Pflege und Entwicklung von naturnahen Waldbächen und lichten Waldlebensräumen am Beispiel Feuersalamander und Reptilien im Ilm-Kreis, Thüringen (Hauptphase)
Projektdurchführung
Landratsamt Ilm-Kreis
Ritterstr. 14
99310 Arnstadt
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Die Populationen des Feuersalamanders und der Reptilienarten Kreuzotter, Schling- und Ringelnatter im Ilm-Kreis/Thüringen sind in den letzten 100 Jahren deutlich zurückgegangen. Dieser Rückgang hängt mit dem Verlust an Lebensräumen zusammen, der vor allem durch den Anbau großflächiger, nadelbaumdominierter Altersklassenwälder und durch den Rückgang der natürlichen Strukturdiversität in Quellbächen verursacht wurde. Im Projekt werden verschiedene waldbauliche Maßnahmen in ausgesuchten Lebensräumen und die strukturfördernde Einbringung von Starktotholz in Quellbäche untersucht. Durch exemplarische Entwicklung und Erhaltung naturnaher Waldquellbachtäler und lichter Waldstrukturen sollen Erkenntnisse gesammelt werden, welche Maßnahmen in das naturnahe Waldbaukonzept der Thüringer Forstverwaltung eingebunden werden können, um Grundlagen für Programme mit überörtlicher Bedeutung zu schaffen. Die Tierarten dienen dabei als Leitarten für die entsprechenden Lebensgemeinschaften.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn einer einjährigen Voruntersuchung (05.2002 bis 05.2003; Az. 19486/01) wurden Leitbilder für die verschiedenen waldbaulichen Maßnahmen in unterschiedlichen Lebensräumen (Felshalde, -bereich, Felsen, skelettreicher Hang, Quellbachtal, Waldrand, Waldwegrand, Jagdschneise, aufgelassener Steinbruch, Zwergstrauchheide) entwickelt und die entsprechenden Hiebsmaßnahmen teilweise umgesetzt. In der Hauptphase werden die Hiebsmaßnahmen abgeschlossen, ihre Auswirkungen auf die Arten durch die Untersuchung populationsökologischer Parameter, chemischer und mikroklimatischer Faktoren dokumentiert und die Lebensraumansprüche der Arten analysiert. Aus den Ergebnissen werden Empfehlungen für den Waldbau in ausgesuchten Lebensräumen abgeleitet sowie in Fortbildungen und Vorträgen Forst- und Naturschutzmitarbeiter geschult und informiert. Durch ein dreijähriges Schulprojekt und umfangreiche populärwissenschaftliche Öffentlichkeitsarbeit über die regionale und überregionale Tagespresse, über Vorträge, Exkursionen, Stelltafeln in ausgesuchten Schlangenlebensräumen und Poster ü-ber die Biologie und Ökologie der Arten soll die Bevölkerung in das Projekt eingebunden werden. Für die Verbreitung der wissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse sind Veröffentlichungen und eine nationale Abschlusstagung mit Tagungsband geplant. Die Entwicklung und Erprobung eines Monitoringkonzepts soll die Beobachtung der Arten über den dreijährigen Untersuchungszeitraum hinaus sicherstellen. Jähr-liche Zwischenberichte werden über die Fortschritte des Projekts informieren.
Ergebnisse und Diskussion
Für den Umbau von Fichten-Reinbeständen in Quellbachtälern in naturnähere Bestände hat sich die Auflichtung eines 20 bis 30 m breiten Quellbachsaumes auf einen mittleren Überschirmungsgrad von 30 bis 40 % als ideal erwiesen. Es wird die Entwicklung von Beständen mit ungleichmäßigem, also lückigem Kronenschluss empfohlen. Erreicht der mittlere Überschirmungsgrad nach einigen Jahren wieder 50 - 55 %, ist eine erneute Hiebsmaßnahme durchzuführen. Die Förderung von Laubbäumen durch Freistellung und Unterstützung der natürlichen Verjüngung durch eine konsequente Jagdausübung verbessern nicht nur die Ernährungsbedingungen der Quellbach-Lebensgemeinschaft. Das eingebrachte Totholz erhöhte die Strukturvielfalt der Bachmorphologie in kurzer Zeit. Die Durchgängigkeit der Quellbäche wurde dabei nicht gefährdet. Infolge von Hochwasser wurden lediglich Totholzstücke unter 1 m Länge und 15 cm Durchmesser über maximal 15 m verdriftet. Das Totholz verlängerte den Zeitraum, in dem die Quellbäche Wasser führten.
Für den Waldumbau der Fichten-Reinbestände in allen Teillebensräumen des Feuersalamanders im gesamten Wassereinzugsgebiet der Bäche der submontanen Buchenwaldregion wird ein abgestuftes Vorgehen empfohlen. Der erste Schritt besteht in einer bachbegleitenden Auflichtung und einer Freistellung von Fels-, Blockschutthalden und Felsen. In einem zweiten Schritt werden Laubholzinseln im Wassereinzugsgebiet der Quellbäche entwickelt.
Für die Entwicklung lichter Waldstrukturen in den unterschiedlichen Waldbiotopen hat sich folgendes Vorgehen bewährt. Ursprünglich unbewaldete Lebensräume im Wald wie Fels-, Blockschutthalden, Moore, sonnenexponierte Felsbereiche sollten freigestellt werden. Auf den Säumen dieser Biotope können Bestände mit lückigem Kronenschluss entwickelt werden bei einer mittleren Überschirmung von 30 %. Auf 8 - 10 m breiten Rändern sonnenexponierter Waldwege wird ein Überschirmungsgrad von maximal 30 % empfohlen. Aufgelassene Steinbrüche und Sandgruben können in das Wegrand-Konzept einbezogen werden. Weiterhin hat sich die Anlegung 15 m breiter Jagdschneisen in sonnenexponierten Lagen bewährt. Rückeschneisen in südlicher Ausrichtung können kleinflächig auf 10 m Breite erweitert und freigestellt werden. Ausbreitungslinien mit Sonneninseln können mit 15 bis 50 m breiten Saumschlägen unter Schirm bei lückigem Kronenschluss (variabler Überschirmungsgrad zwischen 15 und 50 %) entwickelt werden.
Für eine Einbeziehung der Entwicklung lichter Waldlebensräume in den naturnahen Waldbau der Thüringer Forstverwaltung wird folgendes Konzept empfohlen. Neben der Freistellung ursprünglich waldfreier Biotope im Wald sollte ein Schwerpunkt der Umsetzung in natürlicherweise lichteren Wäldern auf nährstoffarmen und trockenen, wechselfeuchten und nährstoffarmen sowie mineralischen Nassstandorten liegen. Zu diesen extremen Standorten zählen auch die kammnahen und an den Hangschultern liegenden Bereiche. Diese Schwerpunktgebiete werden durch Wanderkorridore und Trittsteinbiotope auf nährstoffreicheren und feuchteren Standorten verbunden.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Über ein Schulprojekt sowie zahlreiche populärwissenschaftliche Veranstaltungen (Exkursionen, Diavorträge, Ausstellung) und Presseartikel wurden die Projektinhalte und -ziele in die Region eingebunden.
Im Rahmen von Fortbildungsmaßnahmen wurden in den Jahren 2004 - 2006 zwischen 80 und 120 Mitarbeiter der Forst-, Naturschutz- und Wasserwirtschaftsverwaltung durch die Parcours naturnahe Bachtäler und lichte Waldlebensräume geführt. Artenschutzfachliche Waldbauempfehlungen und Quellmappen, die den Verwaltungsmitarbeitern übergeben wurden, informieren über die Bewirtschaftung, Ökologie und Bedeutung der Lebensräume. Eine Ausstellung im Naturkundemuseum Erfurt, eine nationale Abschlusstagung in Erfurt und die Veröffentlichung der Vorträge im Naturschutzreport unterstützen die überregionale Verbreitung der Projektergebnisse. Vorträge auf Workshops und Tagungen sowie bis-her 7 Fachveröffentlichungen komplettieren diese Bemühungen.
Fazit
Die unterschiedlichen Maßnahmen bedeuten nur leichte Veränderungen in der bisherigen Nutzung und können deshalb in die alltägliche Waldbewirtschaftung einfließen. Im Zusammenhang mit einer Umstellung auf einen naturnahen Waldbau bringen sie teilweise ökonomische Vorteile, teilweise sind sie aufkommensneutral. Über die konzeptionellen Empfehlungen wurden sie in das naturnahe Waldbaukonzept der Thüringer Forstverwaltung eingebunden. Die Fortbildungsmaßnahmen und andere Veranstaltungen zur Öffentlichkeitsarbeit ermöglichten die überregionale Verbreitung der Projektziele und -ergebnisse.
Eine landesweite Umsetzung dieser Konzepte würde durch die Entwicklung weiterer Schwerpunktgebiete in Thüringen, außerhalb des Ilm-Kreises, erheblich gefördert werden.
Fördersumme
328.711,00 €
Förderzeitraum
01.01.2004 - 30.06.2007
Bundesland
Thüringen
Schlagwörter
Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umwelttechnik