Projekt 23860/01

1. Projektphase: Bau eines einfachen Membranfiltrationsgerätes (Prototyp) zur Aufbereitung von Trinkwasser aus Oberflächenwasser für kleine Personengruppen in Notsituationen ohne Fremdenergie

Projektdurchführung

Universität Kassel Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft
Kurt-Wolters-Str. 3
34125 Kassel

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Laut Welt-Wasser-Entwicklungsbericht der UNESCO ist in vielen Teilen der Welt die Versorgung mit Trinkwasser in ausreichender Qualität und Quantität sehr problematisch. Verstärkt wird dieser Zustand durch Naturkatastrophen, die in ihrer Häufigkeit und Intensität zunehmen. Die üblicherweise eingesetzten mobilen Trinkwasseraufbereitungsanlagen zur Versorgung meist mehrerer tausend Personen z. B. in Auffanglagern zeichnen sich durch einen hohen Technisierungsgrad sowie entsprechenden Personal-, Energie- und Zusatzstoffbedarf aus. Um im Katastrophenfall schneller helfen zu können und auch entlegene Gebiete zu erreichen, wurde im Projekt eine ergänzende Entwicklung einfacher Wasserfilter zur temporären Versorgung für typische Dorfgrößen mit 50 bis 200 Personen angestrebt. Dabei standen die Entfernung von Trübstoffen und die Hygienisierung im Vordergrund. Der mechanische Aufbau, Transport, Inbetriebnahme und Betrieb sollten sehr einfach sein, um diese Anlage zu einem zuverlässigen Hilfsmit-tel zur Selbsthilfe in einem Katastrophenszenario zu machen. Mit dem Bau einer Pilot- bzw. Demonst-rationsanlage sollte die Entwicklung einer serienreifen Anlage initiiert werden, die in Katastrophenfällen zum Einsatz kommen könnte.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenZur Auswahl des Membrantyps wurden verschiedene Membranmodule unterschiedlicher Hersteller auf ihre hydraulische und stoffliche Leistungsfähigkeit hin untersucht. In Abhängigkeit des zu verwendenden Membrantyps wurden verschiedene Verfahren zur Fluidförderung und Deckschichtkontrolle erprobt.
Die Fertigung der Pilotanlage sollte überwiegend aus bereits heute auf dem Markt beziehbaren Systemkomponenten erfolgen. Entscheidend ist hierbei die Einsatz- und Kombinationsfähigkeit einzelner Komponenten wie Membranmodulen, Behältnissen, Schlauch- und Steckverbindungen, Förderaggregaten, etc. Dazu wurden verschiedene Komponententypen beschafft oder gebaut und erprobt, um die günstigste Kombination in Abhängigkeit der gewählten Verfahrenstechnik zu finden. Der Betrieb sollte ohne Pumpen, Energie und Chemikalien und ohne geschultes Fachpersonal möglich sein.
Um die Bedienung ohne Einweisung und ohne Sprachkenntnisse zu ermöglichen, wurden parallel zum Pilotanlagenbau Piktogramme erstellt und ständig dem Fortschritt der Anlagenentwicklung angepasst.
Das Projekt sollte mit einer Abgrenzung zum derzeitigen Stand der Technik und Hinweisen zu den bis zur Serienreife noch nötigen Forschungs- und Entwicklungsschritten enden.


Ergebnisse und Diskussion

In Rahmen dieses Projektes wurde eine Pilotanlage zur Trinkwasseraufbereitung von Oberflächenwasser für die Grundversorgung von Gruppen mit 50 bis 200 Personen in Notsituationen entwickelt und gebaut. Den verfahrenstechnischen Kern bildet eine gravimetrisch betriebene Mikrofiltrationsmembran mit 6 m2 effektiver Filterfläche in Verbindung mit einer vorgeschalteten Grobstoffabtrennung. Dadurch werden der Rückhalt von Feststoffen und der weitestgehende Rückhalt von Bakterien und Viren realisiert.
Entstanden sind zwei Pilotanlagen, deren Bauhöhe und Füllhöhe durch unterschiedliche Aufsätze variiert werden können, was zu unterschiedlichen hydraulischen Leistungen führt. Eine der Anlagen ist transparent ausgebildet. Sie dient als Demonstrationsobjekt und kann für die Durchführung von Strömungsversuchen herangezogen werden, während die andere Anlage aus stärkerem PVC-Plattenmaterial die Grundlage für zukünftige Feldversuche schafft.
Der Verzicht auf bewegliche Teile, Pumpen und Fremdenergie und ein extrem einfacher Betrieb zeichnen die Anlage aus. Fachpersonal wird bei der Aufstellung und dem Betrieb nicht benötigt. Dies bildet die Grundlage für die schnelle Anwendung im Notfall: Die Hilfsbedürftigen müssen für eine Übergangszeit von wenigen Tagen - bis eine geregelte Versorgung hergestellt ist - ihr Trinkwasser selber aufbereiten. Parallel zum Anlagenbau wurden Piktogramme entwickelt, die die Nutzung einfach und kulturell übergreifend erklären. Nahezu jeder Nutzer soll dadurch in die Lage versetzt werden, die Anlage richtig zu betreiben. Zudem ist ein Fehlbetrieb konstruktiv nahezu ausgeschlossen, die Anlage ist gekapselt, das Membranmodul durch eine Abdeckung vor Zugriffen geschützt. Sie wird beim Vor-Ort-Einsatz ohne Wartung, Zwischenabreinigung oder Funktionskontrolle im Dead-end-Filtrationsmodus betrieben. Mit zunehmender Betriebsdauer verblockt die Filtereinheit und die komplette Anlage muss gegebenenfalls getauscht werden, falls nach wie vor keine Alternative zur Trinkwasseraufbereitung geschaffen wurde. Die eingetauschte Filtereinheit kann für den nächsten Einsatz regeneriert werden. Der Anlageneinsatz könnte so die sehr aufwendige Verteilung von Wasser in Plastikflaschen zur Erstversorgung erübrigen.
Eine kompakte Bauweise ermöglicht es, dass für einen raumsparenden Transport sechs Anlagen auf einer Standardpalette gepackt werden können. Jede Anlage kann von einer Person getragen werden.
Die Pilotanlage ist für den Betrieb über mehrere Tage auch bei hoher Feststoffbelastung des zur Verfü-gung stehenden Rohwassers ausgelegt. Dazu wurden im Vorfeld des Pilotanlagenbaus Vorversuche unter Laborbedingungen durchgeführt, in denen verschiedene Membrantypen untersucht wurden. Zunächst in die Pilotanlage eingebaut wurde eine Markt verfügbare polymere Plattenmembran, die nach bisherigen Kenntnissen besonders geeignet erscheint. Das Anlagengehäuse ist jedoch so ausgebildet, dass auch andere oder großflächigere Membransysteme eingesetzt werden können.
Generell ist die Anlage modular aufgebaut und dadurch verfahrenstechnisch erweiterbar. Eventuellen Erweiterungsmöglichkeiten um eine Feststoffadsorption und eine zusätzliche chemische Desinfektion wurde durch bereits vorgesehene Freiräume und Halterungen im Anlagengehäuse Rechnung getragen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Pilotanlage wurde der Öffentlichkeit in einer Veranstaltung am 15.11.2006 in Kassel präsentiert. Dazu wurden Vertreter von Hilfsorganisationen, Anlagenbau, der Politik und der DBU eingeladen, um in einem anschließenden Fachgespräch das Projektergebnis zu diskutieren. Presseveröffentlichungen sind Ende 2006 erfolgt. Weitere Veröffentlichungen in einschlägigen Fachzeitschriften des Wasserfaches sind geplant.


Fazit

Die verfolgten Ziele konnten mit der gebauten Pilotanlage umgesetzt werden. Zukünftig soll das Anlagengehäuse derart weiterentwickelt werden, dass es auch einem Abwurf aus der Luft standhält. Außerdem wird in der weiteren Entwicklung das Gesamtgewicht der Anlage zu optimieren sein. Mit dem Bau der Pilotanlage sollte eine intensive Weiterentwicklung bis zur Serienreife der Anlage initiiert werden. Die weitere Entwicklungsarbeit wird hauptsächlich auf der Basis von Feldversuchen durchzuführen sein, eine (Vor-)Serienfertigung eröffnet auch kosten- und werkstoffseitig neue Möglichkeiten.
Die Perspektive besteht darin, dass zukünftig Serienanlagen von nationalen und internationalen Hilfsorganisationen, nichtstaatlichen wie auch staatlichen Stellen für den kurzfristigen breiten Einsatz in Katast-rophenfällen vorgehalten werden.

Übersicht

Fördersumme

20.000,00 €

Förderzeitraum

21.11.2005 - 21.05.2006

Bundesland

Hessen

Schlagwörter

Ressourcenschonung
Umwelttechnik