Projekt 18846/01

Modellhafte Risssanierung (einschließlich Naturstein- und Fugenarbeiten) am umweltgeschädigten Chor der Stadtkirche St. Marien zu Weißenfels unter besonderer Berücksichtigung fortdauernder Bewegungsprozesse im Untergrund

Projektdurchführung

Ev. Kirchengemeinde St. Marien Weißenfels
Marienkirchgasse 3
06667 Weißenfels

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Neben denkmalgefährdenden Schäden im Dachbereich stellt sich ein bedrohliches Schadensbild im Fassadenbereich, Chorinnenraum und Fundamenten dar. Über einen langen Zeitraum haben sich vor allem im Chorbereich gravierende Risse im Mauerwerk eingestellt, welche vertikal fortlaufend von der Gründung über Maßwerkteile der Chorfenster bis zum Traufbereich zu innen und außen sichtbaren Verformungen und Gewölbeabrissen führen. Durch komplexe Voruntersuchungen soll der anthropogene Umweltschaden in der falschen Baugrundverfüllung, sowie eventuell anderer Ursachen und den dadurch verursachten Bewegungen im Untergrund des Bauwerks untersucht und die Grundlage für die Schadensbeseitigung herbeigeführt werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenHauptaugenmerk für die Voruntersuchungen war der Chorbereich. Umfassende Kartierungen des Rissbildes in fotogrammetrischen Wandabwicklungen, der Einbau eines Datenloggersystems des IDK zur Rissmessung in Langzeitbeobachtung, die Kontrolle der Bewegungsprozesse sowie weitergehende Baugrund- Feuchtigkeits- und Materialuntersuchungen werden die Grundlage für die Entscheidungsfindung hinsichtlich der statischen Sicherung bilden. Unter der Annahme weiterer zukünftiger Bewegungen aus dem Baugrund heraus sollte die Konsolidierung des Mauerwerks durch Risseschließung unter der Beachtung der Gelenktheorie mit kompensierbaren Stoffen und Techniken erreicht werden. Mit neu zu entwickelnden händischen Methoden und bauwerksgerecht einzustellenden, Verfüllmörteln sind gerissene Natursteinbereiche zu sichern und das Mauerwerk nachzuverfugen. Die Funktionalität dieser Materialien bei weitergehenden dynamischen Belastungen ist im Verlauf der Untersuchungen zu definieren und Ergebnis des Modellverfahrens. Alternative, herkömmliche Methoden zur statischen Mauerwerkssicherung über sich in Bewegung befindlichen Bauteilen werden im Verlauf kritisch hinterfragt, um ihre Anwendung bei ähnlich gelagerten Fällen ausgrenzen zu können. Begleitende restauratorische Analysen im Zusammenwirken mit der Abteilung Restaurierung des LfD S.-A. zu Wandmalereien im Chor dienen der optimalen Innenraumgestaltung nach erfolgten Sicherungsarbeiten am Mauerwerk.


Ergebnisse und Diskussion

Im Rahmen des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projektes wurden Sanierungsvorbereitende und baubegleitende Untersuchungen (Fotogrammetrie zur Fassadenschadens- und risserfassung, Mörtelanalyse, Erweiterte Baugrunduntersuchungen, Erweiterte Anwendung eines Datenloggersystems zur Langzeitrissmessung) durchgeführt:
Die Baugrunduntersuchung ergab, dass sich die vermuteten Bewegungen infolge Fliessand und wechselndem Grundwasserstand als Ursache der Gebäuderisse nicht bestätigten bzw. nicht nachgewiesen werden konnten. Vielmehr führte die ungleichmäßige Ausführung der Fundamente und damit verbundenen unterschiedlichen Auflagerbedingungen u. a. zu Setzungen, jedoch konnte der Nachweis, ob die an der Kirche St. Marien vor Sanierungsbeginn vorhandenen Risse, sich ausschließlich darauf begründeten, nicht ausreichend erbracht werden. Dies bestätigte auch der Abschlußbericht zu den Klima-, Riss- und Materialfeuchteuntersuchungen.
Die Langzeitrissüberwachung mittels Einbau eines Datenloggersystems des IDK und die Auswertung der Messergebnisse bildete eine fundamentale Grundlage zur Sanierung. Im Ergebnis der Untersuchung wurde festgestellt, dass Infolge von Temperatureinflüssen es zur Dehnung und zum Zusammenziehen der Mauerwerkes kommt, d. h. die Veränderung der Rissbreiten ist vordergründig von den jahreszeitlichen Temperaturen abhängig. Eine vollständige Zurückstellung der Risse in der Ausdehnung kann nicht erfolgen bei Einbau von zu hart abbindendem Fugenmaterial und wenn bei Rissverbreiterung infolge thermischer Einflüsse loses Flankenmaterial in die Risse einrieselt.
Der innovative Ansatz zum Modellcharakter des Projektes liegt u.a. in der erweiterten Anwendung des vom IDK entwickelten Rissmesssystems zur Langzeitbeobachtung, die Verknüpfung aller Untersuchungsergebnisse als Grundlage zur Schadenssanierung und die damit auch mögliche Material- und Ausführungstechnikauswahl. Folgende Ergebnisse wurden diskutiert und in die Praxis innovativ umgesetzt:
- Auswahl von Materialien zur Rissschließung, Putzsanierung, Putzergänzung, Innenanstrich aus einem Materialsystem (Kalkmörtel, traditionell aus trockengelöschtem Kalk, Kalkmörtel unter Zusatz von Kälberhaaren, Kalkspachtel zum Ausgleich unterschiedlicher Untergründe, Kalkanstrich auf Putz)
- Verfugung des Natursteinmaterials, dem Sandstein in seinen Eigenschaften angepasst
- Anwendung eines DBU-Projektes zur Restaurierung und Schutz historischer Bleiglasfenster
- Anwendung einer historischen Mörtelherstellungstechnik durch Anlegen von Kalkmieten
- Auswahl äußerst kostengünstiger Materialien und Ausführungstechniken
- Verzicht auf teure Rissverankerungen und umfangreiche Verpressarbeiten
- Ausschluss finanziell u. technisch aufwendiger Methoden zur Baugrund- u. Fundamentstabilisierung
- Auswahl und Einsatz von relativ weichem Fugenmaterials, verstärkt durch natürliche Stoffe, die das Nachrieseln von Material in sich bewegende Fugen verhindern (Kälberhaare). Es ist davon auszugehen, dass diese Stoffe und Techniken, die zum Einsatz gelangten, die zukünftigen Bewegungen und weiterführenden dynamischen Belastungen kompensieren.
Fakt ist, dass in ähnlichen Fällen nach Möglichkeit auf umfangreiche Verpress- und Vernadelungsarbeiten verzichtet werden sollte, da bei in Bewegung stehenden Bauwerken mit beschriebenem Schadensbild und -ursachen neben den sanierten Rissbereichen gleiche Schadensbilder erneut auftreten könnten.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Zielstellung wurde an Ausstellungstafeln zur 700-Jahrfeier der Stadtkirche St. Marien dokumentiert. Der Bericht zum Modellvorhaben wird dem Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau (IRB) übergeben.


Fazit

Die Auswertung der Sanierungsergebnisse und der Methoden an einem ähnlich gelagerten Problem an der Moritzkirche in Halle und die Komplexuntersuchungen an der Marienkirche in Weißenfels gestatte die innovative Überlegung und Umsetzung kostengünstiger und bauwerksspezifischer Sanierungstechnik und Materialauswahl, die so in Sachsen-Anhalt noch keine Anwendung fand.
Äußerst positiv wirkte sich die Einbeziehung der Fachspezialisten z. B. auch des Landesamtes für Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt und des Instituts für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen Halle aus, die ihrerseits auch bereits gewonnenen Erfahrungen zur Problematik an anderen Bauwerken einbrachten.
So wurde erstmalig in Sachsen-Anhalt zur Schließung von Rissen trockengelöschter Kalk gemischt mit Haarkalk eingesetzt.
Gleichzeitig konnte der Nachweis erbracht werden, komplizierte und kostenintensive Bauwerkssanierungstechniken ausschließen zu können. Nur so war es möglich erhebliche Sanierungskosten auf ein Mindestniveau zu beschränken aber auch Folgeschäden nach der Sanierung weitestgehend ausschließen zu können.

Übersicht

Fördersumme

102.258,38 €

Förderzeitraum

28.05.2001 - 28.05.2003

Bundesland

Sachsen-Anhalt

Schlagwörter

Kulturgüter
Umwelttechnik