätzt. Insgesamt gewinnen Schutzflächenkonzepte für die Mehrzahl der Befragten zunehmend an Bedeutung, da die derzeitigen Ackerrandstreifenprogramme als zu unflexibel eingeschätzt werden und daher für Landwirte kaum einen Anreiz zur Mitarbeit bieten. Steigende Getreidepreise bewirken, dass die Akzeptanz für eine fünfjährige Bindung an ein Agrarumweltprogramm sinkt, zudem mit Vergütungen, die sich auf Getreidepreise des Vorjahres beziehen. In zahlreichen ausgefüllten Fragenbögen wird auf die fehlende langfristige finanzielle Sicherung der Bewirtschaftung auf der Schutzfläche hingewiesen.
Bundesweite Recherche geeigneter Schutzacker-Flächen und von Kooperationspartnern vor Ort
Im Rahmen der Untersuchungen haben die Regionalkoordinatoren in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen artenreiche Flächen und wertvolle Standorte in Hinblick auf das Projektziel 100 Äcker für die Vielfalt recherchiert. Zur Einschätzung der Wertigkeit der Flächen wurden Begehungen durchgeführt, um Arteninventar, Standortbedingungen und Wirtschaftsweise etc. zu erfassen. Hierzu wurde eine spezielle Datenbank-Maske entwickelt, durch die die Informationen einheitlich erhoben und festgehalten werden. Hier wurden Kategorien mit Standortinformationen (Bodenfaktoren, Lage der Fläche, Flächengröße etc.), Arteninventar, Bewirtschaftungsinformationen (Wirtschaftsweise, aktuelle Form der Nutzung
), Schutzstatus und personenbezogene Daten (Besitzer, Pächter, Kontaktperson etc.) katalogisiert. Derzeit liegen Informationen über ca. 60 Initiativen und ca. 600 Flächen vor.
Möglichkeiten zur Finanzierung von Schutzäckern
Von Dezember 2007 bis März 2008 wurden Gesprächstermine mit den Naturschutz- bzw. Agrarverwaltungen sämtlicher deutscher Flächenländer durchgeführt. Das Projekt und seine Ziele wurden dabei von Wolfram Güthler, Stefan Meyer und Thomas van Elsen vorgestellt und gemeinsam Möglichkeiten der Finanzierung von Schutzäckern diskutiert.
Die im Zwischenbericht enthaltene Auswertung von Wolfram Güthler beruht zum einen auf Gesprächsergebnissen dieser Ländertermine, zum anderen auf Auswertungen verfügbarer schriftlicher Quellen. Im Rahmen der Studie wird aufgezeigt, welche Möglichkeiten bestehen, um Ackerschutzgebiete zu finan-zieren. Dabei werden folgende Aspekte betrachtet:
Kosten für eine ackerwildkrautgerechte Bewirtschaftung der Flächen (z. B. Bestellung der Fläche ohne Einsatz von Pestiziden und Dünger),
Kosten für die Errichtung der Ackerschutzgebiete (z. B. Beschilderung der Fläche, Ermittlung der Eigentümer, Abstimmung der Pflegemaßnahmen, Grunderwerb und langjährige Pacht),
kontinuierliche Betreuung der Fläche und der Pflegemaßnahmen inkl. Monitoring und Öffentlichkeitsarbeit.
Die Studie untersucht dabei die Förderoptionen von EU, Bund und Ländern. Die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen wurden nicht berücksichtigt, da sie aus bundesweiter Perspektive für den Schutz der Ackerwildkräuter von eher untergeordneter Bedeutung sind.
Die Auswertung untersucht dabei folgende Förderoptionen:
Erste Säule der EU-Agrarpolitik
Agrarumweltprogramme
Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete
Maßnahmen zum Erhalt des ländlichen Erbes
Integrierte ländliche Entwicklung
Fördermöglichkeiten über die Europäischen Strukturfonds
Fördermöglichkeiten über die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung
Fördermöglichkeiten über Stiftungen
Fördermöglichkeiten über Lottomittel
Fördermöglichkeiten über Spenden und Sponsoring.
Bei allen Förderoptionen wird sowohl die aktuelle Relevanz dargestellt, als auch versucht, eine Einschätzung der zukünftigen Möglichkeiten zu geben. Dies erscheint von besonderer Bedeutung, da bei einer auf Jahrzehnte ausgelegten Perspektive für die Ackerschutzgebiete auch längerfristige Entwicklungen mit bedacht werden müssen - auch wenn hier die Einschätzungen zwangsläufig spekulativen Charakter haben müssen. Weiter wird in der Auswertung zusammengefasst, welche Förderoptionen bei dem jeweiligen Bundesland eine realistische Rolle bei der Umsetzung spielen. Dies soll insbesondere die praktische Etablierung des Schutzackersystems unterstützen. Im Zwischenbericht beigefügt sind die abgestimmten Ergebnisvermerke über die Gespräche mit den Vertretern der Bundesländer.
Allgemein wurde eine große Bereitschaft zur Zusammenarbeit auf Länderebene und vor Ort vorgefunden, aber auch bisher für den Ackerwildkrautschutz nicht oder kaum genutzte Finanzierungsinstrumente identifiziert. Beides stellt eine ausgezeichnete Grundlage für eine langfristige Sicherung geeigneter Schutzäcker für den Schutz von Ackerwildkräutern dar, nachdem fast alle bisherigen Bemühungen zum Schutz der Ackerwildkräuter bisher kaum Erfolg hatten.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Eine Vielzahl an Aktivitäten diente der Öffentlichkeitsarbeit im Projekt. Dazu gehörten eine Pressemitteilung zum Auftakt, die Erstellung eines Projektflyers, Vorträge und Publikationen der Projektbeteiligten, die Durchführung eines Experten-Workshops in Würzburg, die Mitveranstaltung der Exkursionstagungen zu neuen Initiativen im Ackerwildkrautschutz im Juli 2007 in Witzenhausen und im Juni 2008 in Schlangenbad/Taunus, die Erstellung eines Leitfadens zum Ackerwildkrautschutz auf Schutzäckern, der ebenso wie das Karlstadter Positionspapier zum Ackerwildkrautschutz als Download für Interessenten verfügbar ist und die Einrichtung eines Newsletters. Durch zahlreiche Gespräche und Telefonate wurden bundesweit Interessenten erreicht und informiert.
Auf der Projekt-Website www.schutzaecker.de wurden Informationen zum Aufbau des Netzwerkes für Ackerwildkräuter bereitgestellt und laufend aktualisiert. Die Seite dient dem Informationsaustausch und der Vernetzung der Akteure. Sie informiert über künftige Veranstaltungen, über bereits durchgeführte Termine werden zusammenfassend Informationen zur Verfügung gestellt. Weiterhin sind verschiedene Dateien zum Download verfügbar, wie das Karlstadter Positionspapier oder ein Leitfaden für die Bewirt-schaftung von Schutzäckern. Zusätzlich beinhaltet die Website Informationen über den Verlauf des Projektes 100 Äcker für die Vielfalt, über Ackerwildkräuter und deren Gefährdung, die Funktion und Entwicklung von Schutzäckern sowie die bundesweite Befragung von Initiativen und Einzelpersonen.
Fazit
Als Ergebnis der Vorstudie kann festgehalten werden, dass sowohl die noch vorhandenen Reste an Ackerwildkrautbeständen als auch die Instrumente und Kooperationspartner es als realistisch erschei-nen lassen, dass ein Netz an Schutzäckern in Deutschland errichtet werden kann. Erste Schutzackerflächen werden bereits in einigen Modellregionen (Landkreis Kelheim, Saarland) eingeführt, einige Länder bemühen sich derzeit, angeregt durch die Gespräche, um die Verbesserung ihrer Instrumente (z.B. Bay-ern und Schleswig-Holstein).
Als Schutzacker soll im Projekt künftig eine Fläche bezeichnet werden, deren aus botanischer Sicht herausragendes Arteninventar langfristig durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen oder rechtli-che Sicherheiten geschützt wird. Gleichwertig ist es, wenn sich eine Fläche im Eigentum von Naturschutzakteuren befindet. Eine dem Erhalt schutzwürdiger Ackerwildkräuter förderliche Bewirtschaftung soll sichergestellt werden. Die Betreuung durch einen Ansprechpartner vor Ort (etwa Landschaftspflege- oder Naturschutzverband) soll gegeben sein. Ein Instrumenten-Mix aus Agrarumweltprogrammen, Mitteln aus der Eingriffs-Ausgleichs-Regelung, spezifischen Instrumenten der Länder für Ankauf und Management von Flächen u. a. soll dem übergreifenden Ziel dienen, die Flächen und deren an den Bedürfnis-sen der Zielarten angepasste Bewirtschaftung langfristig zu sichern.
Literatur
Meyer, S., Leuschner, C., van Elsen, T. (2008): Schutzäcker für die Segetalflora in Deutschland - Bestandsanalyse und neue Impulse durch das Projekt Biodiversität in der Agrarlandschaft. - Journal of Plant Diseases and Protection, Special Issue XXI: 363-368, ISSN 1861-4051, Stuttgart.
Fördersumme
124.989,00 €
Förderzeitraum
21.05.2007 - 20.11.2008
Bundesland
Niedersachsen
Schlagwörter