Entwicklung und praktische Umsetzung naturschutzfachlicher Mindestanforderungen an einen Herkunftsnachweis für gebietseigenes Wildpflanzensaatgut krautiger Pflanzen
Projektdurchführung
Leibniz Universität HannoverInstitut für Umweltplanung
Herrenhäuser Str. 2
30419 Hannover
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Im Zuge von Begrünungs- und Pflanzmaßnahmen in der freien Landschaft werden überwiegend Gehölze, Gräser und Kräuter fremder bzw. unbekannter Herkunft verwendet. Dies hat erhebliche negative Konsequenzen für die genetische Variabilität und Vielfalt unserer einheimischen Flora. Die Ausbringung solchen Saat- und Pflanzguts (außer z. B. im Futterbau) in die freie Landschaft widerspricht zudem den Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes. Die Anbieter von Wildpflanzensaatgut präsentieren sich - trotz einiger Fortschritte, gerade im Bereich der einheimischen Gehölze (z. B. Bayern, Baden-Württemberg und Brandenburg) - bundesweit äußerst uneinheitlich in ihren Herkunftsdefinitionen und nachweisen, der Auswahl geeigneter Arten, der Entwicklung von Ernte- und Anbauregelungen und der praktischen Qualitätssicherung eines Herkunftsnachweises nach naturschutzfachlichen bzw. reproduktionsbiologischen Mindesterfordernissen.
Dies führt zu einer für die Abnehmer des Pflanzenmaterials unsicheren Situation, welche die Marktchancen der Wildpflanzenanbieter stark beeinträchtigt.
Gesamtziel des Projekts war es, die bisherigen Bestrebungen zur Entwicklung eines naturschutzverträglichen Mindeststandards zum Herkunftsnachweis für gebietsheimisches Saat- und Pflanzgut wissenschaftlich zu unterstützen, umsetzungsorientierte Lösungen bzw. Empfehlungen zu erarbeiten, die weitere Arbeit professionell zu koordinieren und für alle Beteiligten akzeptabel zu vollenden. Im Mittelpunkt des Vorhabens stand dabei die Erarbeitung der theoretischen und praktischen Grundlagen zur Entwicklung, Definition und Absicherung einer naturschutzverträglichen Produktion von Wildpflanzen für den Einsatz in der freien Landschaft.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenAbstimmung der Herkunftsregionen und Entwicklung eines GIS basierten Map Viewers
In einem ersten Arbeitsschritt wurden im Rahmen von Workshops mit regionalen Fachexperten und Landesfachbehördenvertretern sowie den Vertretern des Forstbereichs des Bundessortenamts 22 Herkunftsregionen erarbeitet. Die entstandene Karte wurde in ArcGIS aufgearbeitet und in einen über das WWW zugänglichen Kartendienst übernommen.
Erzeugung von Listen der als Regiosaat- oder Pflanzgut geeigneten Arten
Auf Basis der Herkunftsregionen wurden regionalisierte Positiv- und Negativartenlisten für das gesamte Bundesgebiet erarbeitet und mit Experten der Bundesländer bzw. für einzelne Artengruppen abgestimmt. Als Ergebnis liegt eine benutzerfreundliche EDV-Oberfläche (formularbasiert) vor (www.regionalisierte-pflanzenproduktion.de).
Erarbeitung von nachhaltigen Sammelstrategien, Ernteprotokollen und Bestandsbewertungskriterien
Basierend auf einer kritischen Auswertung der Literatur und dem Austausch mit Experten auf dem Gebiet des Pflanzenabbaus und der Genetik wurde ein Regelwerk erarbeitet, welches für die krautigen einheimischen Farn- und Gefäßpflanzen Strategien aufzeigt, welche die Erhaltung einer möglichst hohen genetischen Variation im Rahmen der Beerntung gebietsheimischer Pflanzenbestände unter gleichzeitiger Sicherung der Ausgangspopulationen (z. B. Minimum- und Maximum-Erntemengen und Mindestanzahl der zu beerntenden Individuen unter Berücksichtigung der Ernterhythmen) ermöglicht. Für Massensaat- und pflanzgut wurden plausible Bewertungskriterien festgelegt, die das Risiko einer Beerntung von Beständen unbekannter Herkunft zumindest minimieren.
Strategien zum Nachbau unter Berücksichtigung des Erhalts der genetischen Variabilität
Dies erfolgte über
1. Literaturrecherchen - Zusammenstellung bereits bekannter Informationen zur genetischen Variabilität von krautigen Wildpflanzen und zum Einfluss des Anbaus auf diese Variabilität.
2. Beschreibung der genetischen Variabilität von Gefäßpflanzenarten und Klassifizierung
3. Beschreibung der genetischen Erosion unter Selektionsdruck
4. Entwicklung von Maßzahlen (Richtwerten)unter Einbeziehung von Literaturdaten und Expertenwissen
Basierend auf diesen Daten wurde die Anzahl der Generationen bestimmt, die im Nachbau akzeptabel produzierbar sind, ohne dass es zu einem drastischen Verlust der genetischen Variabilität kommt. Die abgeleiteten Richtwerte wurden Bestandteil der Anbaurichtlinien zur Produktion von gebietsheimischen Wildpflanzen.
Expertise zur Eignung von Isotopenanalyse und genetischen Untersuchungen für einen Herkunftsnachweis
Eine Zertifizierung der Herkunft von Pflanzenmaterial ist nur sinnvoll, wenn es möglich ist, die Herkunft im Zweifelsfalle auch zu überprüfen. Hier wurden die Eignung und der finanzielle Aufwand für genetische Analysen und die Isopenanalyse untersucht. Im Detail wurden hierzu betrachtet:
1. Genetische Markersysteme zur Kontrolle lokaler Herkünfte
Die zur Verfügung stehenden Methoden wurden kurz dargestellt und auf ihre Fähigkeit Arten, Varietäten, Herkünfte oder Individuen zu identifizieren charakterisiert. Für spezifische Methoden, die für einzelne Arten entwickelt werden müssen (z. B. Mikrosatelliten) wurde eine Liste von Pflanzenarten erstellt, für die solche Markersysteme bereits vorliegen.
2. Notwendige Rahmenbedingungen eines Zertifizierungssystems unter Einbeziehung genetischer Analysen und sich daraus ergebende Kosten
Hier werden Struktur und Inhalte einer Referenzdatenbank, die georeferenzierte Proben und deren genetische Ausstattung enthält (genetische Karte), vorgestellt sowie Verfahren der Herkunftskontrolle einschließlich möglicher Probleme und nötiger Maßnahmen in Anbau-/Vermehrungsbetrieben erarbeitet und geeignete genetische Markersysteme benannt.
Für geeignete Markersysteme (z. B. genetischer Fingerprint mit Mikrosatelliten-Analyse) wurde ermittelt, welche Kosten in einem solchen Kontrollsystem auftreten.
3. Möglichkeiten des Nachweises des Vermehrungs-/Anbauorts über die Isotopenanalyse
Wie im Falle der genetischen Herkunftszuordnung kann ein solcher Nachweis nur auf Grundlage einer Referenzdatenbank geführt werden. In dieser müssten die Element/Isotopen-Gehalte flächenhaft oder punktgenau und Pflanzenarten-spezifisch erfasst sein.
Ergebnisse und Diskussion
- Es ist im Rahmen dieses Projekts gelungen, eine mit den Fachabteilungen der zuständigen Behörden der Bundesländer abgestimmte und bundeseinheitliche Gliederung Deutschland in 22 Herkunftsregionen zu erarbeiten. Diese Gliederung ist für Produzenten und Anwender im Internet über einen eigens entwickelten GIS-basierten Map Viewer zugänglich gemacht worden.
- Für jede der 22 Herkunftsregionen wurde eine nachvollziehbare Liste der als Regiosaat- und Regiopflanzgut geeigneten Arten erarbeitet. Die Listen wurden der Öffentlichkeit ebenfalls über das Internet zur Verfügung gestellt.
- Es wurden nachhaltige Sammelstrategien entwickelt, die es ermöglichen, geeignete Erntebestände zu identifizieren und die Beerntung so durchzuführen, dass die Ausgangsbestände erhalten bleiben.
- Strategien zum Nachbau unter Berücksichtigung des Erhalts der genetischen Variabilität wurden entwickelt.
- Die Expertise zur Eignung der Isotopenanalyse und genetischer Untersuchungen für einen Herkunftsnachweis hat gezeigt, dass diese derzeit nur bedingt und unter großem finanziellem Aufwand geeignet sind.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Das Projekt und seine Ergebnisse wurden anlässlich zahlreicher Veranstaltung mit Produzenten, Behördenvertretern und Naturschützern präsentiert (eine detaillierte Aufstellung enthält der Abschlußbericht).
Fazit
Es steht nunmehr eine bundeseinheitliche Grundlage zur Berücksichtigung der Herkunft als Qualitätskriterium für Saat- und Pflanzgut zur Verfügung. Die notwendigen Informationen stehen den Produzenten und den Anwendern im Internet frei zur Verfügung. Mit diesem Internetauftritt gibt es derzeit noch leichte technische Probleme, die wir nach und nach mit studentischen Hilfskräften beheben, da keine Finanzmittel mehr zur Verfügung stehen. Auch noch vorhandene inhaltliche Unrichtigkeiten (insbesondere Übertragungsprobleme bei der Korrektur der Listen geeigneter Arten) werden ebenfalls im Laufe der Zeit korrigiert. Hierzu sind Hinweise auf noch vorhandene Fehler von Seiten der Nutzer notwendig und erwünscht. Ob das nunmehr implementierte Regiosaatgut- und Regiopflanzgutkonzept sich durchsetzt, hängt jetzt vor allem von der Nachfrage der Anwender (insbesondere der Naturschutz- und Straßenbaubehörden) ab.
Fördersumme
116.791,00 €
Förderzeitraum
01.01.2008 - 30.04.2010
Bundesland
Niedersachsen
Schlagwörter