Förderung der Mulchsaat durch Entwicklung und Erprobung einer Sensor- und Verfahrenskombination zur Präzisionsbodenbearbeitung
Projektdurchführung
Universität Kassel
FG Agrartechnik
Nordbahnhofstr. 1 a
37213 Witzenhausen
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Die weltweit beobachtbare Erodierung und Degradierung der Ackerböden ist u. a. auf den intensiven, tiefreichenden und wendenden Werkzeugeingriff (Pflügen) zurückzuführen. Um dieser Entwicklung zu begegnen, kommen insbesondere in stark erosionsgefährdeten Gebieten zunehmend Mulchsaatverfahren zum Einsatz. Gleichwohl wächst die Akzeptanz der Mulchsaat in der Praxis nur zögerlich, was in dem noch ungelösten Problem geringerer Ertragssicherheit gegenüber dem Pflugverfahren aufgrund störender Einflüsse des Strohmulchs und deutlich höherer Anforderungen an das Verfahrensmanagement begründet liegt. Ziel des Vorhabens ist daher eine sensor- und informationsgesteuerte Präzisionsbodenbearbeitung, durch welche ein Ackerschlag unter Berücksichtigung der teilflächenspezifisch vorhandenen Mulch-Bedeckung und Bodenart so zur Aussaat vorbereitet werden kann, dass auf der gesamten Fläche ein ausreichender Feldaufgang bei gleichzeitig maximal möglichem Bodenschutz erzielt wird.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenEine teilflächenspezifische Anpassung der Bearbeitungstiefe soll durch eine Kombination aus dem sog. On- und Offline-Verfahren ermöglicht werden. Die Agrartechnik Witzenhausen entwickelt ein Kamerasensorsystem, welches online während der Feldüberfahrt den Mulch-Bedeckungsgrad des Bodens misst; die Kieler Projektpartner (ILV und FH-Kiel) stellen offline die benötigten teilflächenspezifischen Bodendaten bereit. Darauf aufbauend werden von den Instituten gemeinsam geplante Mulchsaatversuche durchgeführt, um die Abhängigkeit der Zielgrößen Bodenschutz und Feldaufgang von den Parametern Strohbedeckung, Bodenart und Bearbeitungstiefe zu ermitteln. Die Ergebnisse werden in einem Bearbeitungsalgorithmus zusammengeführt, welcher die Umsetzung der Eingangsdaten in belastbare quantitative Ausgangswerte (Vorgabe der Arbeitstiefe) ermöglicht. Der Kooperationspartner Amazone stellt einen Mulchgrubber mit elektronisch ansteuerbarer Arbeitstiefenverstellung als Versuchsgerät zur Verfügung, betreut den Einsatz und nimmt notwendige Umbauten vor. Die für eine Adaption des Re-gelalgorithmus auf den Grubber bzw. Versuchsschlepper benötigte Elektronik/Sensorik wird von einer am ILV bereits entwickelten Version ausgehend an die Projekterfordernisse angepasst. Im letzten Versuchsjahr wird ein Prototyp des neu entwickelten Präzisionsbodenbearbeitungssystems auf ausgewählten Praxisbetrieben zum Einsatz kommen. Die wissenschaftliche Begleitung des Praxiseinsatzes soll Aufschluss bezüglich des Potentials des Systems zur angestrebten Akzeptanzsteigerung von Mulchsaatverfahren liefern.
Ergebnisse und Diskussion
Ein zentrales Ergebnis der dreijährigen Feldversuche besteht darin, dass auch bei konservierender Bodenbearbeitung häufig noch tiefer als notwendig in den Boden eingegriffen wird. Im Exaktversuch der Universität Kassel konnten in allen Versuchsjahren auch bei der höchsten Strohmengenvariante von 80 dt/ha keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Feldaufgangs und Ertrags zwischen flacher (5-7 cm) und tiefer (15 cm) Grubberbearbeitung gefunden werden. Analog wurden in dem Versuch der Universität Kiel keine signifikanten Feldaufgangs- und Ertragsunterschiede zwischen der Gesamtheit der Teilflächen mit hoher und niedriger Strohbedeckung (gemäß Online-Kamerasensor) gefunden, unabhängig von flacher (10 cm) bzw. tiefer (18 cm) Bearbeitung. - Dies bestätigt nicht nur die Projekt-Arbeitshypothese, dass aus Sorge vor zu hohen Strohmengen praxisüblich eine oft partiell zu tiefe Bearbeitung erfolgt, sondern deutet darauf hin, dass die Schadschwelle für negative Stroheffekte höher liegt als in der Literatur angegeben. In der Literatur finden sich bislang unklare Angaben für eine solche mengenbezogene Schadschwelle, insgesamt ist die verfügbare Datenlage dürftig. Darüber hinaus ließ sich aus den Kieler Versuchen nicht die erwartete Ertragsverbesserung bei tiefer gegenüber flacher Bearbeitung der sandigen Teilflächen des Versuchsschlages ableiten. Aufgrund der neuentwickelten Informationssysteme stellt das Projekt die bisher umfangreichste Untersuchung der Abhängigkeit pflanzenbaulicher Zielgrößen von Strohbedeckung und Bodentextur dar. Die Ergebnisse legen den Schluss nah, dass in Mulchsaatsystemen eine generell flache Bearbeitung (? 10 cm) ohne signifikante Einbußen möglich ist. Da die bodenphysikalischen und -biologischen Effekte einer sehr flachen Bearbeitung von 5-7 cm bereits annähernd denjenigen einer Direktsaat vergleichbar sind, können Mulchsaatsysteme daher ähnlich effektiv in Bezug auf Boden- und Klimaschutz wirken wie eine Direktsaat (Werte im Vergleich zum Pflugverfahren): Verringerung des Oberflächenabflusses und damit auch der Bodenerosion um ?70%, Verringerung des Herbizidaustrags um ca. 70%, des Nitrataustrags um >85%, der Sedimentverfrachtung um > 90%, Zuwachsdifferenz an organischem Kohlenstoff von 0,5 - 0,77 t/ha/Jahr und damit Verringe-rung des CO2-Emissionsvolumens um 1,9 - 2,8 t/ha/Jahr. Hinzu kommt eine drastische Verringerung des Kraftstoffverbrauchs, welche nochmals deutlich über dem Einsparpotential praxisüblicher konservierender Bodenbearbeitung anzusetzen ist. Die im Projekt großflächig durchgeführten Kartierungen mit dem EM38-Bodensensor haben die Abhängigkeit der pflanzlichen Entwicklung bis hin zum Ertrag von den Bodenleitfähigkeiten und den damit verbundenen Bodeneigenschaften wie Textur und Wassergehalt deutlich gemacht. Diese wichtige Erkenntnis sollte in der teilflächenspezifischen Landwirtschaft auch im Hinblick auf weitere Verfahren wie Düngung, Kalkung, Aussaat und Pflanzenschutz mehr berücksichtigt werden, um effizienter bei gleichzeitig geringeren Austrägen von Agrarchemikalien und Nährstoffen wirtschaften zu können. - Die angestrebte automatisierte Bodenbearbeitung mit einem von Strohbedeckung und Bodentextur abhängigen Tiefenregelungs-Algorithmus konnte umgesetzt und auf einem Praxisbe-trieb eingesetzt werden. Dabei wurden praxisübliche Annahmen verwendet, bei welcher Bodenbedeckung bzw. -textur eine flache/tiefe Bearbeitung nötig bzw. sinnvoll ist.
Die Projektpartner beabsichtigen, die Arbeiten auch über die Laufzeit des Vorhabens hinaus weiter zu führen und insbesondere die Praxiseinführung der Mulchsaat zu fördern.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Präsentation des Projektes auf der Agritechnica 2007 und 2009; Vorstellung auf Tagungen/Konferenzen: 4. Workshop Precision Farming (2007); Präziser Landbau/Precision Farming im Dienst für Landwirtschaft und Umwelt, Juni 2007; ASABE AIM, Providence, Rhode Island (USA, 2008); VDI-Tagung Land, Technik, 2008; 10. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau in Zürich, 2009; 59. Öffentliche Hochschultagung der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der CAU, 2009; Beratertagung für Ökolandbauberater in Bad Gandersheim, 2009; Vortrag im Workshop des DFG Graduiertenkollegs Regulation of soil organic matter and nutrient turn over in agriculture, 12.11.2009; Artikel: Landtechnik 01/2011 (in Druck); Ackerplus 9/2010, S.6-12; Biosystems Engineering Vol. 106(3), July 2010, 260-267; Neue Landwirtschaft 2/2010, S. 57-61; Präsentation auf mehreren Feldtagen und Praktikerschulungen; Zwei abgeschlossene Dissertationen an der Universität Kassel sowie eine laufende an der Universität Kiel.
Fazit
Die Ergebnisse des Projektes haben gezeigt, dass auch eine großflächig flache Bodenlockerung bei fachgerechter Durchführung nicht zu nachteiligen Ertragseffekten führt. Da in der Praxis bei konservierender (pflugloser) Bearbeitung häufig Arbeitstiefen > 20 cm betriebsüblich sind, wird eine durchgängig sehr flache Bearbeitung bei vielen Betriebsleitern aber aus psychologischen Gründen voraussichtlich nicht auf Akzeptanz stoßen. Hier kann die im Rahmen des vorliegenden Projektes entwickelte teilflächenspezifische Bodenbearbeitung an die Stelle einer ganzflächig tiefen Bearbeitung treten und damit auch skeptischen Landwirten eine Lösung des Problems angeboten werden.
Fördersumme
497.720,00 €
Förderzeitraum
01.03.2007 - 31.08.2010
Bundesland
Bundesrepublik Deutschland
Schlagwörter
Bundesrepublik Deutschland
Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung