Entwicklung und Erprobung von integrierten Steuerungs- und Regelungsstrategien zur Minimierung der Gesamtemissionen unter besonderer Berücksichtigung der SBR-Technologie (so genannte Sequencing-Batch-Reaktoren)
Projektdurchführung
farmatic biotech energy AG
Kolberger Str. 13
24589 Nortorf
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Die Mischwasserkanalisation mit ihren Entlastungsbauwerken und die Kläranlage sind in ihren Auswirkungen auf die Gewässer als Einheit zu betrachten. Es bedarf daher ganzheitlicher MSR-Konzepte, um zu einer optimalen Lösung zu gelangen. In diesem Forschungsprojekt wurde untersucht, ob und in welcher Weise integrierte MSR-Strategien für die SBR-Technologie entwickelt werden können.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Teilprojekt 1, beinhaltete die Erstellung eines Computermodells von Kanalnetz und SBR-Kläranlage der Gemeinde Messel. Anhand des Modells wurde dann eine MSR-Optimierung durchgeführt. Im Teilprojekt 2 wurden die besten MSR-Strategien in die Praxis übertragen und getestet. Weiterhin wurden Anwendungshinweise für den integrierten Betrieb von SBR-Anlagen mit Mischkanalisation entwickelt.
Ergebnisse und Diskussion
Phase 1:
Computergestützte Entwicklung und Erprobung von integrierten MSR-Strategien für SBR-Anlagen
Die zunächst durchgeführte Untersuchung der hydraulischen Leistungsfähigkeit ließ erkennen, dass die KA Messel erhebliche Reserven aufweist. Diese gestatten es, die SBR-Anlage mit deutlich höheren Abwassermengen als dem Bemessungswert von 230 m3/h zu betreiben. Die anschließend durchgeführte Analyse der Reinigungsleistung brachte das Ergebnis, dass auf der KA Messel beträchtliches Optimierungspotenzial vorhanden ist, das aus der Bemessung oder den günstigen verfahrenstechnischen Gegebenheiten resultiert. Mit Hilfe der kalibrierten Kanalnetz- und Kläranlagenmodelle bzw. der neuen MSR-Strategien konnte gezeigt werden, dass durch eine erhöhte Mischwasserbehandlung eine nennenswerte Reduktion der Gewässerbelastung erzielt werden kann. Aus den Resultaten ist ferner zu folgern, dass integrierte Ansätze bereits für kleinere ländliche Gemeinden wie Messel ökologische und ö-konomischer Vorteile bieten können.
Phase 2:
Großtechnische Erprobung auf der SBR-Kläranlage Messel
In der zweiten Phase wurden die besten MSR-Strategien in der Praxis erprobt. Dabei wurden folgende Erkenntnisse gewonnen: Die Umsetzung des neuen MSR-Konzeptes in die Praxis erfolgte weitgehend problemlos. Der maximale Zufluss zur Kläranlage konnte im Kurzzeitbetrieb von 230 auf 460 m3/h erhöht werden. Im Dauerbetrieb konnte die hydraulische Kapazität der KA Messel von 200 m3/h auf etwas über 300 m3/h erhöht werden, ohne dass es zu einer Verschlechterung der Reinigungsleistung kam. Ferner konnte die Nges- und Pges-Reinigungsleistung auch bei Trockenwetterzufluss noch einmal deutlich gesteigert werden. Durch die neuen MSR-Konzepte können zudem Konzentrationsspitzen bei NH4-N, NO3-N und PO4-P reduziert werden, sodass eine deutliche Verringerung der Abwasserabgabe möglich erscheint. Es konnte weiterhin gezeigt werden, dass das neue MSR-Konzept die Gefahr von Gewässerschädigungen reduzieren kann, da die NH4-N-Überwachungswerte nun sicher eingehalten werden. Kostenbetrachtungen haben ergeben, dass das neue Steuerungskonzept auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll erscheint.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Bisher wurden die Ergebnisse des Projektes im Rahmen von 18 nationalen und internationalen Vorträgen, Präsentationen und Veröffentlichungen vorgestellt. Weitere Veröffentlichungen, Vorträge etc. sind geplant.
Fazit
Die in diesem Projekt gewonnenen Erkenntnisse lassen das folgende Fazit zu:
Moderne SBR-Anlagen wie die KA Messel, die in den letzten Jahren in Deutschland errichtet und maschinen- und anlagentechnisch adäquat ausgerüstet worden sind, verfügen im Normalbetrieb oft über ein erhebliches Optimierungspotenzial sowohl bei Trocken- als auch bei Regenwetter. Diese Reserven resultieren zum einen aus der statischen Bemessung, den verfahrenstechnischen Vorteilen des SBR-Prinzips und nicht zuletzt den hohen deutschen Sicherheitsstandards. Die sehr hohe Flexibilität, die dem SBR-Verfahren eigen ist, qualifiziert dieses Verfahren daher auch für integrierte Ansätze bzw. eine erhöhte Mischwasserbehandlung mit deutlich mehr als 2×QT,x. Dies setzt jedoch voraus, dass man SBR-Anlagen nicht länger mit starren Zyklusprogrammen betreibt, sondern stattdessen flexible Programme verwendet, die die Dauer der einzelnen Prozessphasen dynamisch bzw. situations- und belastungsabhängig anpassen. Die technischen Voraussetzungen sind hierfür bereits gegeben. Letztendlich belegen die auf der KA Messel durchgeführten Untersuchungen, dass die Umsetzung integrierter Ansatze für SBR-Kläranlagen nicht nur technisch möglich, sondern bereits für kleinere SBR-Kläranlagen (< 10.000 EW) ökologisch und ggf. ökonomisch sinnvoll ist.
Hieraus resultiert ein erhebliches Verwertungspotenzial, denn integrierte Ansätze können nicht nur für bestehende Kanalnetze und Kläranlagen, sondern auch für noch vollständig neu zu bauende Abwassersysteme, eine kostengünstige Möglichkeit darstellen, das Emissionsniveau aus Kanalnetz und SBR-Kläranlage weiter zu verringern. Die Ergebnisse dieses Forschungsvorhabens können daher für Kommunen, Verbände und privatwirtschaftliche Ver- und Entsorgungsunternehmen interessant sein, in deren Einzugsbereich die Mischwasserbehandlung noch ausgebaut und/oder die Kläranlage saniert werden muss. Bis dahin gilt es jedoch noch einige Hürden zu überwinden: Auch wenn die KA Messel typisch für eine ganze Reihe anderer SBR-Kläranlagen ist, erscheint es dennoch sinnvoll, die Untersuchungen auch auf andere Anlagen auszudehnen. Dies gilt besonders für diejenigen SBR-Kläranlagen, die anders bemessen wurden, deren Belastungscharakteristik unterschiedlich ist oder die auf einer Sonderform des SBR-Verfahrens beruhen. Prinzipiell stehen die Chancen für die Realisierung weiterer derartiger Projekte gut, da bereits heute in Deutschland mehr als 150 kommunale SBR-Kläranlagen existieren, zahlreiche davon mit Mischkanalisationen. Von einigen dieser Anlagen ist bereits bekannt, dass noch erheblicher Sanierungsbedarf im Bereich der Mischwasserbehandlung besteht. Berücksichtigt man die Tatsache, dass nicht nur in Teilen Deutschlands (z.B. Saarland), sondern v.a. auch im Ausland noch nennenswerter Erneuerungsbedarf im Kläranlagenbereich besteht, das Mischsystem in einigen Teilen Europas bzw. der Welt weit verbreitet ist und das SBR-Verfahren aufgrund seiner Vorteile immer häufiger Anwendung findet, kann man davon ausgehen, dass es in Zukunft noch viele Kläranlagen geben wird, die in ähnlicher Form wie die KA Messel realisiert werden. Hieraus ergeben sich Verwertungsmöglichkeiten, denn diese Kläranlagen könnten zukünftig bei Mischwasserzufluss nicht mehr (wie bisher) mit einem starren Bemessungszufluss beschickt, sondern entsprechend ihrer aktuellen Leistungsfähigkeit betrieben werden. Nicht nur zukünftige, sondern auch bestehende Kläranlagen und Kanalnetze könnten dann in Hinblick auf eine Minimierung der Gesamtemissionen bei gleichzeitiger Reduzierung der Betriebs- und (z. B. im Falle eines Neu- bzw. Erweiterungsbedarfs) auch der Investitionskosten optimiert werden. Sobald weitere Erkenntnisse aus der Großtechnik vorliegen, muss ferner angestrebt werden, die gewonnenen Erkenntnisse auch in Richtlinien (z.B. Überarbeitung des ATV- M 210 [1997]) einfließen zu lassen. Letztendlich haben es aber auch die großen SBR-Anlagenbaufirmen in der Hand, die Verbreitung integrierter Ansätze zu begünstigen. Sie haben in den letzten Jahren zahlreiche SBR-Kläranlagen erbaut, die in vielen Teilen (z.B. bei EMSR-Technik oder der maschinentechnischen Ausstattung) ähnlich konzipiert und ausgerüstet worden sind. Die Entwicklung standardisierter und modularer MSR-Konzepte würde es diesen Herstellern gestatten, integrierte Konzepte mit relativ wenig Aufwand auf bereits gebauten Anlagen nachzurüsten bzw. noch zu bauende Anlagen von Anfang an damit auszustatten.
Trotz der erzielten Ergebnisse herrscht jedoch nach wie vor Optimierungspotenzial auf der KA Messel. Es wird daher angestrebt, die Weiterentwicklung der MSR-Strategien voranzutreiben, um ein echtes volldynamisches und künstlich-intelligentes Betriebführungskonzept zu entwickeln. Diesbezüglich erscheint die Entwicklung eines CBR-Controllers aussichtsreich, da die KA Messel (und andere modere SBR-Anlagen) bereits die EMSR-technischen Voraussetzungen für ein solches System weitgehend erfüllen. Entsprechende CBR-Software, die mit modernen PLS kommunizieren kann, ist bereits kommerziell verfügbar.
Fördersumme
169.981,54 €
Förderzeitraum
09.07.2001 - 30.07.2004
Bundesland
Rheinland-Pfalz
Schlagwörter
Ressourcenschonung
Umwelttechnik