Modellhafte Schadensanalyse und Entwicklung eines Restaurierungskonzeptes zur Beseitigung der Umweltschäden an den mittelalterlichen Glasfenstern der Marienkirche in Frankfurt/Oder (Brandenburg)
Projektdurchführung
Stadt Frankfurt (Oder)
Marktplatz 1
15230 Frankfurt
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Nach der Rückkehr der ca. 60 Jahre ausgelagerten Glasmalereien erfolgte zunächst der Werkstattaufbau. Das Ziel der ersten Arbeitsphase war die Erstellung eines modellhaften Konservierungs- und Restaurierungskonzeptes für die mittelalterlichen Glasmalereien unter Berücksichtigung der umweltbedingten Schäden an der Glassubstanz, am Blei und an der Bemalung. Dafür ist eine ausführliche Bestands- und Zustandsaufnahme, eine Schadensanalyse sowie die Dokumentation der Felder erforderlich.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDer Verwitterungsgrad der Glasfenster, besonders der Außenseiten, zeigt unterschiedliche Schadensausprägungen. Gezielte mikroskopische und makroskopische Untersuchungen der Oberflächen ermöglichten eine Klassifikation und Einordnung des Schadenspotentials in unterschiedliche Verwitterungsstadien. Laboruntersuchungen zeigten, inwieweit es sich bei den Belägen auf der Glasoberfläche um ausschließlich durch starke Umweltbelastung hervorgerufene Verwitterung der Glassubstanz selbst oder um aus der Luft extern angelagerte Auflagerungen handelt. Des Weiteren wurde das Phänomen der auf der rückseitigen Glasoberfläche partiell aufliegenden, glänzenden Schicht durch analytische Untersuchungen in seiner Zusammensetzung definiert. Durch die exakte mikro- und makroskopische Be- und Zustandsanalyse konnte der Schädigungsgrad der Glasfenster in dem speziell auf die Schäden ab-gestimmten graphischen Dokumentationsschema erfasst werden. Der für alle Korrosionsstadien und sonstigen Schadensphänomene angelegte fensterspezifische Schadenskatalog bündelt alle Informationen. Unterstützend zu diesen Vorarbeiten fand am 10./11. April 2003 ein Restauratorentreffen in der St. Marienkirche statt. Gemeinsam wurden mit den Kollegen die Problematiken und Sonderphänomene diskutiert. Für die spätere Restaurierung ist die summarische Erfassung und die Aufstellung einer Statistik der zahlreichen fehlenden Glasstücke innerhalb der einzelnen Felder von besonderer Bedeutung. Ein weiterer Punkt war die Frage der Ergänzung der sechs fehlenden Glasfelder. Zur Entscheidungsfindung konnte ein Treffen mit Experten in Zusammenarbeit mit dem BLDAM beitragen. Elektronenmikroskopi-sche Untersuchungen von Reinigungsproben konnten den Restauratorinnen Anhaltspunkte für die Intensität von Reinigungsmaßnahmen geben.
Ergebnisse und Diskussion
Im Abschlusskolloquium konnte dem Beirat und den Fachkollegen das Konservierungs- und Restaurierungskonzept vorgestellt werden. Durch Materialanalysen einzelner Oberflächenproben konnte nachgewiesen werden, dass frühere Restaurierungsmaßnahmen, wie das Überglasungsverfahren, die Behandlung mit Wachs, mit öligen Substanzen oder Wasserglas an den Frankfurter Glasmalereien nicht durch-geführt worden sind. Die auffällig glänzenden Oberflächen, sowohl auf den Vorderseiten als auch insbesondere auf den Rückseiten der Gläser, wurden vorwiegend als Glassubstanz und Glaskorrosion identi-fiziert. Dabei handelt es sich ausschließlich um Gipsbeläge, bestehend aus Calciumsulfat mit geringen Mengen von Gelglaspartikeln. Durch die elektronenmikroskopische Auswertung der Reinigungsproben ließen sich gezielte Aussagen über den Reinigungserfolg - im Zusammenhang mit der Abtragungsintensität bzw. der schädigenden Wirkung der verschiedenen mechanischen Reinigungsmethoden - auf die unter der Korrosionsschicht liegende empfindliche Gelschicht vornehmen. Daraus ergab sich, dass bei den inhomogenen und empfindlichen Gläsern der Frankfurter Glasmalereien, die Reinigungsmaßnahmen mit größter Zurückhaltung durchzuführen sind und die besonders dicken porösen Wettersteinkrusten auf den Rückseiten nur dort vorsichtig ausgedünnt werden können, wo dies ohne Schädigung der darunter liegenden Gelschicht und des Kernglases möglich ist. Bei der Bestandserfassung stellte man überdies fest, dass sich auf den Rückseiten außergewöhnlich viele Bemalungsreste befinden, die keinesfalls in Mitleidenschaft gezogen werden sollten. Reinigungsproben zeigten, dass die Schmutzkrusten auf den Vorderseiten der Gläser, insbesondere in den Sprungkanten, mechanisch abgenommen bzw. reduziert werden können.
Makroskopische Untersuchungen ergaben, dass die vorderseitige Bemalung relativ gut erhalten ist und nicht gefestigt werden muss. Lose Partien der rückseitigen Bemalungsreste sollen dagegen mit einem Konservierungsmaterial gesichert werden. In der wichtigen Frage der Ergänzung fehlender Stücke und im Umgang mit den zu hellen Ergänzungen aus dem 19. Jahrhundert konnte nach intensiven Diskussionen ein gemeinsamer Weg gefunden werden. Diese Ergänzungsgläser aus der Restaurierungsphase unter Schinkel (ca. 1830) sollen als technisches Zeugnis einer frühen Restaurierungsmaßnahme aus dem 19. Jahrhundert weitgehend erhalten bleiben. Die zu hellen Ergänzungen sollen möglichst durch einen der Umgebung angepassten Farbton verändert werden. Die vielen zu ergänzenden Bereiche, bei denen weder der Farbton noch die Zeichnung nachvollziehbar sind, sollen möglichst neutral geschlossen werden.
Das Ergänzungskonzept sieht vor, die fehlenden Stücke mit Gläsern zu ergänzen, die mit einem der Umgebung angepassten Mischton versehen und durch ein Punktraster gekennzeichnet sind. Bei der Vielzahl von Ergänzungen kann dadurch eine einheitliche Linie, eine Systematik eingehalten werden. Ist durch ein Reststück die Farbigkeit des zu ergänzenden Glases bekannt, sollen das Punktraster und der Mischton auf ein farblich angepasstes Glasstück aufgebracht werden. Nach ausführlichen Diskussionen und dem Abwägen der Standpunkte mit Experten der Kunstgeschichte entschied man sich bei Fehlstellen, deren einstige Bemalung durch die Fotos von 1943 belegt ist, die Schwarzlotbemalung zu rekonstruieren, um so diese Informationen weiterzugeben. In Bereichen, deren Zeichnung nicht klar und eindeutig nachgewiesen ist, soll die Bemalung nicht rekonstruiert werden. In der Frage der Rekonstruktion der sechs fehlenden Felder wurden verschiedene Modelle angefertigt. In der Frage der Neuordnung der Felder ist man bisher noch zu keinem Ergebnis gekommen. Vielmehr schlug der Beirat vor, die bisherigen Recherchen und Versuchsreihen weiterzuführen und diese Fragen zu einem späteren Zeitpunkt erneut in einer gesonderten Veranstaltung aufzugreifen und zu diskutieren.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Die interessierte Öffentlichkeit kann sich in einer fortlaufenden Ausstellung, in der jeweils vier mittelalterliche Glasfelder zu sehen sind, über den Zustand der Felder informieren. Die Ausstellung wird in einem Rhythmus von ca. 8 Wochen regelmäßig gewechselt. Zudem konnte die Öffentlichkeit durch die überregionale und die regionale Presse, durch Rundfunk- und Fernsehanstalten wie z. B. ZDF, MDR, Rundfunk Berlin-Brandenburg und durch das Stadtfernsehen Frankfurt (Oder) am aktuellen Geschehen teilhaben und wurde z.B. über die Ergebnisse aus den Restauratorentreffen und dem Fachgespräch zum Thema Ergänzungen informiert. Schließlich wurden die Ergebnisse der Voruntersuchungen und das vom Beirat bestätigte Restaurierungs- und Konservierungskonzept auf einer Pressekonferenz im Rathaus der Stadt Frankfurt (Oder) durch einen Vortrag von Frau Möhrle am 25. September vorgestellt.
Fazit
Dank der ausführlichen Voruntersuchungen konnte ein fensterspezifisches Restaurierungs- und Konservierungskonzept erarbeitet werden, welches für alle 111 Felder angewendet werden kann. Dies dient als Grundlage für die Restaurierung der Frankfurter Glasmalereien.
Fördersumme
40.000,00 €
Förderzeitraum
08.08.2002 - 08.08.2003
Bundesland
Brandenburg
Schlagwörter
Klimaschutz
Kulturgüter
Umweltforschung
Umwelttechnik