Ontogenese-Modelle als Entscheidungshilfe in der integrierten Pflanzenproduktion
Projektdurchführung
Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR)Rheinhessen-Nahe-Hunsrück
Essenheimer Str. 144
55128 Mainz
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Das Projekt sollte die konzertierten Aktivitäten der Offizialberatung (Pflanzenschutzdienste der Länder) zur Optimierung und Praxiseinführung integrierter Pflanzenschutzsysteme in den flächenmäßig bedeu-tendsten Ackerbaukulturen ergänzen. Wesentliche, z.T. zentrale Bausteine dieser integrierten und umweltverträglichen Pflanzenschutzsysteme sind rechnergestützte Entscheidungshilfen.
Ziel des Projektes war es, Ontogenesemodelle für die wichtigsten Getreidearten und für Winterraps zur Praxisreife zu entwickeln und an schaderregerbezogene Entscheidungssysteme zu koppeln.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenEine Integration des Entwicklungsverlaufes in Pflanzenschutzsysteme gestaltet die Entscheidungsfindung der Schaderregermodelle wesentlich spezifischer bei der Terminierungen von Pflanzenschutzmaßnahmen und den Eingrenzungen von Risikoperioden bzw. Phasen geringen Risikos).
Die Arbeitsschwerpunkte waren im Einzelnen:· Akquirierung bzw. Nachprogrammierung verfügbarer Ontogenesemodelle und die Erstellung von Arbeitsmodellen
· Prüfung der Möglichkeiten einer Modellvereinfachung vor dem Hintergrund verfügbarer Eingangsgrößen und -parameter (i.d.R. Wetterdaten)
· Aufbau einer umfassenden Datenbank mit Ontogeneseverläufen basierend auf historischen Daten aus Pflanzenschutz-, Sorten- und Düngungsversuchen der Offizialberatung
· Anlage von einfachen Versuchen zur detaillierten Erfassung der Entwicklungsverläufe verschiedener Sorten einer Kulturart.
· Flächendeckende Validierung der bereits existierenden Ontogenesemodelle
· Modifikation der Modelle zur Erhöhung der Abbildungsgüte (evtl. Aufnahme von Sortenparametern)
· Übertragung von bewährten Ontogenesemodellen auf verwandte Kulturen (z. B. Winterweizen auf Triticale)
· Kopplung der Ontogenesemodelle an die im Programmpaket PASO zusammengefassten Schaderregermodelle
· Konzeptionierung und Vorbereitung der Darstellung der Ergebnisse im Internet
Ergebnisse und Diskussion
Der Nutzen der Modelle besteht vor allem in der Reduktion des Aufwandes für Felderhebungen. Es können Beginn und Ende der Erhebungszeiträume exakter festgelegt sowie auch die optimalen Entscheidungs- bzw. Bekämpfungstermine berechnet und empfohlen werden.
Datenlage
In den ersten beiden Jahren des Projektes stand die Sammlung von phänologischen Daten und der Aufbau einer umfangreichen Datenbank im Vordergrund. Hierzu wurden Versuchsberichte (Sorten-, Düngungs- und Pflanzenschutzversuche) der Pflanzenschutzdienste der Jahre ab 1992 gesichtet und ausgewertet, umfangreiche Bonituren in Sortenversuchen durchgeführt und spezielle Versuche zur exakten Erfassung von Wachstumsstadien (destructive sampling) angelegt und bonitiert. Allen Boniturstandorten wurden repräsentative Wetterstationen zugeordnet. Die Wetterdaten wurden alle auf Vollständigkeit und Plausibilität geprüft. Sie stammen entweder von Stationen des Deutschen Wetterdienstes oder der Pflanzenschutzdienste.
Insgesamt wurden ca. 8000 Datenreihen gesichtet und auf Plausibilität geprüft, die sich wie folgt auf die bearbeiteten Kulturen verteilen Winterweizen: 2653, Wintergerste: 1674, Winterroggen: 835, Wintertriticale: 938 und Winterraps: 1850. Die Winterweizen-Datenreihen stammen zum größten Teil aus Bayern, Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Sachsen. Die Winterraps-Datenreihen sind vorrangig aus Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Auch bei der Wintergerste überwiegen die Datenreihen aus Bayern. Die regionale Verteilung der Wintertriticale-Datenreihen ist homogen, wobei die meisten Daten aus Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt stammen. Im Winterroggen dominieren die Datenreihen aus Brandenburg und Rheinland-Pfalz. Als generell unterrepräsentiert in den Datenbeständen müssen die Bundesländer Hessen, Nordrhein-Westfalen und Saarland gelten.
Modellanforderungen und Modellbewertung
Die neuen Ontogenesemodelle mussten im Wesentlichen drei Voraussetzungen erfüllen:
· die Abbildungsgüte sollte mindestens so gut sein, wie die der bisher genutzten Modelle
· wenige und einfach zu ermessende Wetterparameter als Eingangsgrößen
· einfache Handhabung
Um die Modellleistungen vergleichen zu können, wurde ein Gütekriterienkatalog aufgestellt. Praxisrelevante Stadien sollten sehr präzise vorhergesagt werden. Für diese Stadien wurde ein Vergleich zwischen Bonitur und Modellergebnis durchgeführt, anschließend wurde die Terminabweichung mit Punkten be-wertet und mit einem Gruppenfaktor zu Fehlerpunkten multipliziert. Je höher der Gruppenfaktor, desto höher war die Anzahl der Fehlerpunkte für die Abweichung. Die Summe der Fehlerpunkte diente zur Ein-schätzung der Abbildungsgüte des betrachteten Modells. Die Definition, welche Stadien mit welchen Gruppenfaktor versehen wurden, erfolgte fruchtartspezifisch.
Modellentwicklung
Eine umfassende Auswertung der zur Verfügung stehenden Literatur ergab, dass alle bisherigen Modellansätze sich sehr ähneln. Im Wesentlichen werden drei auf den Ontogenesefortschritt wirkende Einflussraten berechnet:
eine Rate, die den Einfluss des Grades der Erfüllung des Vernalisationsbedürfnisses berücksichtigt (Verlangsamung der Ontogenese),
eine Rate für den Temperatureinfluss undeine Rate für den photoperiodischen Einfluss auf die Entwicklungsgeschwindigkeit.
Basierend auf den Modellstrukturen der bekannten Modelle von ONTO und CERES-WHEAT wurden vier neue Arbeitsmodelle (SIMONTO1 - SIMONTO 4) erstellt, die sich im Zeitraum für die Vernalisation und in der Funktion für die Berechnung der Ontogeneserate unterschieden.
Diese Größen wurden entweder nach dem Minimumprinzip verknüpft, d. h. das der kleinste Faktor der begrenzende Faktor ist, oder sie wurden gleich gewichtet multipliziert.
Sortenunterschiede
Neben den Hauptsorten wurden auch sich stark in der Entwicklung unterscheidende Sorten (BSA - Boniturnote) bezüglich ihrer Ontogenese miteinander verglichen. In keiner der untersuchten Kulturen zeigten sich größere Differenzen in den Entwicklungsstadien bis Blühbeginn. Die maximalen Abweichungen im Entwicklungsverlauf betrugen 3 - 4 Tage. Aus diesem Grund konnte auf eine Berücksichtigung des Sortenfaktors in den neuen Ontogenesemodellen verzichtet werden.
Modellergebnisse
SIMONTO 2 lieferte bei allen Fruchtarten die besten Simulationsergebnisse. Die Fehlerpunktsummen konnten z. B. beim Winterweizen um 16% und bei der Wintergerste um 68% reduziert werden.
In der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle stimmten Simulation und Bonitur sehr gut überein.
Die SIMONTO-Modelle wurden in das Programmpaket PASO integriert. Als Eingabegrößen sind die Bezeichnung des Schlages, die repräsentative Wetterstation, das Erntejahr, das Aussaatdatum und die Kulturart erforderlich. Als Output liefern die Modelle die simulierten Entwicklungsverläufe als Grafik oder Tabelle.
Im Frühjahr 2005 werden die SIMONTO-Modelle in das Informationssystem Integrierte Pflanzenproduktion (ISIP) integriert.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Präsentationen erfolgten bisher im Rahmen der Berichterstattung (Statusseminar am 19.5.2003, Osnabrück), auf dem Seminar Pflanzenschutz im Ackerbau und Grünland (3.-5. November 2003 und 2.-4. November 2004). Des weiteren wurden die Projektergebnisse auf der 54. Deutschen Pflanzenschutztagung vorgestellt (54. Deutsche Pflanzenschutztagung vom 20.-23.09.2004, Hamburg, Sektion 17-2).
Im Nachrichtenblatt des Deutschen Pflanzenschutzdienstes ist in der Ausgabe 4/2005 (ISSN 0027-7479, Band 57) der Artikel SIMONTO - ein neues Ontogenesemodell für Wintergetreide und Winterraps veröffentlicht worden. Im April/Mai 2005 wird ein Artikel in der Zeitschrift Pflanzenschutzpraxis erscheinen.
Außerdem wurde das Projekt auf einer slowenischen Tagung (The 7th slovenian conference on plant protection, 8.-10. März 2005) mit einem Poster vorgestellt.
Fazit
Die SIMONTO-Modelle werden als Steuerungsinstrument für Pflanzenschutz- und Düngungsmaßnahmen genutzt. Sie sind außerdem an Schaderregermodelle gekoppelt, wodurch die Ergebnisse der computergestützten Entscheidungshilfen noch präziser werden.
Die Ergebnisse der SIMONTO-Modelle werden ab 2004 sowohl direkt, als auch verarbeitet durch schaderregerbezogene Entscheidungshilfen im Informationssystem Integrierte Pflanzenproduktion (ISIP) dargestellt.
Fördersumme
114.273,74 €
Förderzeitraum
14.02.2001 - 31.12.2004
Bundesland
Rheinland-Pfalz
Schlagwörter