Entwicklung eines Breitstrahlplasmasystems zur umweltfreundlichen Vorbehandlung von Oberflächen
Projektdurchführung
TIGRES Dr. Gerstenberg GmbH
Mühlenstr. 12
25462 Rellingen
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Oberflächen von Produkten werden aus ästhetischen oder informellen Gründen oder um das Substrat zu schützen oder ihm funktionelle Eigenschaften zu verleihen mit verschiedenen Verfahren veredelt. Gemäß dem Stand der Technik werden am häufigsten nasschemische Verfahren zur Vorbehandlung von Oberflächen angewandt, die zu lackieren, beschichten oder verkleben sind. Auf Kunststoffe werden z. B. flüssige Primer aufgetragen, die Lösungsmittel zum Anquellen des Polymers und starke Oxidationsmittel enthalten, wie Chrom- oder Salpetersäure, damit eine günstige Wechselwirkung zwischen der modifizierten Oberfläche und einer Beschichtung entsteht. Ökologisch bedenklich sind bei nasschemischen Verfahren die verwendeten (chlorierten) Lösungsmittel sowie weitere, teilweise aggressive Chemikalien, die z.B. bei galvanischen Beschichtungen aus den nicht mehr verwendbaren Prozesslösungen ausgefällt werden müssen und in Form von Galvanikschlämmen als Sondermüll anfallen.
Die Umweltrelevanz des Vorhabens besteht im Ersatz von umweltbedenklicher Nasschemie durch erweiterte Einsatzmöglichkeiten von Plasmaverfahren. Chemische (Vor-)Behandlungsschritte, wie z. B. das Primern oder Reinigen, sollen eingespart, der Anfall von Abwasser und Abfall soll reduziert werden. Heutige Plasma-Anwendungen arbeiten meist bei Niederdruck oder bei max. 15 mm Arbeitsbreite im Atmosphärendruckbereich, wobei die nötige Vakuumtechnik aufwendig und teuer ist oder die Arbeitsbreite zu gering und zu inhomogen. Ziel sind deshalb Normaldruckprozesse bei großen Arbeitsbreiten, die für kontinuierliche Prozesse eine wichtige Voraussetzung sind. Es soll ein Breitstrahlplasmasystem realisiert werden, mit dem Vorbehandlungen von Materialien in Breiten von 30 mm bis zu mehreren 100 mm reali-siert werden können.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie im Vorhaben entwickelte Entladungstechnik baut auf der bekannten Mittelfrequenzplasmatechnologie der dielektrisch behinderten Entladung (Korona) auf und führt diese weiter zu einer elektrisch behinderten Entladung. Bei Arbeitsfrequenzen zwischen 20-50 kHz wird der Stromfluss bei den Kurzschlussentladungen elektrisch begrenzt. Es werden viele Düsen, deren Form es zu optimieren galt, in einem Profil kombiniert (Multiblaster). Dadurch entsteht quasi ein Plasmavorhang mit hoher Homogenität. Diese Möglichkeit der Kombination ist neu. Sie wird dadurch erreicht, dass jede Plasmadüse über eine eigene Netzwerkkomponente mit einem einstellbaren Leistungsbereich zwischen 60 und 300 W verfügt. Auch der Luftvolumenstrom kann individuell eingestellt werden. Zur Prüfung der Homogenität des Breitplasmas wurden verschiedene Oberflächenuntersuchungen durchgeführt, wie Prüfung der Benetzbarkeit mit Testtinten, Tesatest und chemische Kraftmikroskopie. Auch die Homogenität der Plasmaerzeugung wurde untersucht.
Mit Prototypen des Breitplasmas wurden verschiedene Anwendungen getestet: Aktivierung von Oberflächen vor dem Bedrucken, Vorbehandlung von Folien für einen Druckmaschinenhersteller, Vorbehandlung zur Beschichtung von Fotopapier, Reinigung von Leiterplatten usw.
Im Vorhaben wurden Unteraufträge an die Firma Gerstelectron GmbH, Braunschweig, zur Anpassung der Stromversorgung und an die Firma NanoCarft, Engen, für nanotechnologische Oberflächenuntersuchungen vergeben.
Ergebnisse und Diskussion
In dem Vorhaben wurde ein Breitplasmasystem aus vielen nebeneinander angeordneten Plasmadüsen (Multiblaster) entwickelt und erprobt, das bei Atmosphärendruck und im Niedertemperaturbereich betrieben werden kann und Behandlungsbreiten von 1.000 mm und mehr erreicht. TIGRES hat sich die Technik der Mehrfachdüsen patentrechtlich schützen lassen. Mit den gesteuerten elektrischen Entladungen können Barriereentladungen ersetzt und ein potenzialfreies, zeitlich und räumlich homogenes Plasma er-reicht werden. Gegenüber dem Vorhabensziel, die Vorschubgeschwindigkeit mit einer Breitstrahlplasmaanlage auf mindestens 30 m/min zu steigern, konnten in Versuchen sogar Prozessgeschwindigkeiten von 150 m/min bei der Vorbehandlung von Folien erreicht werden. Durch Hintereinanderschaltung wer-den noch höhere Geschwindigkeitsbereiche möglich, die mit anderen Technologien nicht erreichbar sind. Damit wurden erhebliche Effizienzsteigerungen durch höhere Durchsätze erschlossen.
Abweichungen der Ergebnisse von der ursprünglichen Zielsetzung sind dahingehend aufgetreten, dass anstelle des geplanten Breitstrahlplasmas mit einer einzigen, sehr breiten Düse ein Breitplasma aus vielen nebeneinander angeordneten Düsen entwickelt wurde (Multiblaster). Die geforderte Homogenität des Plasmas war mit einer einzigen, breiten Düse nicht zu erreichen. Gleichwohl erfüllt der jetzt realisierte Multiblaster die ursprünglichen Vorhabensziele in vollem Umfang.
Als Ergebnisse von Homogenitätsuntersuchungen sind festzuhalten, dass sich bei Fotopapier eine homogene Benetzung nach der Plasmabehandlung einstellt und dass der Tesatest eine perfekte Haftung von Farbe auf einer mit ca. 100 m/min plasmabehandelten Folie zeigt. Nanotechnologische Untersuchungen von Aluminium- und Konststoffoberflächen belegen die reinigende Wirkung der Plasmabehandlung, wobei sich auch eine Hydrophilierung der Oberfläche einstellt.
Die Umweltrelevanz des Vorhabens besteht im Ersatz umweltbedenklicher chemischer (Vor-) Behandlungsschritte durch erweiterte Einsatzmöglichkeiten von Plasmaverfahren. Soweit Metalloberflächen bisher in Öfen entfettet wurden, erschließt das Breitplasma durch eine kalte Verbrennung erhebliche Energieeinsparungen. Nicht zuletzt bietet das Breitplasma Vorteile gegenüber Koronabehandlungen, da es kaum Ozon erzeugt und keine Gegenelektrode erfordert. Diese Vorteile wurden in verschiedenen An-wendungen, z. B. in der Vorbehandlung für Klebe- und Druckprozesse, untermauert. Das Breitplasma er-reicht eine hohe Prozesssicherheit und funktioniert nahezu wartungsfrei.
Mit der Vorbehandlung von Leiterplatten mit dem Multiblaster wurde eine neue Anwendung erschlossen, indem ein elektrisch inhomogenes Substrat behandelt werden kann. Dies gelingt nur aufgrund der Potenzialfreiheit des Plasmas, da die Leiterbahnen ansonsten Strom aufnehmen würden. Das Vorhaben bereitet den Weg, künftig auch flächige Anwendungen mit Precursorn zu entwickeln, wie z. B. für die Plasmapolymerisation.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Das Breitplasma wurde und wird von den Kooperationspartnern auf folgenden Veranstaltungen vorgestellt: International Converting Exhibition ICE, Hannovermesse, LIGNA 2007, PLASTPOL 2007, K 2007. Auf den Internetseiten http://www.tigres.de/ und http://www.siegrunreis.de/ wurden Hinweise auf das Breitplasma geschaltet. Anzeigen in diversen Zeitschriften sind erfolgt, Veröffentlichungen in der COA-TING und der K-Zeitung sind vorgesehen.
Fazit
Wie durch funktionsfähige Prototypen gezeigt werden konnte, wurden die Zielstellungen vollumfänglich erreicht, so dass das Vorhaben erfolgreich abgeschlossen wurde. Es bestehen die Optionen, größere Behandlungsbreiten und höhere Behandlungsgeschwindigkeiten zu erreichen, als zunächst angestrebt. Zukünftige für nötig erachtete Arbeiten sind die Integration des Breitplasmas als inline-Prozess in die bereits untersuchten, erfolgversprechenden Anwendungen sowie die Erschließung weiterer Einsatzbereiche.
Die im Vorhaben entwickelte Technik zur flächigen Behandlung von Oberflächen mit Breitplasmen bezieht sich bisher ausschließlich auf die Vorbehandlung und Reinigung. Gleichwohl bietet sie eine gute Basis für weitere vom Markt nachgefragte Entwicklungen, wie insbesondere die Precursor-Technik. Precursor-Substanzen könnten in das Breitplasma zudosiert werden, um auf Substraten hydrophile, hydrophobe oder andere funktionale Schichten zu erzeugen. Wichtige Anwendungen, die in nächster Zukunft angegangen werden sollen, sind in diesem Zusammenhang die Plasmapolymerisation unter Atmosphärendruck, um polymere Schichten aus der Gasphase auf Substrate aufzubringen.
Fördersumme
73.529,00 €
Förderzeitraum
15.12.2005 - 15.03.2007
Bundesland
Hamburg
Schlagwörter
Klimaschutz
Umweltforschung
Umwelttechnik