Elektrostatische Abreinigung anthropogener Umweltschäden im Kartenbestand des Perthes Geographischen Verlags
Projektdurchführung
Universität ErfurtUniversitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha
Schloss Friedenstein
99867 Gotha
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Die Kartensammlung Perthes befindet sich in einem Stadium fortgeschrittener Schädigung. Zu großen Teilen sind die Karten mit einer Schmutzschicht überzogen. Die Feinstaubbelastung beschleunigt den Zerfall der holzschliffhaltigen Papiere. Die bisher in der Papierrestaurierung angewendeten Verfahren der Oberflächenreinigung sind zu personal- und kostenintensiv für den Umfang der Kartensammlung (185.000 Blatt). Ziel war es, ein Modellverfahren zur Trockenreinigung eines in Papiersorten und Beschreibstoffen heterogenen Massenpapierbestandes zu entwickeln. Das Verfahren basiert auf der Konstruktion einer Maschine, die mit Hilfe elektrostatischer Effekte eine effektive und schonende Reinigung der mechanisch wenig belastbaren Kartenblätter gewährleistet. Damit verknüpft ist die Entwicklung einer Datenbank zur Dokumentation der Reinigung und zur Verknüpfung weiterer für die Nutzbarmachung der Karten notwendige Maßnahmen.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn der 1. Phase wurden Laborversuche durchgeführt, um Verfahren des Abhebens elektrostatisch aufgeladener Staubteilchen von Papiermaterialien sowie ihre Aufnahme durch ein Trägermaterial zu testen. Unterschiedliche Stoffe wurden auf ihre Eignung als Trägermaterial untersucht. Die Versuche schlossen Untersuchungen zum Aufbau des elektrischen Feldes und zur Reinigung des Trägermaterials ein. Gleichzeitig wurde ein verfahrenstechnischer und restauratorisch-konservatorischer Anforderungskatalog einschließlich einer prozessbegleitenden Qualitätskontrolle erarbeitet. In der 2. Phase wurden die Konstruktionsunterlagen erarbeitet und der Bau der Reinigungsanlage einschließlich einer Messkammer zur Qualitätskontrolle realisiert. Die Phase endete mit der Installation der Maschine in Gotha und einem Test unter Realbedingungen. Im ständigen Dialog mit den Ergebnissen der 1./2. Phase wurde ein Datenbanksystem entwickelt, das die jeweilige Einzelkarte in ihren Merkmalen erfasst, ihre Reinigung dokumentiert, den Prozess in seinen Verfahrenschritten steuert und die Verwaltung weiterer Bestandserhaltungsmaßnahmen und der Kartennutzung ermöglicht.
Ergebnisse und Diskussion
Entwickelt wurden ein patentwürdiges Modellverfahren zur Oberflächenreinigung und Entstaubung von Bibliotheks-, Archiv- und Museumsgut und eine kommerziell vermarktbare technische Einrichtung zur Bearbeitung umfangreicher und großformatiger planer Objekte. Das Verfahren basiert auf einem elektrostatischen Prinzip, das in einer maschinellen Großanlage (1,5m Breite x 8m Länge x 1,75m Höhe) umgesetzt wird. Die beidseitige Reinigung der Kartenoberflächen erfolgt durch zwei analog aufgebaute und arbeitende Baueinheiten, die jeweils ein Laufband für den Transport der Karten, eine schwenkbare Folieneinheit mit zwei Rollen zum Auf- und Abwickeln der Folie, eine Sogeinheit zum Fixieren der Karten auf dem Laufband, eine weiche Anpresswalze zum Aufbringen der elektrostatisch aufgeladenen Folie auf die Karten, eine Bürsteneinheit zum Verstärken der elektrostatischen Ladung und einen Keil zum Abnehmen der Folie umfassen. Folien- und Laufbänder besitzen die gleiche Geschwindigkeit, um ein Verrutschen der Karte und mechanische Schäden zu vermeiden. Die Folieneinheiten sind wegschwenkbar, um das Bestücken der Anlage mit neuer Folie zu ermöglichen und bei Störungen Karten weitestgehend risikolos zu entnehmen.
Die Entwicklung der Kartenreinigungsanlage wurde verknüpft mit der Entwicklung eines Datenbanksystems, das die Steuerung und ständige Kontrolle des gesamten Arbeitsprozesses, die Verwaltung des Kartenbestandes und die Initiierung nachfolgender Konservierungs-, Restaurierungs- und Erschließungsprojekte ermöglicht, und eines Modells zur Qualitätskontrolle. Jede 200. Karte wird vor und nach der Reinigung geprüft, indem der Scan eines definierten Kartenausschnittes ausgewertet wird. Außerdem steht zur Qualitätskontrolle eine Messkammer mit Aerosolspektrometer bereit, in der definierte Luftproben über eine Karte und anschließend durch eine Lasermesskammer geführt werden.
Nach Abschluss der Testläufe und der Aufnahme des Dauerreinigungsbetriebes kann als Ergebnis festgehalten werden, dass die Feinstaubbelastung der gereinigten Karten weit unter der gültigen Norm liegt, dass Schmutzränder deutlich reduziert werden und es zu keinen optisch erkennbaren Veränderungen und mechanischen Schädigungen der Karten kommt.
Als technisches Hauptproblem der Testläufe erwiesen sich die gegenwärtig am Prototyp eingesetzten mechanischen, nicht verschleißfreien Rutschkupplungen, die im Dauerbetrieb die Geschwindigkeiten von Transportband und Reinigungsfolie nur unzureichend aufeinander abstimmen, so dass es zu mechanischen Schädigungen der Karten kommen könnte. Unerlässlich ist deshalb die Entwicklung von verschleißfreien Rutschkupplungen, die eine exakte Koordination der Bandgeschwindigkeiten erlauben.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Das Projekt wurde 2007 vor Kartographen und Geographen auf der 22. Internationalen Konferenz zur Geschichte der Kartographie in Bern (8.-13. 07.) und vor Restauratoren auf dem IX. IADA-Congreß in Wien (17.-21.09.) vorgestellt. Anlässlich der Bundesgartenschau in Gera/Ronneburg 2007 wurden das Projekt auf Postern präsentiert (abzurufen über die Datenbank des Hornemann-Instituts) und der von Studenten der Universität Erfurt gedrehte Film Projekt Perthes. High-Tech gegen Feinstaub uraufgeführt (abzurufen unter http: //de.sevenload.com/videos/7rZ6ZfF/0707perthesfkm). Die Posterpräsentation wurde im Rahmen des von der DBU geförderten internationalen Schülerprojektes Umwelt baut Brücken (17.11.2007) und während der Internationalen Atlastage in der Forschungsbibliothek Gotha (30.04.-4.05.2008) wiederholt gezeigt. 2008 werden die Ergebnisse des Projektes auf dem Expertenworkshop Kartenproduktion als Weltbildgenerierung des Leibniz-Instituts für Länderkunde Leipzig (28.-30.09.) und auf dem 14. Kartographiehistorischen Colloquium in Hamburg (6.-8.11.) präsentiert. Nach Abschluss des Patentrechtsverfahrens sind noch für 2008 eine Pressekonferenz zum Modellprojekt der DBU und ein Festakt zur Einweihung der Kartenreinigungsanlage geplant. Das Kartenreinigungsprojekt wird in dem für 2008 geplanten Heft Die Sammlung Perthes Gotha (Reihe Patrimonia der Kulturstiftung der Länder) in einem eigenständigen Beitrag vorgestellt.
Fazit
Innerhalb von zwei Jahren und sieben Monaten wurde durch die Projektpartner eine Kartenreinigungsanlage entwickelt, deren Leistungsfähigkeit die restauratorischen Anforderungen voll erfüllt und weit über die in der Projektplanungsphase vorgesehenen Anforderungen hinausgeht. Entwickelt wurde ein patentwürdiges Verfahren zur Oberflächenreinigung und Entstaubung von Bibliotheks-, Archiv- und Museumsgut und eine kommerziell vermarktbare technische Einrichtung zur Bearbeitung umfangreicher und großformatiger, planer Objekte.
Fördersumme
122.000,00 €
Förderzeitraum
22.12.2005 - 15.05.2008
Bundesland
Thüringen
Schlagwörter