Zweite Phase des Projektes Entwicklung eines integrierten Steuerungs- und Betriebsverfahrens für die Teilsysteme Kanalnetz und Kläranlage zur deutlichen Reduzierung der Gewässerbelastung
Projektdurchführung
Institut für technisch-wissenschaftliche
Hydrologie GmbH
Engelbosteler Damm 22
30167 Hannover
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Um die in der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU, 2000) vorgegebene Zielsetzung der guten ökologischen Gewässerqualität erreichen zu können, ist als Beitrag der Siedlungswasserwirtschaft eine Betriebsoptimierung des gesamten Abwassersystems nötig. Ziel des Forschungsvorhabens war die Ent-wicklung eines Regelungskonzeptes, in dem der Kläranlagenzufluss flexibel an die verfügbaren Kläran-lagenkapazitäten angepasst wird. Somit können vorhandene Abwassersysteme sehr effizient genutzt und die Emission in die Gewässer verringert werden.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn dem Forschungsprojekt wurde in der zweiten Phase, nachdem in der ersten Phase eine Durchführung grundlegender Voruntersuchungen erfolgte, Steuerungskonzepte entwickelt und auf der Kläranlage Chemnitz großtechnisch erprobt. Folgende Arbeiten wurden im Einzelnen durchgeführt:
Kalibrierung und Optimierung des integrierten Modells von Kanalnetz und Kläranlage anhand zusätzlicher Messinformationen zur bestmöglichen Abbildung der realen Prozesse. Das Modell wurde eingesetzt für eine Fallstudie sowie für den Test des entworfenen Fuzzy-Reglers.
Auswertungen vorliegender Messdaten (Zeitraum 3 Jahre) zur Identifizierung maßgebender Belastungsgrenzen der Kläranlage sowie zur Identifizierung von Messgrößen, die die Belastungszustände und die Leistungsfähigkeit kritischer Prozesse wiedergeben. Diese werden als Störgrößen im Regelungskonzept verwendet.
Entwurf des fuzzybasierten Regelungskonzeptes. Neben den unmittelbar messtechnisch erfassten Störgrößen wurden auch einfache kinetische Modelle getestet.
Installation und Erprobung des Reglers in der Großtechnik.
Ergebnisse und Diskussion
Die Modelle HYSTEM-EXTRAN-GÜTE (itwh) und SIMBA (ifak, Magdeburg) wurden anhand von Routi-ne- und Sondermessungen kalibriert und mittels der Regelungssoftware itwh.CONTROL gekoppelt. Die mit dem Gesamtmodell erzielte Modellgüte ist für den Anwendungsfall, integrierte Fallstudien durchzuführen und ein Regelungskonzept simulativ zu testen, hinreichend genau. Vor dem Hintergrund des Reglerentwurfs wurden Belastungsgrenzen und potentielle Störgrößen der KA Chemnitz ermittelt. Die Untersuchung der bautechnischen Limitierungen zeigte, dass der Mischwasserzufluss von ca. 11.000 m³/h die Obergrenze ist, die hydraulisch aufgenommen werden kann. Messdatenauswertungen eines Messzeitraums von 3 Jahren führten zu detaillierten Erkenntnissen hinsichtlich der einzelnen Reini-gungsprozesse.
Das Regelungssystem wurde in der Fuzzy-Logic basierten Software CONTROL (itwh) erstellt. Der dar-in enthaltene Regelinterpreter verarbeitet Informationen über Systemzustände aus Messdaten auf der Grundlage einer vorgegebenen Regelbasis und liefert neue Sollwerte für den Zufluss zur Kläranlage.
Ideale Störgrößen haben einen Prognosehorizont vom Auftreten der Auffälligkeit bis zum erhöhten Wert im Ablauf der Kläranlage, da nur so eine gewisse Zeit mit Handlungsspielraum zur Reduzierung des Zu-flusses zur Verfügung steht. Viele verfügbare Messdaten in Chemnitz können sinnvoll als Störgrößen mit und ohne Prognosehorizont in das Konzept eingebunden werden. Zusätzlich zum direkten Bezug auf Messdaten wurde die Verwendung von Vorhersagen mittels vereinfachter kinetischer Prozessmodelle hinsichtlich der Stickstoffelimination als Störgrößen geprüft. Durch die Modellvereinfachungen ließen sich die für die zuverlässige Regelung maßgebenden Spitzen jedoch nicht zufriedenstellend voraussa-gen, so dass dieser Weg deshalb nicht weiter verfolgt wurde.
Das für Chemnitz erstellte Regelungskonzept besteht letztlich aus 38 Regeln. 14 gemessene Eingang- bzw. Störgrößen wirken sich dabei auf die Stellgröße - den Zufluss zur Kläranlage - aus. Die korrekte Wirkungsweise wurde an außergewöhnlich starken realen Regenereignissen, die zu kritischen Zustän-den im Reinigungsprozess geführt haben, zunächst simulativ getestet.
Über einen Zeitraum von vier Monaten fand in Chemnitz der Betrieb des Reglers in der großtechni-schen Anlage statt. Insgesamt waren 18 Regenereignisse zu verzeichnen, bei denen der Fuzzy-Regler eingegriffen hat. Die Funktionsweise des Reglers war plausibel und zuverlässig. Mit Ausnahme der Pges-Konzentration im Ablauf der Nachklärung waren alle anderen Störgrößen im normalen Bereich (niedrig bzw. mittel). Die chemische Fällung reagierte nicht auf die Fracht sondern auf die Konzentration, so dass die Ablaufwerte von Pges vereinzelt im Bereich hoch lagen.
Mit Hilfe vereinfachter Bilanzen wurden die NH4-N-Frachten ins Gewässer ermittelt, die aus dem Ablauf der Kläranlage und aus dem Regenüberlaufbecken unmittelbar vor der Kläranlage resultieren. Bei schwächeren Ereignissen kann mit der integrierten Steuerung ein Überlaufen des Beckens vermieden werden, was zu Reduktionen der Fracht ins Gewässer von bis zu 23% geführt hat. Bezüglich der Fließgewässerbelastung sind häufig diese schwächeren Regenereignisse in den Sommermonaten kritisch.
Da die KA Chemnitz bereits heute höher als nach A 198 beschickt wird (QZ,max,A198: 5.000 - 8.580 m³/h!), ist zu erwarten, dass die Reduktion der Gesamtemission durch die dynamische Zuflussregelung sogar höher ausfallen würde, wenn eine gemäß A198 betriebene Kläranlage als Referenz dient.
Insgesamt wurden durch die Steuerung des Zuflusses zur Kläranlage von Mitte Juni bis Ende August 2008 ca. 2.800 kg CSB, 130 kg NH4-N und 35 kg Pges weniger ins Gewässer eingetragen.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Nachfolgend ist eine kleine Auswahl aus zahlreichen Präsentationen und Veröffentlichungen dargestellt, die über die 2. Projektphase erfolgten: insgesamt Ergebnisvorstellung in 11 Vorträgen (davon 8 mit Schriftbeitrag bzw. Veröffentlichung) und 1 Veröffentlichungen in Fachzeitschrift):
Seggelke K. (2007). Integrierte Bewirtschaftung von Kanalnetz und Kläranlage. Vortrag im Rahmen des Dresdner Kolloquiums zur Siedlungswasserwirtschaft: Integration in der Abwasserentsorgung. Dresdner Berichte 29, S.75-98.
Seggelke, K., Fuchs, L., Tränckner, J., Krebs, P. (2008). Development of an integrated RTC system for full-scale implementation, 11th ICUD (International Conference on Urban Drainage), Accepted for publi-cation in Water Science and Technology.
Seggelke, K., Tränckner, J., Fuchs, L., Krebs, P. (2009). Fuzzybasierte Regelung des Mischwasserzuflusses - Großtechnische Untersuchung zur Integration von Kanalnetz & Kläranlage. Erscheint in KA - Wasserwirtschaft, Abwasser, Abfall im Februar 2009.
Fazit
Die Regelung des maximalen Mischwasserzuflusses zur Kläranlage ist eine effiziente Methode, um die verfügbaren Kapazitäten des Gesamtsystems Kanalnetz und Kläranlage bestmöglich auszunutzen.
Mittels einer fuzzybasierten Regelung konnte großtechnisch die gesamte Entlastungsfracht ins Gewässer reduziert werden, ohne den Betrieb der Kläranlage zu gefährden. Das entworfene Regelungssystem kann konzeptionell auf andere Einzugsgebiete übertragen werden, jedoch ist eine individuelle Systemanalyse sowie die maßgeschneiderte Ermittlung von Störgrößen und deren Bereichsgrenzen in Abhängigkeit der jeweiligen Randbedingungen unumgänglich.
Fördersumme
159.199,00 €
Förderzeitraum
29.06.2006 - 29.12.2007
Bundesland
Niedersachsen
Schlagwörter
Ressourcenschonung
Umwelttechnik