Produktion und Zertifizierung herkunftsgesicherter Straucharten – Ein modellhafter Lösungsansatz zur Erhaltung der Biodiversität einheimischer Gehölze in Brandenburg
Projektdurchführung
Technische Universität BerlinInstitut für Ökologie und BiologieFakultät VI Planen Bauen UmweltFachgebiet Ökosystemkunde/Pflanzenökologie
Rothenburgstr. 12
12165 Berlin
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Bei Pflanzmaßnahmen in der freien Landschaft werden überwiegend Gehölze fremder bzw. unbekannter Herkünfte verwendet. Die überregional erzeugte Baumschulware wird in sehr großen Stückzahlen flächendeckend in ganz Deutschland verbreitet. Dies hat erhebliche Konsequenzen für die genetische Vielfalt der einheimischen Gehölzflora. Im Rahmen des Projekts werden in enger Zusammenarbeit zwischen Universität, Fachbehörden und Baumschulbetrieben für Brandenburg modellhaft fachliche Grundlagen und ein darauf basierendes ökonomisch tragfähiges Konzept für die Produktion und Zertifizierung herkunftsgesicherter Gehölze entwickelt und erprobt.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenAm Beispiel einer Modellregion im westlichen Teil Brandenburgs erfolgte die Entwicklung von Kriterien für die Identifikation geeigneter Erntebestände, deren modellhafte Inventarisierung im Gelände sowie der Aufbau eines Erntekatasters in Form von Datenbanken und Karten (Programme MS Access und ESRI Arc GIS).
Begleitend wurde die genetische Differenzierung (Methode: RAPD/PCR) der vier in Brandenburg indigenen Wildrosenarten Rosa canina, Rosa inodora, Rosa sherardii und Rosa subcollina geprüft, um daraus Empfehlungen für die Einteilung von Herkunftsgebieten abzuleiten. Die Auswertung der genetischen Untersuchungen erfolgte in Form von Clusterdiagrammen, die Ähnlichkeitsmaße und die Clusteranalysen wurden mit dem Programm NTSYSpc durchgeführt. Weitere Kriterien für die Abgrenzung von Herkunftsgebieten waren Indigenat und Verbreitung der Sippen sowie deren Gefährdung.
Gleichzeitig erfolgt die Saatguternte, An- und Aufzucht gebietsheimischer Gehölze durch die Projektpartner und der Aufbau von Netzwerken zwischen Produzenten und Abnehmern.
Um die langfristige Existenz des Vorhabens auf privatwirtschaftlicher Ebene zu gewährleisten, wurde ein Zertifizierungskonzept erarbeitet. Dieses fand Eingang in das pro agro Qualitätsprogramm für gebietsheimische Gehölze. Es steht allen Baumschule Deutschlands und der EU offen.
Zwischenergebnisse wurden in regelmäßig stattfindenden Arbeitskreisen mit Vertretern von Verbänden, Behörden und Baumschulen abgestimmt, um die gefundenen Lösungsansätze auf ihre Praktikabilität zu prüfen.
Ergebnisse und Diskussion
Es wurde ein standardisiertes Verfahren zur Identifizierung und Kartierung gebietsheimischer Erntebestände entwickelt und erprobt. Nach diesem Verfahren wurden im Land Brandenburg 70 Gehölzbestände in der Region Havelland/Nauener Platte/Hoher Fläming kartiert. Gleichzeitig wurde mit der Landesforstanstalt Eberswalde ein gemeinsames Ernteregister für das Land Brandenburg eingerichtet, das zukünftig von allen Baumschulen in Brandenburg genutzt werden kann. Im Herbst 2001 und 2002 fand erstmals die Beerntung in den erfassten Beständen statt. 20 Strauchsippen (incl. Hybriden) wurden in die Beerntung einbezogen. Die ersten Jungpflanzen kamen im Herbst 2003 auf den Markt.
Mit Hilfe der genetischen Untersuchungen ist es gelungen, die genetische Differenzierung für die regionalsippenreiche Gehölzgattung Rosa nachzuweisen. Die in ganz Brandenburg flächendeckend verbreitete Rosa canina wies in Brandenburg eine geringe genetische Differenzierung auf. Herkünfte aus Südeuropa hingegen konnten deutlich von den brandenburgischen Herkünften unterschieden werden. Bei der selteneren R. inodora konnten deutlich zwei Herkunftsgruppen (Nord- und Südbrandenburg) unterschieden werden. Am deutlichsten war die genetische Differenzierung bei den beprobten Herkünften von R. sherardii und R. subcollina ausgeprägt. Hier ließen sich die einzelnen Herkunftsregionen deutlich populationsgenetisch differenzieren. Aus den Ergebnissen der genetischen Untersuchungen wurden Empfehlungen zur Abgrenzung von Herkunftsgebieten für Brandenburg abgeleitet. Es wurde ein dreistufiges räumliches Konzept für die in Brandenburg indigenen Gehölzarten entwickelt.
Aus den Kriterien für die Auswahl von Erntebeständen, Saatguternte und Gehölzproduktion wurde ein Zertifizierungssystem zur Herkunftssicherung entwickelt. In Zusammenarbeit mit dem Verband zur Förderung des ländlichen Raums e. V. pro agro wurde ein Qualitätsprogramm erarbeitet, in dem die besonderen Qualitätsanforderungen an gebietsheimische Gehölze (u. a. Herkunftsgebiete, Anforderungen an Saatguternte, Gehölzaufzucht, Vermarktung) sowie die Prüfbestimmungen festgelegt sind. Der Verband pro agro übernimmt hierbei die Überwachung des Qualitätsprogramms sowie die Verleihung des Qualitätssiegels. Die Teilnahme an dem Qualitätsprogramm steht allen Baumschulen der EU offen, allerdings sollen Saatguternte und Gehölzaufzucht im gleichen Herkunftsgebiet stattfinden.
Zur einheitlichen Vermarktung und Interessensvertretung gebietsheimischer Gehölze wurde ein Förderverein für gebietsheimische Gehölze in Brandenburg gegründet. Derzeit sind sechs Baumschulen Mitglied, die gebietsheimische Gehölze produzieren.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Wesentlicher Bestandteil des Projektes waren regelmäßige Arbeitskreistreffen mit Baumschulen, Behörden und betroffenen Institutionen. Die Präsentation der Ergebnisse erfolgte in Form mehrerer Fachpublikationen sowie durch Vorträge und Posterpräsentationen auf Tagungen, bei Behörden und Baumschulvertretern. Im August 2004 fand eine gemeinsame Informationsveranstaltung mit pro agro zur Präsentation des Qualitätsprogramms gebietsheimische Gehölze statt. In der Schriftenreihe Neobiota wurde ein Band zum Thema Perspektiven für die Verwendung gebietseigener Gehölze herausgegeben. Eine Liste der bei Kompensationsmaßnahmen in der freien Landschaft zu verwendenden Gehölze wurde gemeinsam mit dem Landesministerium veröffentlicht. Gemeinsam mit dem Förderverein wurde eine webseite (www.gebietsheimische-gehoelze.de) sowie eine Informationsbroschüre entwickelt, die das aktuelle Angebot an gebietsheimischen Gehölzen, Tipps für die Ausschreibung sowie die wichtigsten An-sprechpartner nennen. Ein Erlass des brandenburgischen Umweltministeriums, der die Verwendung gebietsheimischer Gehölze für Maßnahmen in der freien Natur vorschreibt, wurde inhaltlich begleitet und konnte im August 2004 verabschiedet werden. Dieser Erlass stellt für die produzierenden Baumschulen eine wichtige administrative Unterstützung bei der Vermarktung gebietsheimischer Gehölze dar.
Fazit
Die Anzucht und Zertifizierung gebietsheimischer Gehölze in Brandenburgischen Baumschulen wurde durch das Vorhaben initiiert und konnte durch die regelmäßige Abstimmung der Ergebnisse in interdisziplinären Arbeitskreisen erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden. Dies mündete zum einen in der Erarbeitung fachlicher Grundlagen auf der Basis wissenschaftlicher Untersuchungen, aber auch in der praktischen Verankerung der Ergebnisse in administrativen und privatwirtschaftlichen Regelungen (z. B. Erlass, Qualitätsprogramm pro agro, Gründung eines Fördervereins). Für regionale Baumschulen konnte durch die Produktion gebietsheimischer Gehölze ein neues Marktsegment erschlossen werden. Der Zugang zum Qualitätsprogramm ist allen Baumschulen auf dem Gebiet der EU möglich. Interessant ist dies vor allem für Betriebe aus angrenzenden Bundesländern. Dort gibt es bereits erste Bestrebungen, sich dem Brandenburgischen Modell anzuschließen.
Fördersumme
340.382,86 €
Förderzeitraum
26.03.2001 - 31.12.2004
Bundesland
Brandenburg
Schlagwörter