Projekt 19357/01

Bergbaufolgelandschaften – Chancen zur Integration von Wildnisgebieten in die Kulturlandschaft am Beispiel der Goitzsche

Projektdurchführung

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland(BUND) e. V.Landesverband Sachsen-Anhalt
Olvenstedter Str. 10
39108 Magdeburg

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Der Ansatz, Flächen bewusst, völlig und langfristig ihrer natürlichen Entwicklung zu überlassen (Prozessschutz) ist bislang nur in wenigen Kernzonen von Nationalparken und Naturschutzgebieten verwirklicht worden. Erstmalig soll dies nun vergleichsweise großflächig in der anthropogen entstandenen Bergbaufolgelandschaft (BFL) realisiert werden. Hierzu erfolgt eine Auswahl und Sicherung geeigneter Gebiete im ehemaligen Tagebau Goitzsche. Daraus resultiert die Notwendigkeit der Erstellung von Konzeptionen, die die Interessen des Naturschutzes untereinander und diese wiederum mit konkurrierenden Nutzungsabsichten bereits frühzeitig in Einklang bringen, ohne dass substanzielle Abstriche an den naturschutzfachlichen Zielstellungen notwendig werden. Hauptaufgabe des Forschungsprojektes ist somit die wissenschaftliche Absicherung und Präzisierung bei der Gebietsauswahl, die Lösung ggf. auftreten-der naturschutzinterner Zielkonflikte und das Aufzeigen von Möglichkeiten wie Wildnisgebiete möglichst konfliktarm in die umgebende Kulturlandschaft integriert werden können. So sollen z. B. mit Hilfe einer gezielten Besucherlenkung und -information einerseits sensible Bereiche vor negativen Störeinwirkungen geschützt, andererseits aber die Besonderheiten der Landschaft besser erlebbar gemacht wer-den.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenAbiotik und biotische Ausstattung werden über bereits vorhandene Daten (aus vorangegangenen Forschungsprojekten etc.) und (ergänzend) durch eigene Erhebungen ermittelt. Auf dieser Grundlage werden bzw. wurden geeignete Flächen ausgewählt und durch Ankauf gesichert. Die zu erwartende Entwicklung der dortigen Artengefüge und Biotope bei Verwirklichung eines uneingeschränkten Prozessschutzes wird durch eine Prognose aufgezeigt. Eine Bewertung des aktuellen und prognostizierten Zustandes liefert Erkenntnisse über eventuelle naturschutzinterne Zielkonflikte, die diskutiert und unter Beachtung verschiedener Belange (z. B. Kosten-Nutzen-Verhältnis) gegeneinander abgewogen werden. Auf der Grundlage der Analyse erfolgt die Ableitung eines naturschutzfachlichen, räumlich teils differenzierten Leitbildes. Externe Nutzungsinteressen, die dem Leitbild entgegenstehen, werden aufgezeigt, entsprechende Lösungsansätze zur Konfliktvermeidung und -minimierung konzeptionell erarbeitet. Dieser Prozess findet unter ständiger Beteiligung der regionalen Akteure statt.


Ergebnisse und Diskussion

Insgesamt wurden über 1.250 ha Tagebaufolgelandschaft durch Kauf gesichert. Das ist mehr als das dreifache der ursprünglich im Antrag vorgesehenen Flächengröße. Neben den Restlochseen, die sich derzeit überwiegend durch geringe Reifegrade auszeichnen (Vegetationsarmut), sind aktuell vor allem Silbergras-Pionier- und diverse, teils noch lückige Gras- und Krautfluren charakteristische Biotoptypen dieser Gebiete. Ferner kommen lokal bereits Pionierwälder in nennenswertem Umfang vor; auf Restflä-chen von unverritztem Gelände sind darüber hinaus Fragmente mesophiler Laubwälder als Zeugen der vorbergbaulichen Landschaft vorhanden. Werden die Flächen der weitgehend ungestörten Entwicklung überlassen, ist davon auszugehen, dass langfristig lückige Kieferntrockenwälder bzw. mesophile und/oder bodensaure Eichenwälder das Landschaftsbild bestimmen. Bezüglich der Restlochseen ist das zunehmende Aufkommen einer reich strukturierten Verlandungsvegetation anzunehmen. Für höhere Pflanzen und exemplarische Tiergruppen wurden der Ist-Bestand und die voraussichtliche künftige Entwicklung des Artengefüges ermittelt. Eine Bewertung dieser Befunde ergab, dass bei uneingeschränkter Verwirklichung des Prozessschutzes grundsätzlich, abgesehen von lokal auftretenden Sonderfällen, kein Verlust an naturschutzfachlich begründeter Schutzwürdigkeit zu erwarten ist. Darüber hinaus stellt der weitgehend anthropogen unbeeinflusste Ablauf natürlicher Entwicklungen einen Wert an sich dar, der nicht zuletzt auch von größtem wissenschaftlichen Interesse ist. Auf diesen Grundlagen erfolgte die Formulierung eines, teils räumlich differenzierten Leitbildes, das im Wesentlichen dem Prozessschutzgedanken folgt. Im Hinblick auf die erwähnten Sonderfälle wurden ersteinrichtene Maßnahmen vorgeschlagen (einmalige naturschutzfachlich begründete Eingriffe als Starthilfe für die weitere, leitbildgerechte Entwicklung). Nutzungsinteressen der Jagd, Forst- und Wasserwirtschaft, Fischerei und Erholungswesen stehen die erarbeiteten Zielvorstellungen des Naturschutzes in Teilen entgegen. In der Tagebaufolgelandschaft relevant ist außerdem die Intensität der bergbaulichen Sanierung als Nutzungsvoraussetzung. Bei den vier erstgenannten Nutzungsarten ist die Minimierung und Lösung von Konflikten oft bereits bei Ausschöpfung der rechtlichen Rahmenbedingungen möglich, teils allerdings nur unter Anwendung von Sonderregelungen. Angestrebt (und auch erzielt) wurden immer einvernehmliche Lösungen, was eine intensive Kooperation aller Beteiligten voraussetzt. Als beispielgebend kann die ver-einbarte Jagdruhe gelten; entsprechendes wurde außerhalb von Schutzgebieten bisher nicht realisiert. Aus der Zusammenarbeit mit den Akteuren ergaben sich auch vielfältige Möglichkeiten der frühzeitigen Einflussnahme auf noch durchzuführende nachbergbauliche Gestaltungen (verbliebene Maßnahmen der Sanierung, des Wege- und Gewässerausbaus). Bewährt hat sich außerdem das Konzept einer Kombination aus Umweltbildung und Besucherlenkung, um einerseits die Bevölkerung an die Natur heranzuführen (Akzeptanzgewinnung) und andererseits Störungen auf den Flächen so gering wie möglich zu halten (Durchsetzung von Tabuzonen). Verbleibende Handlungserfordernisse ergeben sich vor allem im Vollzug des Flächenschutzes sowie aus rechtlichen und finanziellen Verpflichtungen des Grundeigentümers (z. B. Verkehrssicherungspflicht, Gewässerunterhaltung).


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Inhalte, Aufgaben, Ziele und (Teil-)Ergebnisse des Projektes wurden auf sieben Fachtagungen vorgestellt. Hinzu kommen ca. 100 Vorträge bzw. Exkursionen für verschiedenste regionale Interessengruppen sowie die Teilnahme an mehreren Ausstellungen. Außerdem wird jeden Monat mindestens eine öf-fentliche Veranstaltung zum Thema Natur in der Goitzsche durchgeführt. Zusätzlich sind eigene Materialien zur Öffentlichkeitsarbeit erstellt worden (eine vierteljährlich erscheinende vierseitige Zeitung, drei Faltblätter, ein Plakat, ein Kalender, eine Präsentations-CD und ein Film). Erschienen sind weiterhin drei Fachartikel, die Teilaspekte des Vorhabens berühren. Vorgesehen sind darüber hinaus eine allgemein verständliche Broschüre sowie eine abschließende wissenschaftliche Veröffentlichung über Inhalte und Ergebnisse des BUND-Projektes.


Fazit

Das Forschungsprojekt befasst sich mit der Sicherung vergleichsweise großflächiger Prozessschutzgebiete in der Bergbaufolgelandschaft und ihrer Integration in die umgebende Kulturlandschaft. Die Ergebnisse sind auch auf andere Gebiete übertragbar. Flächenauswahl, Bewertung und detaillierte Zielfindung erfolgen anhand bereits vorhandener Daten, ergänzt durch eigene Erhebungen. Die gewonnenen Erfahrungen haben gezeigt, dass Prozessschutz in der Tagebaufolgelandschaft eine fachlich geeignete und lohnende Zielstellung des Naturschutzes ist, und dass bei hinreichender Beteiligung aller Akteure, begleitet durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, einvernehmliche Lösungen zur Einbettung von Naturentwicklungsgebieten in anthropogen überprägte Landschaften möglich sind, selbst wenn die betreffenden Flächen nicht in streng reglementierten staatlichen Schutzgebieten liegen. Gleichwohl kann der letztendliche Vollzugserfolg und die Beständigkeit des Vorhabens erst in entsprechend späteren Zeiträumen beurteilt werden.

Übersicht

Fördersumme

319.221,51 €

Förderzeitraum

01.04.2002 - 01.04.2005

Bundesland

Sachsen-Anhalt

Schlagwörter

Naturschutz
Umwelttechnik