Projekt 18465/01

Modellhafte Untersuchungen und Erhaltung von umweltgeschädigten Marmortumben des 17. Jahrhunderts auf dem Jüdischen Friedhof Königstraße in Hamburg-Altona

Projektdurchführung

Stiftung Denkmalpflege Hamburg
Dragonerstall 13
20355 Hamburg

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Auf dem jüdischen Friedhof Hamburg-Altona, Königstraße, befinden sich 53 kostbare Marmor- und mehrere Kalksteingrabmale aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Es handelt sich um flach auf dem Erdboden liegende ornamentierte Grabplatten und zeltförmige Grabmale, bei denen aufgrund der zu beobachtenden Umweltschäden Handlungsbedarf besteht. Restauratoren, Naturwissenschaftler und Denkmalpfleger arbeiten hier im Team zusammen. Das Vorhaben wird modellhaft an 53 Marmor- und zwei Kalk-steingrabmalen durchgeführt. Ziele des Projektes sind:· Bestandserfassung,
· Erfassung der Schadensbilder,
· Feststellung der Schadensursachen,
· Konzeption von Restaurierungs- und Konservierungsmethoden,
zum langfristigen Erhalt dieses hochrangigen Kulturgutes.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn einem ersten Arbeitsschritt wurden eine Bestandserfassung der Grabmale anhand von fotografischer Beschreibung und Dokumentation vorgenommen. Reinigungsproben wurden als restauratorische Maßnahmen vorgenommen. Parallel dazu wurde der Vorzustand aufgrund älterer Fotos ausgewertet, vorhergehende Restaurierungsberichte und Literatur ausgewertet.
In einem zweiten Arbeitsschritt wurden stoffkundliche Untersuchungen an den Grabmalen durchgeführt.
Diese umfassen:
1. Petrographische und petrophysikalische Untersuchungen
2. Biologische und chemische Untersuchungen
In einem dritten Schritt fanden (und finden zukünftig) begleitende Analysen des Verwitterungsverhaltens an Vergleichsobjekten (sog. Asterixen und Referenzobjekten) statt. Hierzu wurden verschiedene Marmoren der Nikolaikirche Hamburg, auf ihre Vergleichbarkeit zu den Marmoren des Friedhofes untersucht.


Ergebnisse und Diskussion

Die fotografische Dokumentation und Beschreibung der Grabmale, einschließlich der Gegenüberstellung und Auswertung des Erhaltungszustandes von 1942 bis heute zeigt, dass in den letzten 40 Jahren eine extrem starke Rückwitterung zusätzlich zu Kriegsschäden und Vandalismus zu verzeichnen ist.
Für die Marmore sind kennzeichnend:
1. Multiple Schadensbilder mit extremer Rückwitterung, mit intensiven Rissmustern und ausgeprägtem biologischen Impakt. Die verwitterungsbedingte Oberflächenstruk-turierung lässt sich auf mikroskopische Vorzeichnungen zurückführen.
2. Eine deutliche Gefügeentfestigung/Schädigung durch die Öffnung von Korngrenzen, Zwillingslamellen und Spaltflächen im Marmor, welches u.a. das Eindringen von Mikroorganismen begünstigt. Die Gefügeentfestigung kann zu totalem Materialverlust führen.
Zur Eindämmung der fortschreitenden Schädigungsprozesse sollten Reinigungs-, Restaurierungs-, und Konservierungsmaßnahmen zeitnah vorgenommen werden.
Kalkstein: Die Kalksteingrabmale sind nicht entfestigt. Die unterschiedlichen Verwitterungsphänomene sind durch den wechselnden Gehalt an Fossilien bedingt. Vergleichsmaterial: Vergleichsmaterial der Nikolaikirche aus Carrara Marmor, mit analogem Gefügein-ventar und physikalischen/geochemischen Eigenschaften wie die Grabmale des Friedhofes, sind zur Herstellung der Asterixe geeignet.
Aus den geochemischen Untersuchungen der Umweltdaten lässt sich folgern, dass chemische Verwitterungsprozesse an den Marmor- und Kalksteingräbern auf Grund der in den letzten 20 Jahren abnehmenden Schadstoffkonzentrationen langsamer ablaufen, als in den davor liegenden ca. 100-130 Jahren, in denen eine deutlich höhere Immissionsbelastung vorlag. Durch den Rückgang der SO2 Belastung hat sich die Situation verbessert. Der SO2-Eintrag hat an Bedeutung verloren. Die veränderte Immissionssituation wurde qualitativ bewertet. Eine quantitative Bewertung der Immissionssituation steht noch nicht zur Verfügung. Die Depositionsgeschwindigkeiten von Schwefeldioxid und den Stickoxiden wurden nicht erhoben. Eine Belastung mit löslichen Salzen und eine Kontamination durch Phosphat und Oxalat konnten nicht nachgewiesen werden. Die mikrobiologischen Untersuchungen zeigen, dass alle Gesteinsoberflächen mit Mikroorganismen (Algen und Pilzen) bewachsen sind. Diese greifen entlang von Kristallgrenzflächen unterschiedlich in das Gefüge ein. Fädige Organismen wachsen direkt in die Kristalle hinein und werden noch in mehreren mm Tiefe nachgewiesen, Algen bilden Löcher, bzw. Lösungsnäpfe, in den an der Oberfläche angeschnittenen Kristallen, aus. Durch schnelleren Wasserablauf von den zeltförmigen Ohalim ist die Bewuchsgeschwindigkeit und -ausbreitung geringer als auf den liegenden Grabsteinen. Der Kalkstein weist eine analoge Besiedlung wie der Marmor auf. Durch Anlösung kommt es (insbesondere an den Ohalim) zu einem Verlust der feinen Oberflächenstruktur.
Erreichte Ziele:
Es wurde eine detaillierte Dokumentation und Beschreibung der 55 Grabmale, sowie eine Gegenüberstellung der Erhaltungszustände von 1944/54 zum heutigen Erscheinungsbild, erarbeitet. Die makroskopischen und mikroskopischen Schadensphänomene und Ursachen wurden naturwissenschaftlich analysiert und dokumentiert. Die Schadensursachen dargestellt.
Nicht erreichte Ziele:
Aufgrund der tiefen Zerrüttung der Marmore bis in die Kristalle hinein, traten während der Projektarbeiten neue Fragestellungen zu Schadensphänomenen und -ursachen auf. Anwendbare Restaurierungsvorschläge gibt es u. W. für dieses Phänomen nicht. Aus der Praxis sind wenige Beispiele, mit Ausnahme der Acrylharzvolltränkung bekannt. Zur Vermeidung einer Fehlrestaurierung war es unumgänglich, die Schadensphänomene genau zu analysieren. Daher wird an einem Restaurierungs- und Konservierungskonzept gearbeitet


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Auf der 80. Jahrestagung der deutschen Mineralogischen Gesellschaft (DMG) vom 08.09. bis 12.09.2002 in Hamburg, wurde am 10.09.2002 im Rahmen einer Fachexkursion: Modellhafte Untersuchungen auf dem jüdischen Friedhof Hamburg-Altona, das Projekt vorgestellt und diskutiert.


Fazit

Zur Erhaltung der stark geschädigten und auch weiterhin gefährdeten Grabmale des Jüdischen Friedhofes in Altona konnte durch die Projektarbeiten eine komplexe Zustandsbeschreibung und Schadensursachen-Feststellung erstellt werden. Diese Projektarbeiten dienen als Grundlage für eine nachhaltig wirkende Restaurierung und Konservierung.

Übersicht

Fördersumme

64.934,07 €

Förderzeitraum

12.07.2001 - 12.01.2003

Bundesland

Hamburg

Schlagwörter

Kulturgüter
Umwelttechnik