Projekt 23213/01

Sanierung der rückwärtigen Fassade der Schlosskirche Putbus auf Rügen unter Verwendung eines durch Klimamonitoring auf das ostseetypische Wechselklima optimierten Kalkputzes

Projektdurchführung

Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland (KiBa)
Herrenhäuser Str. 12
30419 Hannover

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Bei der Sanierung historischer Mauerwerke kommen in der Regel Verputze mit Festigkeiten über P Ia zur Anwendung, da Luftkalkmörteln eine unzureichende Witterungsresistenz unterstellt wird. Die Standzeit härterer Verputze auf weichen Mauerwerken ist aber durch Rißbildungen mit nachfolgenden, auch das Mauerwerk betreffenden Frostschäden eingeschränkt. Die Erneuerung zementhaltiger Putze ist nicht selten mit Beschädigungen des Mauerwerks verbunden. Neben diesen Problemen für die historische Bausubstanz ist auch die Herstellung zementärer bzw. hydraulischer Bindemittel energieintensiv. Ziel des Projektes sind deshalb die modellhafte Erfassung der spezifischen klimatischen Belastungen einer mit Luftkalkputz sanierten Fassade unter den Bedingungen kühl gemäßigten Wechselklimas der südlichen Ostseeküste, die Beurteilung der langfristigen Verträglichkeit von Putz- und Klimaparametern, sowie flan-kierender Maßnahmen zur Erhöhung der Standzeiten von Luftkalkmörteln in der Region.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Fassaden des rückwärtigen Anbaus der Schloßkirche zu Putbus wurden im Bestand saniert. Dabei wurden Putz- und Stuckergänzungen zur Erprobung der Witterungsfestigkeit in Luftkalkmörtel ausgeführt. Die Materialauswahl wurde zur Gewährleistung der Übertragbarkeit der Projektergebnisse auf marktgängige Fertigmörtel mit Prüfzeugnis eingeschränkt. Zur Vergleichbarkeit der unterschiedlich ausgerichteten und exponierten Bauteile wurde ein einheitlicher Putz- und Anstrichaufbau angestrebt. Zur Verbreiterung der aus der natürlichen Bewitterung erwarteten Erkenntnisse wurden darüber hinaus Arbeitsproben in zwei weiteren Kalkmörtelsystemen angelegt. Nach Abschluß der Putz- und Anstricharbeiten wurden die klimatischen Belastungen von drei unterschiedlich ausgerichteten Fassaden mit identischen Meßaufbauten untersucht. Dabei wurden Frost-Tau-Wechsel, Schlagregen und Tauwasser, Temperatur- und Feuchteschwankungen an den Oberflächen, sowie der Feuchtehaushalt des Putzes im Jahreszyklus simultan überwacht. Die für die Wechselwirkung an den Putzoberflächen relevanten Daten wurden hinsichtlich der zeitlichen und statistischen Verteilung, sowie periodischer Schwankungen ausgewertet. Da Ergebnisse der natürlichen Bewitterung der Arbeitsproben vor Ort im Projektzeitraum nicht zu erwarten waren, sollten die Klimadaten mit den Ergebnissen der Laboruntersuchungen aus dem Projekt Verarbeitungs- und Eigenschaftsanalyse der verwendeten Mörtel-Materialien bei der jüngsten Res-taurierung des Bremer Rathauses abgeglichen werden, bei dem parallel die gleichen Mörtel zum Einsatz kamen. Zum Projektabschluß lagen diese Ergebnisse jedoch nicht vor.


Ergebnisse und Diskussion

Das Klima im Projektzeitraum war einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von 12,5°C, 23 Frost- und 3 Eistagen verhältnismäßig mild, aber mit durchschnittlich 89,7 % relativer Feuchte extrem feucht. Selbst die Monatsmittel unterschreiten nur von April bis Juli die 80%-Grenze. An den Putzoberflächen kam es bei moderaten Temperaturschwankungen von maximal 48K/ Jahr bzw. 27K/ Tag zu extremen Schwankungen der relativen Feuchte von bis zu 90%rF/ Jahr bzw. 83%rF/ Tag. Sie sind eine Folge regelmäßig durchziehender atlantischer Tiefausläufer, sowie periodischer Wechsel zwischen maritim und kontinental beeinflußten Klimaperioden und stellen insbesondere bei latenter Belastung mit löslichen Salzen eine enorme Beanspruchung für poröse Baustoffe dar. Die Frost-Tau-WechseI Belastung war hingegen mit 26 registrierten Zyklen und einem mittleren Feuchtegehalt der Putze beim Erreichen des Gefrierpunktes von 2,7 bis 4,3 Volumenprozent relativ gering.
Während der Jahresgang und die mittlere relative Feuchte Klimadaten von Rügen und Usedom aus den Jahren 2002 bis 2006 entsprechen, liegen die mittlere Jahrestemperatur mehr als 3K über, Frost- und Eistage zwei Drittel unter dem langjährigen Durchschnitt am Standort Putbus.
Die Schlagregen- und Tauwasserbelastung der einzelnen Fassaden ist sowohl hinsichtlich der Jahressummen, als auch der monatlichen Verteilung sehr unterschiedlich. Dabei entspricht jährliche Schlagregendauer nur etwa 2,3% der Perioden mit Tauwasserbildung, von denen die Ostfassade mit insgesamt 2928 Stunden am stärksten betroffen ist. Während die Schlagregenmengen auf der Westseite gemessen wurden, sind Aussagen über die vom Putz kapillar aufgenommenen Tauwassermengen aufgrund der fließenden Übergänge von der sorptiven Feuchteaufnahme schwierig. Allerdings korreliert die Materialfeuchte während andauernder Betauung mit dem Grad der Übersättigung der Luft an der Oberfläche. Schlagregenereignisse spiegeln sich in sprunghaften Erhöhungen der Materialfeuchte wieder, die in der Regel jedoch innerhalb eines Tages auf den Ausgangswert zurückfällt. Das Regenwasser wird also vom Putz aufgenommen und relativ schnell wieder verdunstet bzw. an das Mauerwerk abgegeben.
Generell ist die größte Feuchtebelastung an der Ostfassade, die größte thermische Beanspruchung an der Westfassade festzustellen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die für die Instandsetzung der Fassaden gewählte Kombination von Putz- und Anstrichsystem auf die enorme Feuchtebelastung mit einem ausgeglichenen Feuchtehaushalt reagiert. Für hydrophobe bzw. kapillar inaktive Beschichtungen poröser Bauoberflächen besteht in der Region auch an massiven Fassaden ein hohes Risiko der mikrobiellen Besiedelung.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Der vorliegende Abschlußbericht wird über die Online-Datenbank hericare des Hornemann-Instituts des Fachbereichs Konservierung und Restaurierung der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen öffentlich zugänglich gemacht. Weitere Publikationen von Projektergebnissen, sowie deren Verbreitung auf Fachvorträgen sind vorgesehen. Der Verfasser wird im Rahmen seiner Tätigkeit im Baltic Sea Region Network on Indoor Climate in Churches Denkmalpflegeexperten, Denkmaleigentümer, sowie kleine und mittelständische Unternehmen aus dem Ostseeraum über die Projekterebnisse informieren. Er wird überdies die Erkenntnisse aus dem Projekt im Rahmen seiner Tätigkeiten im Technischen Komitee Erhaltung des kulturellen Erbes bei der Europäischen Normungsorganisation, sowie in der WTA Arbeitsgruppe 6.12 Klima und Klimastabilität in historischen Räumen bei der Erarbeitung von nationalen und Europäischen Standards berücksichtigen.


Fazit

Im Rahmen des Projektes wurden umfangreiche Erkenntnisse über die klimatischen Belastungen gewonnen, denen Luftkalkmörtel unter den Bedingungen des kühl gemäßigten Wechselklimas an der südlichen Ostseeküste unterworfen sind. Mit der erarbeiteten Datengrundlage liegen somit Parameter für materialkundliche Untersuchungen vor, die insbesondere zur Simulation von Klimabedingungen bei Prüfungen zur Beständigkeit von Materialien in der Region genutzt werden können. Die Ergebnisse der statistischen Auswertung bilden eine Grundlage für die Abschätzung von Klimawirkungen bei der Planung präventiver Konservierungsmaßnahmen. Eine erste Beurteilung der Verträglichkeit technologischer Parameter der verwendeten Mörtel mit den vor Ort ermittelten Klimadaten erfolgt nach Vorliegen der Ergebnisse des Forschungsprojekts Verarbeitungs- und Eigenschaftsanalyse der verwendeten Mörtel-Materialien bei der jüngsten Restaurierung des Bremer Rathauses. Die Folgen der freien Bewitterung der Arbeitsproben vor Ort werden langfristig beobachtet. Ggf. erforderliche Optimierungen des Putzes bzw. flankierende Schutzmaßnahmen können abgeleitet werden, sofern diese Untersuchungen Schwachpunkte bzw. Unverträglichkeiten offenbaren.

Übersicht

Fördersumme

37.700,00 €

Förderzeitraum

01.08.2005 - 01.06.2007

Bundesland

Mecklenburg-Vorpommern

Schlagwörter

Klimaschutz
Kulturgüter
Umweltforschung
Umwelttechnik