Projekt 15824/01

Modellhafte Musterrestaurierung zweier national wertvoller mittelalterlicher Glasfenster im Chor des Domes zu Erfurt (Thüringen)

Projektdurchführung

Dom zu Erfurt St. Marien Dombauamt
Domstufen 1
99084 Erfurt

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Restaurierung und Konservierung von stark umweltgeschädigten Glasmalereien zweier mittelalterlicher Fenster (süd VI und süd IV) des Erfurter Domes. Ziel des Vorhabens war die fachgerechte Bearbeitung des Bestandes (Schwerpunkte: Ausdünnung der stark transparenzmindernden Wettersteinschicht und Malschichtfestigung) mit Überführung zahlreicher theoretischer Untersuchungsergebnisse in die Praxis. Durchführung der Arbeiten in breit angelegter interdisziplinärer Zusammenarbeit von Restau-ratoren, Naturwissenschaftlern, Kunsthistorikern, Denkmalpflegern und Bauverantwortlichen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Arbeiten am Bestand erfolgten auf Grundlage von naturwissenschaftlichen, restauratorischen, kunst-historischen und restaurierungsgeschichtlichen Voruntersuchungen. Sie wurden von drei mit den Glasmalereien des Erfurter Domes vertrauten Kollegen in der mit Unterstützung der DBU neu eingerichteten Glaswerkstatt des Erfurter Domes unter besten technischen Bedingungen durchgeführt.
Die Restaurierung und Konservierung der Glasmalereien beider Fenster erfolgte unter den o. g. Arbeitsschwerpunkten. Nach der Entfernung von Korrosionsprodukten soweit vertretbar (trocken mit Feehaar-pinsel) Malschichtsicherung auf der Vorderseite mittels Paraloid B 72 (in Toluol, 3% bis max. 7%), bei bereits wachsgesicherten Rechteckfeldern in süd IV Nachsicherung bzw. Neufixierung mittels Bienen- und Carnaubawachs 75:25 (mit Erwärmung auf Leucht-Heiz-Tisch auf ca. 50°C, bei Neusicherung unter Verwendung des Haftvermittlers Dynasylan-Glymo in 0,5 bis 3%iger Ethanol-/Isopropanollösung).
Nach behutsamer Säuberung der Rückseitenoberfläche mit einem Borstenpinsel - Abdichtung der Verkittung sowie aller Sprünge zum Schutz der Vorderseite vor durchdringender Feuchtigkeit durch das flüchtige Bindemittel Cyclododecan (Auftrag nach Erhitzung auf 70°C mittels Dosierstift). Belegung der zu behandelnden Gläser mit einer Ammoniumcarbonatpaste, als 5%ige Lösung u. angedickt mit Tylose MH 4000. Nach einstündiger Belegungsdauer Abnahme der Paste mit einem Gummispatel und Nachwaschen mit Leitungswasser und Blitz-Fix-Schwämmchen. Bei zu geringem Reinigungseffekt Durchführung einer zweiten bzw. dritten Belegung der Gläser. Nach Abschluss der letzten Belegung Neutralisierung der Oberfläche mit destilliertem Wasser. Durchführung weiterer Maßnahmen, wie Beseitigung von Staub u. a. Verunreinigungen, Löten von Bleibrüchen, Entfernung aller Bleischalen, Kleben aller Glassprünge mit schwarz eingefärbtem Epoxidharz (Hahnzement SH 1) bzw. Araldit XW 396/397; Ergänzung fehlender Originalgläser bzw. Ersatz extrem störender Ergänzungen der 1940er Jahre, Beseitigung partiell auftretender mikrobieller Strukturen mittels Isopropanol.
Anfertigung einer ausführlichen fotografischen, grafischen und schriftlichen Dokumentation von Vorzustand und Nachzustand der Objekte und den Maßnahmen. Durchführung der grafischen Dokumentation mit Computer (DOS, Windows-Betriebssystem, Illustrationsprogramm DESIGNER von Micrografx).
Durchführung naturwissenschaftlicher Begleituntersuchungen zur Wirksamkeit und dem Schadenspotential der eingesetzten Mittel und Methoden sowie zum Originalmaterial und früheren Restaurierungsmaterialien mittels Elektronenmikroskopie, Environmental Secondary Electron Mocroscope, Infrarotspektroskopie und Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie. Anwendung biologischer Kultivierungstechniken.


Ergebnisse und Diskussion

Trotz aller Schwierigkeiten und Kompromisse im Einzelfall verlief die Malschichtsicherung im Ganzen unproblematischer als erwartet. Das erstmals am Erfurter Bestand eingesetzte bewährte Mittel Paraloid B 72 war gut zu handhaben und besitzt eine Klebekraft, die auch stärker aufgeworfene Malschichten fixiert.
Das Mittel Paraloid bewährte sich als Alternative zu dem 1979-1991 am Erfurter Dom zur Notsicherung verwendeten Bienen-Carnaubawachs-Gemisch. In der Handhabung und in bestimmten Eigenschaften wie Klebekraft oder Anlösbarkeit zeigten sich Vorteile gegenüber dem Wachsgemisch. Trotz einer Reihe von Aufbrüchen in den älteren Wachsapplikationen und beobachteten Haftungsverlusten ist die Notsicherung der 1980er Jahre dennoch insgesamt als notwendig, sinnvoll und gelungen einzuschätzen. Hierbei sind auch die damaligen unzureichenden technischen Voraussetzungen und die notgedrungene Mitsicherung von Korrosion zu berücksichtigen. Die im Rahmen der damaligen Sicherung und der jüngsten Nachsicherung gesammelten Erfahrungen sind eine wertvolle Hilfe für zukünftige Arbeiten an den bedeutenden wachsgesicherten Beständen nicht nur des Erfurter Domes.
Die Ausdünnung der harten Erfurter Wettersteinkrusten auf der Basis von Ammoniumcarbonat ist eine aus konservatorischer Sicht vertretbare Lösung. Besonders erfreulich sind die Ergebnisse dieser Maßnahme aus ästhetischer Sicht. Es wurde ein deutlicher, je nach Lichteinfall unterschiedlich wahrnehmbarer Transparenzgewinn erzielt. Die Darstellungen sind weitaus deutlicher ablesbar, ihre Farben wirken jetzt überraschend klar und intensiv. Die Kontraste zwischen extrem hellen und stark verdunkelten Par-tien konnten gemildert werden, wodurch der Bestand eine größere Einheitlichkeit erhalten hat. Außerdem haben die Darstellungen an Räumlichkeit und an Körperlichkeit gewonnen. Neben der Ausdünnung der Wettersteinkruste und der Reduzierung der vorderseitigen Korrosion hat auch die Beseitigung verunklärender Bleischalen und die Auswechslung ästhetisch stark störender Glasflickstücke wesentlich zur Klärung des Bestandes beigetragen und ihn wieder seinem ursprünglichen Erscheinungsbild angenähert.
Im Laufe der Arbeiten konnten verborgene Phänomene, wie etwa Reste der Originaloberfläche oder der Rückseitenbemalung, aufgedeckt und eine Reihe von neuen kunsthistorischen, restaurierungsgeschichtlichen, restauratorisch-konservatorischen und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen gewonnen werden.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Vorstellung der Ergebnisse auf einem Zwischenkolloquium im Februar 2002 und auf einem Abschlusskolloquium im April 2004. Publikation der Ergebnisse in zahlreichen Artikeln der Lokalpresse, in Fach-zeitschriften und Literatur. Ausführliche Veröffentlichung in Buchform: Mittelalterliche Glasmalerei im Dom zu Erfurt. Restaurierung und Konservierung, Leipzig 2004. Vorstellung von Arbeiten und von Er-gebnissen zum Tag des offenen Denkmals 2001, demnächst zu einem Pressetermin im Sommer 2004 und geplant auf der Dehio-Ausstellung 2005 in Dresden.


Fazit

Verlauf und Ergebnisse der Arbeiten sind insgesamt positiv zu bewerten. Zu berücksichtigen sind dabei die starken Schäden an den Glasmalereien bzw. die Einschränkung der Behandlungsmöglichkeiten durch frühere Maßnahmen. Innerhalb des Projektes ist es gelungen, die in mehrjähriger Arbeit gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen in die Praxis umzusetzen. Der Erfolg ist einem Team aus Restauratoren, Naturwissenschaftlern, Kunsthistorikern, Bauverantwortlichen und Denkmalpflegern zu verdan-ken, die in kollegialer Zusammenarbeit an der Bewältigung der schwierigen Aufgabenstellungen mitwirkten.
Die Ergebnisse des Projektes bilden eine solide Grundlage für die fachgerechte Weiterarbeit am Bestand.

Übersicht

Fördersumme

289.278,72 €

Förderzeitraum

01.01.2000 - 04.06.2004

Bundesland

Thüringen

Schlagwörter

Umwelttechnik