Sanierung durch Rauchgas- und Nitratemissionen geschädigter Wandmalereien in der Marienkirche zu Bergen auf Rügen
Projektdurchführung
Evangelische Kirchengemeinde
Sankt Marien Bergen auf Rügen
Billrothstr. 22
18528 Bergen
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Der spätromanische Wandmalereizyklus in St. Marien Bergen ist ein international bedeutendes Kunstdenkmal. Schweflige Rauchgasemissionen und mutmaßliche Düngemitteldepositionen haben zu hochgradigen Gips- und Nitratbelastungen geführt, die unter den regionalen Klimabedingungen einen zunehmend beschleunigten Verfall der Malereien hervorrufen. Zur Rettung des mit ca. 560m² enormen Bestandes sind unverzügliche und hocheffiziente Maßnahmen erforderlich. Einschlägige Forschungsergebnisse und praxiserprobte Techniken sind nur bedingt auf die vorliegende Problemstellung übertragbar: Aufgrund der Überlagerung der vergipsten Malschicht durch eine poröse Gipskruste war bei der Anwendung chemischer Gipsbehandlungsmethoden mit irreversiblen Verschleierungen der Malerei zu rechnen. Zusätzliche Kontraindikationen bestehen durch die Chemikalienempfindlichkeit mittelalterlicher Pigmente. Die Nitratbelastung kann bei der Anwendung alkalischer Methoden zu Pigmentverschwärzungen und beim Einsatz von Bariumhydroxid zu irreversiblen Verschleierungen und Gefügeschäden führen. Aufgrund der Fragilität der Malschicht und der enormen Wasseraufnahmekoeffizienten des mittelalterlichen Backsteinmauerwerks waren Schwierigkeiten bei der Kompressenextraktion der Nitrate und der Reaktionsprodukte chemischer Gipsbehandlungen zu erwarten. Ziel des Projektes war deshalb die Erarbeitung und Erprobung einer modellhaften und nachhaltigen Konservierungskonzeption für großflächig rauchgas- und nitratgeschädigte Raumfassungen im ostseetypischen Wechselklima.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenAls Voraussetzung für chemische Gipsbehandlungen wurden eingeführte Kompressenrezepturen hinsichtlich der Anwendbarkeit auf fragilen Malereien, sowie der Funktion bei Schutzkaschierungen und stark saugenden Untergründen optimiert. Daneben erfolgten Pilotversuche zur Entfernung aufliegender
Gipsschleier durch simultan gesteuerte Laserablation. Eingeführte Gipsbehandlungstechnologien wurden in Kombination mit Vorfestigungsvarianten auf hochfragile Konglomerate aus porösen Gipskrusten und entfestigten Malschichten angepaßt. Vor Ort durch die Restauratoren ausgeführte Arbeitspakete wurden vom Projektpartner MPA Bremen analytisch überwacht und periodisch durch den wissenschaftlichen Fachbeirat evaluiert. Die Schadenspotentiale der wegen Verfahrensgrenzen partiell in der Malerei verbleibenden Gipse werden durch ein selbstregelndes Klimamanagement passiviert.
Ergebnisse und Diskussion
Die Entfernung aufliegender Gipsschleier mit handgeführten Festkörperreinigungslasern ist problematisch, da die defokussierte Strahlung auf die Malschicht durchdringt, deren Schädigungsschwelle in der Regel deutlich unter der Abtragsschwelle der Schleier liegt. Prinzipiell wäre der Einsatz präzise fokussierter, anhand von 3D-Scans geführter Faserlaser denkbar. Zustellgenauigkeit und flächige Auflösung verfügbarer Lasersysteme ermöglichen bisher jedoch keine ausreichend sichere Reproduktion der Topographie einer Wandmalereioberfläche.
Die chemische Entfernung der aufliegenden Gipsschleier, wie auch der Vergipsung der Malschicht ist prinzipiell mit der Ammoniumkarbonatmethode, sowie mit carbonatgeladenen Ionenaustauscherharzen möglich. Die Wirksamkeit beider Gipsumwandlungsverfahren ist jeweils stark von der Morphologie des Schadens und den maltechnischen Parametern abhängig. Hier konnte keine Systematik herausgearbeitet werden, vielmehr muß in kleinstem Maßstab, beispielsweise an Konturen der Malerei, mit Umschlägen gerechnet werden. Die für die jeweilige Malereipartie sinnvollste Behandlungsmethode kann deshalb nur vorab durch Handproben ermittelt werden. Dabei ist der gesamte Konservierungsprozeß zu betrachten, da beispielsweise die Applikation von Entsalzungskompressen im Anschluß an eine Gipsbehandlung schon bei der Vorfestigung vorbereitet werden muß.
Durch Gipsumwandlung mit carbonatgeladenen Ionenaustauscherharzen können die Gipsschleier weitgehend reduziert und somit die Ablesbarkeit der Malerei wiederhergestellt werden. Mit der Ammoniumkarbonatmethode wäre sogar eine vollständige und nahezu rückstandsfreie Reduzierung der Gipsbelastung möglich. Wegen des Risikos von Pigment- und sonstigen Farbveränderungen sollte die Methode jedoch auf mittelelterlichem Malereibestand gar nicht und auf Ergänzungen aus dem 19. Jahrhundert nur dort angewendet werden, wo mit Ionenaustauschern kein optisch befriedigender oder ausreichend stabiler Zustand erreicht werden kann.
Die an der Putzoberfläche konzentrierten hygroskopischen Salze haben bislang augenscheinlich das Schadenspotential der Gipsbelastung herabgesetzt, vermutlich durch die Pufferung von Luftfeuchteschwankungen an der Malereioberfläche. Eine Entsalzung kann hier kontraproduktiv sein.
Das für die Rasterfeuchtemessung am Malgrund eingesetzte Mikrowellenmeßsystem eignet sich aufgrund seiner in die Tiefe stark abnehmenden Empfindlichkeit für die Visualisierung der flächigen Verteilung hochhygroskopischer Salze.
Eine für die Materialfeuchteanalyse mittelalterlicher Backsteinmauerwerke getestete kapazitive Tiefensonde bietet gegenüber der etablierten gravimetrischen Analyse an Materialproben eine höhere Meßgenauigkeit und die beliebige Wiederholbarkeit der Messungen ohne neue Eingriffe in das Bauwerk.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Nach Abschluß des parallel laufenden DBU-Forschungsprojektes AZ 23375-45 Sanierung des Grünalgenbefalls an der Kirche Poseritz werden die Projektergebnisse in einem gemeinsamen öffentlichen Projektkolloquium vorgestellt. Der Abschlußbericht wird über die Online-Datenbank hericare des Hornemann-Instituts der Fakultät Erhaltung von Kulturgut der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen öffentlich zugänglich gemacht.
Fazit
Die Vorgehensweise bei der Erarbeitung der Projektziele hat sich bewährt, Änderungen der Zielsetzung sind bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen aus derzeitiger Sicht nicht erforderlich.
Fördersumme
34.650,00 €
Förderzeitraum
31.05.2007 - 31.08.2009
Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern
Schlagwörter