Tagung Biorefinica 2004
Projektdurchführung
Forschungsinstitut Bioaktive Polymersystemebiopos e. V.Forschungsstandort Teltow-Seehof
Kantstr. 55
14513 Teltow
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Die Nutzung nachwachsender Rohstoffe wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten aus vielen Gründen an Bedeutung gewinnen. Die nächsten 50 Jahre werden die nationalen Volkswirtschaften und die globale Weltwirtschaft in bisher nicht gekanntem Umfang gravierend verändern, sagen nicht nur namhafte Ökonomen, sondern auch immer mehr Regierungen. Gemeint ist die Umstellung von fossilen Rohstoffen auf biogene Rohstoffe.
Das Symposium unter Federführung von DBU, DECHEMA der GDCh und biopos e.V. möchte neben einer Bestandsaufnahme deutscher Aktivitäten auf dem Gebiet der biobasierten Produkte und Bioraffinerien auch einen Dialog mit Wissenschaft, Politik und Wirtschaft über Chancen und Erfordernisse einer nachhaltigen biobasierten Stoffwirtschaft im Europäischen Raum führen.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenVorbereitung und Durchführung
Biorefinica 2004
Internationales Symposium
Biobasierte Produkte und Bioraffinerien
27. und 28.10.2004, Zentrum für Umweltkommunikation der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück
Symposium zur nachhaltigen industriellen und industrienahen stofflichen Nutzung biogener Rohstoffe in Bioraffinerien
Biomasse ist eine sich ständig erneuernde Chemie- und Pharmaziefabrik. Sie ist vor allem auch in Deutschland ausreichend vorhanden. Die Umwandlung solcher und auch agrarischer Rohstoffe in Wertprodukte wie Chemikalien, Biopolymere, Werkstoffe und Gebrauchsgüter verlangt jedoch grundsätzlich neue Basistechnologien, die weit über die Verarbeitung von nachwachsenden Rohstoffen zu Spanplatten und Gartenartikeln hinausgehen. Solche komplexen Technologien werden je nach Rohstoff und Ziel-stellung Bioraffinerien oder Grüne Bioraffinerien genannt.
Eine Bioraffinerie ist ein komplexes und integriertes System von Prozessen und Anlagen in welcher Biomasse in eine Vielzahl von Produkten umgewandelt wird oder aus dieser isoliert werden. Eine Bioraffinerie ist an dem Konzept einer petrochemischen Raffinerie angelehnt (Abb.).
Abb.: Grundprinzip einer Bioraffinerie
Eingeladen wurden Referenten der Chemischen Grossindustrie (BASF, BAYER, DEGUSSA, CE-RESTAR, DOW), der mittelständischen Industrie, von Universitäten, Forschungseinrichtungen und Ministerien.
Die er Tagung wurde thematisch in folgende Blöcke gegliedert:
Administration, Politik und Gesellschaft (BMU, BMBF, DBU, GDCh, DECHEMA, Verband der Chemie, Deutscher Bauernverband)
Sektion 1
Biowirtschaft und biobasierte Stoffwirtschaft - Globale, ökologische und ökonomische Aspekte
Sektion 2
Bioraffinerie-Systeme
Sektion 3
Rohstoffe für die biobasierte Stoffwirtschaft und Primärraffinerie
Sektion 4
Die biotechnische Konversion von Biomasse, Produktlinien und Produkte
Sektion 5
Chemische Konversion von Biomasse, Produktlinien und Produkte
Sektion 6
Biobasierte Produkte und Bioraffinerien im Kontext von unternehmerischen Mittelstandsperspektiven, regionaler Entwicklung und Marktentwicklung sowie Bewertung von Nachhaltigkeit
Abschlussdiskussion /Podiumsdiskussion
Industrielle stoffliche Nutzung von Nachwachsenden Rohstoffen in Deutschland im Kontext von Ökonomie und Ökologie, Wissenschaft und Gesellschaft
Ergebnisse und Diskussion
3. Säule der zukünftigen biobasierten Wirtschaft etablieren
Stoffwandelnde Industrien wie die Chemische Industrie und die Industrielle Biotechnologie, aber auch eine nachhaltige und mit Stoffwandlung gekoppelte Kraftstoffproduktion sind im Wesentlichen auf die Biomasse als Alternative zur fossilen Rohstoffbasis (Erdöl, Erdgas, Kohle) angewiesen. Dagegen kann sich die Energiewirtschaft auf verschiedene alternative Quellen wie Wind, Sonne, Erdwärme, Wasser, Biomasse stützen. In den Grußworten der Bundespolitik (MdB Antje Vogel-Sperl), des Deutschen Bauernverbandes (Generalsekretär Helmuth Born), der Bundesregierung (Ulrich Schlottmann, BMU) und der Verbände GDCH (Geschäftsführer Wolfram Koch), Verband der Chemischen Industrie, Fachvereinigung Organische Chemie (Geschäftsführer Jörg Rothermel), DECHEMA (Dr. Kurt Wagemann)wurde deutlich, dass für eine zukünftige biobasierte Wirtschaft neben der Nutzung von Biomasse zur Energiegewinnung (Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien, 2000) und Kraftstoffproduktion (European Parliament and Council, 2003), die 3.Säule der zukünftigen Biomassewirtschaft, die biobasierten Produkte in Deutschland und Europa etabliert werden muss (siehe auch Kamm, B.; Kamm, M.; Mitteilungen der Fachgruppe, Umweltchemie und Ökotoxikologie der GDCh, 2003) (Abb.).
US-amerikanische und europaweite Strategien
Das wissenschaftliche Programm wurde mit einem exzellenten Plenarvortrag von Lee R. Lynd (Dartmouth College, Hanover, USA) zum Thema Biomass Processing in Response to Sustainability and Security Challenges - A Vision for What is possible eröffnet. Der Focus war auf die zukünftige Nutzung von Lignocellulose-Feedstocks, wie Holz, Stroh, Switchgras und deren Prozesstechnologien zur Erzeu-gung von Energie, Ethanol (Kraftstoff) und Chemikalien im Kontext von Ökonomie und Ökologie gerichtet. Auf biotechnologische und chemische Konversionen von Lignocellulose- Rohstoffen zur Produktion von Chemikalien und Polymeren im Bioraffinerie-System ging Robert Wooley (Cargill Dow, Minnetonka, USA) ein. Das Potential der biotechnologischen Stoffwandlungen für die Synthese von Bausteinen, wie Milchsäure, Bernsteinsäure, 3-Hydroxypropionsäure und Propan-1,3-diol wurde in den Ausführungen von Rolf Bachmann (McKinsey, Zürich, Schweiz) deutlich.
Die Vielfalt der derzeit in Forschung- und Entwicklung befindlichen Bioraffinerie-Systeme wurde hervorragend in den Beiträgen Internationale Bioraffineriesysteme (Birgit Kamm, FI Biopos, Teltow) und Entwicklung einer dezentralen Grünen Bioraffinerie in Österreich (Michael Narodoslawsky, TU Graz) deutlich. Einen Überblick zum Rohstoffpotential in Deutschland, insbesondere zu den Ackerpflanzen gab Wolfgang Friedt (Uni Giessen), zum Grünlandpotenzial Jürgen Pickert (MLUR Brandenburg). Die Einordnung von mikrobiellen Prozessen in Bioraffinerien zur Herstellung von Polymeren zum einen durch intrazelluläre Direktproduktion (Alexander Steinbüchel, Uni Münster) zum anderen durch Herstellung von extracellulären Dicarbonsäuren und Diolen als Polymerrohstoffe (Klaus-Dieter Vorlop, FAL Braunschweig) wurde eindrucksvoll präsentiert.
Großindustrie und mittelständische Unternehmen
Der zweite Veranstaltungstag wurde mit einem exzellenten Vortrag über die derzeitige und zukünftige Bedeutung der Biomasse aus Sicht eines Industrievertreters eröffnet ( Rainer Busch, Rheinmünster, DOW Deutschland). Dabei wurden die potentiellen Rohstoffe und Bausteine hin zu einer nachhaltigen Chemie erläutert und am Beispiel der Polymilchsäureproduktion von Cargill Dow in Blair/Nebraska (USA) die Chancen und Hemmnisse deren Vermarktung anschaulich dargestellt.
Anschließend wurden biotechnologisch/chemische Konversionswege von der Biomasse zu Produkten auf der Basis von Kohlenhydraten (Harald Röper, Cargill), Fetten und Ölen (Jürgen O. Metzger, Uni Oldenburg), Proteine und Aminosäuren (Wolfgang Leuchtenberger, Degussa, Düsseldorf) und Lignin (Thomas Hirth, Fraunhofer ICT, Pfinztal) vorgestellt und diskutiert. In allen vier Vorträgen wurden sowohl Beispiele für bereits realisierte Industriechemikalien bzw. Werkstoffe vorgestellt als auch neue Möglichkeiten und Chancen aufgezeigt.
Kann die Entwicklung von biobasierten Produkten und Bioraffinerien eine Perspektive für die regionale Entwicklung und den Mittelstand bilden? Dieser Frage gingen Mette Thomsen & Pauli Kiel (Agroferm A/S Esbjerg, Dänemark) und Jöran Reske (IBAW, Köln) in ihren anschaulichen Vorträgen nach. Welche Bedeutung Nachhaltigkeitskriterien für ein Industrieunternehmen besitzen und wie die drei Säulen Öko-nomie, Ökologie und Gesellschaft zur Entscheidungsfindung von alternativen Produktionswegen beitragen, berichtete Peter Saling (BASF, Ludwigshafen).
In der abschließenden Podiumsdiskussion (Busch, Hirth, Kamm, Leuchtenberger, Reske, Moderation: Hempel) wurde eine positive Bilanz der zweitägigen Veranstaltung gezogen, aber auch Defizite aufgezeigt. Dazu gehören derzeit:
· Neue Synthesestrategien sind für die Umwandlung von Biomasse in Chemierohstoffe erforderlich
· Prozessforschung und -entwicklung sind notwendig, um zu Produkt- als auch Systemlösungen zu gelangen
· Ein verstärktes Arbeiten im Verbund ist anzustreben, um die Aktivitäten besser zu bündeln
· Im Gegensatz zu den USA fehlt In Deutschland ein abgestimmter Forschungsplan mit dem Ziel der stofflichen Verwertung von biogenen Rohstoffen.
Referenzen
· European parliament and Council (2003) Directive 2003/30/EC on the promotion of the use of biofuels or other renewable fuels for transport; Official Journal of the European Union L123/42, 17.05.2003, Brussels
· Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien (2000) Erneuerbare Energiegesetz, EEG/EnWGuaÄndG., 29. 03.2000, BGBI, 305
· Kamm, B.; Kamm, M.; Bioraffinerie-Prinzipien; Mitteilungen der Fachgruppe, Umweltchemie und Ökotoxikologie der GDCh, 9(4) 2003, 9-11,22
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
An der Veranstaltung nahmen ca. 140 Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft teil. Die Originalbeiträge der biorefinica 2004 (Tagungsunterlagen, Folien der Vorträge) sind auf einer CD (ISBN: 3-00-015166-4) veröffentlicht und können unter: www.biorefinica.de bestellt werden.
Berichtet wurde über die biorefinica 2004:
Biomasse-Industrie, Wie aus Bio Chemie wird, Nachrichten aus der Chemie, 53(2), (2005), 130-134
Tagungsbericht erscheint:
Mitteilungen der Fachgruppe Umweltchemie und Ökotoxikologie der GDCh, (2005) im DruckBook Biorefineries - Biorefinery, Biobased Industrial Processes and Products: Bei WILEY-VCH erscheint im Jahre 2005 das erste Buch einer Serie zu Biobasierten industriellen Prozessen und Produkten. Der erste Band: Status quo and Future directions (Herausgeber, Kamm, B./Gruber, P.R./ Kamm, M.; ISBN 3-527-31027-4) widmet sich mit Originalbeiträgen aus Industrie sowie Forschung und Entwicklung einer Bestandsaufnahme der internationalen Bioraffinerie-Aktivitäten und der Potenziale einer biobasierten Industrie. Für Interessenten näheres unter: www.wiley-vch.de/home/pass
Fazit
Advisor Committee Biorefinery: Im Nachgang der biorefinica 2004 wurde beschlossen, eine Strategiegruppe Biobasierte Industrielle Produkte, Prozesse und Bioraffinerien zu installieren. Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit hat die Chemische Industrie (BASF, Degussa, Dow Deutschland), Verbände wie die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), die DECHEMA, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), der Deutscher Bauernverband, die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), die Interessensgemeinschaft Biologisch abbaubare Werkstoffe (IBAW), der Verband der Chemischen Industrie (VCI), Forschungs- und Entwicklungsinstitute, wie biopos e.V., Fraunhofer ICT, Universitäten und Fachhochschulen, sowie Vertretern der Politik und Bundesministerien signalisiert. Eine wesentliche Aufgabe soll die Erarbeitung einer Roadmap für Deutschland sein.
Kontakt: Dr. Maximillian Hempel; DBU, Email: m.hempel@dbu.de oder Dr. Birgit Kamm, biopos e.V., Email: kamm@biopos.de
Fördersumme
39.125,00 €
Förderzeitraum
01.04.2004 - 28.02.2005
Bundesland
Brandenburg
Schlagwörter
Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umweltkommunikation
Umwelttechnik