Modellvorhaben zum Fledermausschutz bei Restaurierungsarbeiten an den national wertvollen salzgeschädigten Wandmalereien der Kirche zu Semlow (Mecklenburg-Vorpommern)
Projektdurchführung
Evangelisches Pfarramt Eixen
für die Kirchengemeinden Semlow, Eixen,
Behrenwalde, Leplow
Bad-Sülzer-Str. 1
18334 Eixen
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Die um 1220 erbaute Semlower Kirche ist Überwinterungsquartier für Fledermäuse. Nicht so häufig anzutreffen ist die Artenvielfalt und die sehr große Anzahl der überwinternden Tiere, die vor allem während der Schwärmzeit im Spätsommer eine außerordentliche Kot- und Urinbelastung mitbringen. Diese wirkt sich negativ auf den allgemeinen Zustand des Kirchenschiffes aus und schränkt seine Nutzung als Kirche ein. Besonders jedoch schädigt sie die wertvolle Innenausmalung des Kirchenschiffes von Carl Julius Milde, die sich über alle Wand- und Deckenflachen erstreckt. Ziel des Vorhabens soll es sein, die Kirche als Quartier für die Fledermäuse zu erhalten, eine Nutzung als Kirche zu gewährleisten, die Schäden der Innenausmalung an einer Probeachse zu beseitigen, bereits restaurierte Bereiche an einer Probeachse zu reinigen und die Möglichkeiten eines Zusammengehens von Naturschutz und Denkmalpflege zu dokumentieren. Dem aus der Sorge um Kulturgüter geborene Weg der heimlichen Vertreibung der Tiere aus Gebäuden kann ein positiver Lösungsweg entgegengesetzt werden.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm kunsthistorisch weniger sensiblen und für Veranstaltungen nicht genutzten Turmbereich werden art-gerechte Ausweichquartiere geschaffen. Bei Annahme dieser Quartiere werden die Fledermäuse ohne ihren Bestand zu schädigen im Kirchenschiff zurückgedrängt, so dass die Belastung der kostbaren Innenausmalung und -einrichtung zurück geht und der Kirchenraum nutzbar bleibt. Alle Arbeitsschritte und neue Erkenntnisse, auch über das Schwarmverhalten der Fledermäuse, werden fachgerecht dokumentiert. Die Innenausmalung wird beispielhaft im Hinblick auf die durch die Tiere verursachten Schaden restauriert und an bereits restaurierte Flächen eine Reinigungsmöglichkeit erprobt. Auch hierbei entsteht eine ausführliche Dokumentation der Methoden und der Ergebnisse. Erstmalig werden so Lösungsmöglichkeiten erforscht, angewandt und dokumentiert, die auch in anderen Kirchen und sonstigen Gebäuden zu einem guten Zusammengehen von Natur- und Denkmalschutz bei der Verbesserung der Lebensmög-lichkeiten für Fledermäuse und des gleichzeitigen Erhalts von Kulturerbe führen können.
Zeitplan: Herbst 2004, Frühsommer 2005: Einbau von Quartieren im Turmbereich; Okt 04 bis März 05, Äug 05 bis Sep 05, Okt 05 bis März 06, Juli 06 bis Frühjahr 07: Mark-Recapture Untersuchungen, Untersuchungen zur Quartierwahl, Klimamessungen in alten und neuen Quartieren, Lichtschranken zur Datenerfassung; Mai bis Okt 05: Restaurierung einer Achse der Innenausmalung; Nov 05 bis Frühjahr 07: Untersuchungen zur Annahme der Quartiere; Mai bis Juni 06: Reinigung bereits restaurierter Flächen an einer Probeachse. Im gesamten Verlauf: Dokumentation aller Untersuchungen und Maßnahmen, Konsultationen der Fachleute für Denkmalpflege und der Fachleute für den Naturschutz, Veröffentlichung vorhabenbegleitend im Internet; Dez 06 bis Mai 07 Abschlussdokumentation.
Ergebnisse und Diskussion
Denkmalschutz: Untersuchungen der Malereischäden bestätigten als eine Schadensursache die erhebliche Salzbelastung der Wände in Verbindung mit Feuchtigkeit, bedingt durch die Unmengen an vorhandenem Fledermauskot an den Wandflächen. Es kommt durch den Kot zu bauschädigenden Nitraten und zu Flecken und Verfärbungen an der Malereioberfläche, die auch nach der einfachen Abnahme des Kotes zu Malereiverlusten führen. Dazu kommen erhebliche Abriebschäden bis hin zum Totalverlust an den Fluglöchern der Fledermäuse. Die geschädigte Malschicht konnte gefestigt, entsalzt und wiederhergestellt werden. Neuerer Fledermauskot an bereits restaurierten Flächen konnte abgenommen werden, wobei an Wandfondflächen die geschädigte Malerei abgetragen und wieder erneuert wurde. An mit Figuren etc. bemalten Flächen wurden die Schädigungen durch Aceton und Testbenzin reduziert. Ältere Kotablagerungen mussten vor der Abnahme behandelt werden. Weitere Beobachtungen sind notwendig. Um weitere Schäden durch die Fledermäuse zu verhindern, müssen die Fledermäuse aus Kirchenschiff und -chor dauerhaft umgesiedelt werden.
Einen Eingriff in die historische Bausubstanz bedeutete die Errichtung einer Wand im Kirchturm für die Fledermauswinterquartiere. Erhebliche Umbauarbeiten waren hierbei notwendig, dem Naturschutz wurde dabei jedoch der eindeutige Vorrang gegeben, um eine Umsiedlung der Tiere zu ermöglichen.
Naturschutz: Untersuchungen ergaben das Vorkommen von Zwergfledermaus, Mückenfledermaus, Rauhhautfledermaus, Breitflügelfledermaus, Wasserfledermaus, Fransenfledermaus, Braunes Langohr und Mopsfledermaus in der Semlower Kirche; für fünf Arten (Zwergfledermaus, Mückenfledermaus, Breitflügelfledermaus, Braunes Langohr, Mopsfledermaus) konnte die Überwinterung nachgewiesen werden. Bis zu 4.000 Tiere wurden als Schwärmbestand errechnet, wodurch auch die enorme Kotmenge im Kirchenraum erklärbar wird. Etwa 500 Tiere überwintern in der Kirche. 23 Winterquartiere wurden beobachtet, Flugzeiten erforscht. In den eingebauten Ersatzquartieren konnten trotz der identischen klimatischen Bedingungen vorerst nur wenige Tiere nachgewiesen werden, was der fehlenden Kenntnis zugeschrieben wird.
Nicht zu Ende diskutiert ist, ob an Hand dieser Ergebnisse der ursprüngliche Zustand erhalten bleiben muss (und damit eine einmalige Innenausmalung verloren geht und die Nutzung der Kirche unmöglich wird), ob der Kirchenraum zur Schwärmzeit verschlossen und zur Überwinterungszeit geöffnet wird (was weitere Untersuchungen notwendig macht, aber eine Verringerung der Kotbelastung und eine langsame Gewöhnung an die Ersatzquartiere mit sich bringt) oder ob der Kirchenraum hermetisch abgeschlossen wird (was für die kirchliche Nutzung und dem Erhalt der Innenausstattung und der Malerei dient, die Fledermäuse jedoch zwingt, andere zum Teil extra errichtete Winterquartiere im Turmbereich der Kirche zu nutzen, was jedoch eventuell nicht bei allen Tieren gelingen wird).
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
- Informationsveranstaltungen der Kirchengemeinde in Zusammenarbeit mit Restauratoren und Naturschützern (mehrere in kleinem Rahmen, zweimal mit fast 100 Teilnehmern aus der Region)
- Berichterstattung in der regionalen Presse
- Hinweise und Erläuterungen bei Kirchenführungen
- Besichtigungen und Erklärungen in Gemeindekreisen mit allen Generationen
- ausgelegte Informationen für Kirchenbesucher (Touristen)
- Einrichten einer Internetseite (www.kirche-semlow.de) mit ausführlicher Information über das Projekt.
- Aufnahme in Datenbank (Hornemann-Institut)
Fazit
Gezeigt wurde, dass die Schäden an der Innenausmalung der Kirche mit großem Aufwand aber zum Teil nicht gänzlich behoben werden können. Um eine weitere und erneute Schädigung von restaurierten Flächen zu verhindern, muss der Koteintrag der Fledermäuse in Kirchenschiff und -chor deutlich verringert werden. Die Artenvielfalt und Anzahl der Fledermäuse in der Semlower Kirche ist bedeutend und zeigt, wie wichtig das Gebäude für das Leben der Tiere ist. Allein die Untersuchungen, die Restaurierungen und die Schaffung von Ersatzquartieren haben noch nicht dazu geführt, dass Nutzung, Denkmalschutz und Naturschutz ein dauerhaftes verträgliches Miteinander in der Semlower Kirche haben, aber wohl die Voraussetzung dafür geschaffen. Daher wird in den folgenden zwei Jahren versucht, den Koteintrag im Kirchenschiff zu verringern und den Fledermäusen dennoch nicht die Winterquartiere im Kirchenschiff zu nehmen, sie aber langsam an die Quartiere im Turm zu gewöhnen. Dies soll durch einen Verschluss des Kirchenschiffes zur Schwärmzeit und ein Öffnen zur Winterzeit erreicht werden. Gleichzeitig wird der Turm mit großen Durchflugmöglichkeiten versehen und die errichten Ersatzquartiere weiter optimiert. Über die Durchführung erfolgt ein Bericht.
Fördersumme
23.000,00 €
Förderzeitraum
01.08.2004 - 01.02.2007
Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern
Schlagwörter