Bestandserfassung aus Sicht der Denkmalpflege und des Naturschutzes: Historische Alleen in Schleswig-Holstein
Projektdurchführung
Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein
Sartori & Berger-Speicher
Wall 47/51
24103 Kiel
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Die das Landschaftsbild Schleswig-Holsteins in bedeutendem Maße prägenden historischen Alleen sind einer Vielzahl von Umweltbelastungen ausgesetzt, die den Erhalt dieses biologischen Kulturerbes gefährden. Die praktizierten Erhaltungsstrategien werden diesem komplexen Gefüge bisher wenig gerecht. Die Maxime der Verkehrssicherungspflicht dominieren die Maßnahmen an den Alleen, die Positionen von Naturschutz und Denkmalpflege werden meist nicht berücksichtigt. Das Projekt verfolgt daher die Ziele: 1. Vertiefender Erkenntnisgewinn zur Kulturgeschichte und zur Ökologie von Alleen; 2. Initiierung eines baumpflegerischen Diskurses durch interdisziplinäres Arbeiten; 3. Schaffung eines öffentlichen Bewusstseins für die Konflikte zwischen den Anforderungen des wachsenden Verkehrs und den Überlebensbedingungen alter Alleen; 4. Aufzeigen von denkmal- und naturschutzgerechten Lösungsmöglichkeiten im praktischen Umgang mit alten Alleen.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenAuf Grundlage der bisherigen Kenntnisse wurde eine Vorauswahl von historischen Alleen der Fachkommission vorgestellt, und von dieser sechs Alleen unterschiedlicher Baumart und Entstehungszeit festgelegt, die unter folgenden Aspekten wissenschaftlich untersucht werden sollten:
I. Naturschutzaspekte: Abgabe von gutachterlichen Stellungnahmen hinsichtlich des ökologischen Wertes der Allee. Neben der vegetationsökologischen, floristischen Kartierungen galt es die faunistischen Besonderheiten der Alleen herauszustellen, dazu zählen die reichen Fledermausbestände, die Populationen der Wirbellosen, wie Käfern, Stechimmen und Nachtfaltern sowie eine ornithologische Kartierung des Bestands.
II. Kulturhistorische Bewertung der Alleen auf der Grundlage einer Dokumentation der Entwicklungsgeschichte der einzelnen Allee. Der denkmalpflegerische Wert lässt sich mit der jeweils besonderen historischen, städtebaulichen bzw. die Kulturlandschaft prägenden, sowie der künstlerischen und der wissenschaftlichen Bedeutung der untersuchten Allee begründen.
III. Baumbiologische Bewertung im Hinblick auf die Verkehrssicherungspflicht: In den baumpflegerischen Gutachten wurde der biologische Zustand der Allee erfasst, der Handlungsbedarf abgeleitet und Maßnahmenvorschläge unterbreitet.
Das Treffen der Gutachter im August führte zu einem äußerst fruchtbaren Wissensaustausch und die vorgeschlagenen Maßnahmen der baumbiologischen Gutachten stießen - mit einigen speziellen Zusätzen versehen - auf große Einigkeit. In einem zweitägigen Fachkolloquium zusammen mit den Eigentümern und dem Fachbeirat erfolgte dann die endgültige Festlegung auf die Maßnahmenkonzepte zum Erhalt der Alleen. Diese Maßnahmen sollen in einer zweiten Projektphase umgesetzt werden.
Ergebnisse und Diskussion
Mit diesem Projekt ist es erstmals gelungen, historische Alleen in einer interdisziplinären Zusammenschau zu untersuchen und zu bewerten. Durch diese Herangehensweise stellte sich heraus, dass trotz unterschiedlicher Bewertungen und Bedeutungen im Einzelnen, der Erhalt der Allee als Ganzes und ihrer Einzelbäume für alle Disziplinen oberste Priorität besitzt: Der stehende, möglichst lebende Holzkörper der alten Alleebäume ist aus denkmalpflegerischer und ökologischer Sicht gleichermaßen wertvoll. Die exak-ten Vermessungen der Alleen vor Beginn der gutachterlichen Untersuchungen bildeten eine unabdingbare Voraussetzung für die reibungslose Zusammenarbeit. Sie können als modellhaft für weitere Kartierungen von Alleen angesehen werden. Für die baumgutachterlichen Untersuchungen spielt es keine Rolle, ob die Beurteilung der Stand- und Bruchsicherheit nach mehr physikalischen oder biologischen Methoden erfolgt. Alle wissenschaftlichen Methoden führen zum Ziel. Aufgrund des hohen Alters der Al-leen konnten erwartungsgemäß zahlreiche Schäden festgestellt werden, die aber erfreulicherweise nur zu einer Fällung führten. Alle anderen Bäume können durch fachgerechte Schnittmaßnahmen erhalten bleiben. Die erstmals systematisch erhobenen ökologischen Untersuchungen an historischen Alleen belegen, dass Alleen für bestimmte Pflanzen und Tiere exzeptionelle Lebensräume darstellen. Die her-ausragenden ökologischen Ergebnisse lassen sich vor allem mit drei alleenspezifischen Merkmalen begründen: Historische Alleebäume haben, im Gegensatz zu dem umgebenden Baumbestand in Wald und Flur, ein sehr hohes Alter, sie besitzen eine Jahrhunderte lange Standortkontinuität und stellen als lineare Biotopverbundelemente wichtige Glieder des Biotopverbundssystems dar. Sie können als die wohl ältesten Lebensräume in unserer Landschaft angesprochen werden, was sie auch zu Objekten des Denkmal-schutzes macht. Die quellenkritische Erforschung der einzelnen Alleen nimmt sehr viel Zeit in An-spruch, sind Alleen doch immer Bestandteil eines Gartens, einer Kulturlandschaft oder Begleiter eines Verkehrswegs. Die Entwicklung einer Allee kann daher nur geklärt werden, wenn die Garten-, Landschafts-, oder Verkehrsgeschichte bereits bekannt ist. Alle historischen Alleen besitzen einen hohen Zeugniswert. Als Dokumente ihrer meist über 100 jährigen Geschichte spiegeln sie den Umgang der Menschen mit ihrer Umwelt wider. Ihre denkmalpflegerische Bedeutung liegt in ihrer die Kulturlandschaft prägenden Wirkung. Von wissenschaftlicher Bedeutung ist insbesondere ihr genetisches Potential.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
In der Akademie für Natur und Umwelt konnte eine Weiterbildungsveranstaltung zum Thema historische Alleen durchgeführt werden. Weiterhin wurde in mehreren Fachzeitschriften das Projekt vorgestellt. Veröffentlichungen und Tagungen zum Thema sind geplant, in denen die Ergebnisse des Projekts einfließen werden.
Fazit
Erst die baumbiologische, kulturhistorische und ökologische Zusammenschau bringt die vielfältigen Bedeutungs- und Wirkungsbezüge und den herausragenden Wert alter Alleen für die Umwelt zu Tage. Je reichhaltiger dieses Wissen ist, umso größer die Chancen eines wirksamen Schutzes. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit müsste nun auch in der Praxis beim Erhalt historischer Alleen wirksam werden. Die Verkehrssicherungspflicht an einer Allee führt immer wieder zu baumpflegerischen Maßnahmen, die, wenn fachgerecht nach ZTV-Baumpflege ausgeführt, eben meist keinen Eingriff darstellen, sondern auch auf Baumerhalt zielen. Die Mitarbeit der Denkmalpflege und des Naturschutzes kann diese Erhaltungsbemühungen unterstützen. Darüber hinaus können weitere Maßnahmen zum Schutz bestimmter Lebensräume für Tiere und Pflanzen sowie für die ästhetische Aufwertung einer Allee durchgesetzt wer-den. Zumindest die wertvollsten und ältesten Alleen im Lande sollten kartiert und inventarisiert werden, um so eine breitere wissenschaftliche Basis zu bekommen.
Fördersumme
88.000,00 €
Förderzeitraum
28.02.2005 - 26.07.2007
Bundesland
Schleswig-Holstein
Schlagwörter