Steuerbares elektrochemisches Bewuchsschutzsystem auf der Basis von pH-Änderungen
Projektdurchführung
bioplan - Institut für angewandte Biologie undLandschaftsplanung GmbH
Strandstr. 30
18211 Ostseebad Nienhagen
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Nach gegenwärtigem Stand der Technik erfolgt die aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen unverzichtbare Verhinderung von Bewuchs an Schiffen durch organozinn- bzw. kupferhaltige Unterwasseranstriche (Antifoulings). Von den Schwermetallen, auf denen das Wirkprinzip beruht, gehen erhebliche Gefahren für das marine Ökosystem aus. Im Rahmen des Projekts soll eine neue umweltverträgliche Bewuchsschutzstrategie, die in kleinem Maßstab bereits erprobt wurde, zur Praxisreife geführt werden. Das Wirkprinzip besteht hier in einer diskontinuierlichen, strominduzierten pH-Änderung auf der zu schützenden Oberfläche.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Projektbearbeitung teilt sich in 2 Phasen. Innerhalb der ersten 18 Monate wurden auf einem 4 x 8 m langen Ponton mit einer Unterwasserfläche von ca. 28 m2 verschiedene Probebeschichtungen (5 Grund-varianten) aufgetragen und über den Zeitraum eines ¾ Jahres in ihrer Funktionsweise beobachtet, messtechnisch begleitet (pH-Änderung, Bewuchsschutzwirkung, Dauerhaftigkeit) und dokumentiert.
Diese 1. Phase schloss die Konstruktion und den Bau einer elektrischen Ansteuerungsanlage, Vorversuche zur Optimierung der leitfähigen Polymerschicht und zahlreiche Versuche zum Auftragen dünner Titanschichten auf Epoxidharz (Grundierung am Schiff) ein.
Die Funktionsweise der Teilflächen konnte anhand von kontinuierlichen rechnergestützten Aufzeichnungen der Strom- und Spannungswerte über den gesamten Zeitraum verfolgt werden, die Einschätzung des Bewuchses auf den Probeflächen und des farbtechnischen Zustandes der Oberflächen erfolgte in monatlichen Abständen durch einen Taucher und nach Herausnahme des Pontons. Zur Einschätzung einer eventuell vom Betrieb der Anlage ausgehenden Scheuchwirkung durch das elektrische Feld wurde zum einen das Verhalten vorbeischwimmender oder in der Nähe siedelnder Organismen (Schwebegarnelen, Quallen, Asseln, Fische), zum anderen das von in einem kleinen Gehege zwischen den Elektroden (Fläche/Gegenelektrode) positionierten Tobiasfischen bei Einschaltung des Stroms beobachtet.
Ergebnisse und Diskussion
Einen Schwerpunkt stellte die Applikation des erforderlichen Schichtaufbaus unter Werftbedingungen dar. Während die äußere leitfähige Polymerschicht (das entwickelte Produkt trägt die Bezeichnung LFB CONDUCTIV) so weit optimiert werden konnte, dass sowohl das Aufbringen als auch die Materialeigenschaften als zufriedenstellend gelöst betrachtet werden können, ergaben sich beim Auftragen der für das Funktionsprinzip essentiell erforderlichen dünnen Titanschicht auf die übliche Korrosionsschutzschicht aus Epoxidharz aufgrund der Temperaturempfindlichkeit und Elastizität des Untergrundes erhebliche Probleme. Von den erprobten Methoden (Kaltgasspritzen, Lichtbogenspritzen, Flammspritzen, Hochgeschwindigkeitsflammspritzen) erwies sich das Hochgeschwindigkeitsflammspritzen als beste Variante. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist sie derzeit aber noch nicht konkurrenzfähig. Neben dem Auftrag von Titan wurde - um später eventuell Kosten zu sparen - auch Aluminium gespritzt. Diese Variante bewährte sich im Funktionstest nicht. Die ebenfalls untersuchte Verwendung von Drahtgeweben oder Titanlochfolien als Ersatz für das Metallspritzen war bezüglich der Funktionalität erfolgreich, unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten aber ebenso wenig realistisch wie das Metallspritzen.
Als erfolgreich sind dagegen die Untersuchungen hinsichtlich der Bewuchsschutzwirkung des Systems auf großen Flächen einzuschätzen. Es zeigte sich, dass sich mit der Methode auch auf größeren Flächen Mikro- und Makrobewuchs zumindest für die Dauer eines Jahres (Versuch noch nicht abgeschlossen) verhindern lässt, ohne dass inakzeptable Spannungen erforderlich werden. Auch konnte gezeigt werden, dass offensichtlich keine unerwünschten Störungen oder Nebenwirkungen für das aquatische Ökosystem zu befürchten sind. Bezüglich der zu erwartenden Standzeiten des Beschichtungssystems ist aus den Versuchen bislang zu schlussfolgern, dass unter realen Bedingungen am Schiff, wenn die Anlage im Winterhalbjahr und bei Revierfahrt abgeschaltet bliebe, durchaus 3 - 4 Jahre realistisch erscheinen.
Eine von der Anlage ausgehende Scheuchwirkung auf Nichtzielorganismen konnte nicht beobachtet werden.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
3 Artikel in Zeitschriften (GEO 2x, Schiff & Hafen 1x), 1 Radiointerview (Deutschlandfunk), zahlreiche Pressemeldungen in Lokalzeitungen
Fazit
Als Fazit aus der ersten Projektphase sind einerseits wichtige Erfolge, andererseits aber auch nicht voll erreichte Ziele zu konstatieren. So gelang es, eindrucksvoll zu zeigen, dass elektrisch gesteuerter, pH-induzierter Bewuchsschutz auch auf größeren Flächen funktioniert und sich damit sowohl Makro- als auch Mikrobewuchs verhindern oder zumindest sehr stark reduzieren (um 95 %) lässt. Kommt es dennoch an einigen Stellen zu einer Besiedlung z.B. durch Seepocken, werden diese in ihrer Haftung durch die sauren pH-Werte (kalklösend) beeinträchtigt und lassen sich relativ leicht entfernen.
Probleme bereitet nach wie vor das Spritzen dünner Metallschichten auf Epoxidharz. Die bisher erprobten Verfahren weisen derzeit für den Praxisbetrieb noch eine zu geringe Flächenleistung auf und sind auch für große, unter Werftbedingungen zu beschichtende Flächen noch zu teuer, um eine konkurrenz-fähige Alternative darzustellen.
Für das weitere Vorgehen wird vorgeschlagen, da das Auftragen der dünnen Titanschicht auf Epoxidharz noch nicht ausreichend optimiert aber ein unverzichtbarer Bestandteil des Gesamtsystems ist, die zweite, unmittelbar im Anschluss geplante Etappe, für die die Applikation von 25 m2 am Schiff vorgesehen war, vorerst zu verschieben und während einer kostenneutralen Auszeit von 6 Monaten weiter nach einer effektiven Applikationsvariante für die Titanschicht zu suchen. Erst wenn diese endgültig feststeht und sichere Erprobungsergebnisse vorliegen, sollte die zweite Etappe wie geplant in Angriff genommen werden und ein Versuch am Schiff starten.
Fördersumme
294.775,11 €
Förderzeitraum
15.11.1999 - 21.02.2004
Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern
Schlagwörter
Klimaschutz
Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik