Projekt 14900/01

Workshop: Gütezeichen zur Förderung der Nachhaltigkeit im Tourismus – Chancen und Probleme

Projektdurchführung

Universität TrierFachbereich VI: Geographie / GeowissenschaftenFach: Angewandte Geographie / Fremdenverkehrsgeographie
Universitätsring 15
54286 Trier

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Zielsetzung des Projektes (Workshops ) war es, vor dem Hintergrund der immer verschärfter geführten Diskussion um eine einheitliche Kennzeichnung touristischer Dienstleistungen (i.S. der Auswirkungen hinsichtlich einer angestrebten Nachhaltigen Entwicklung im Tourismus) in einem engen Expertenkreis die Möglichkeiten und Umsetzungsbedingungen einer einheitlichen Produktkennzeichnung im Tourismus zu erörtern. Als Diskussionsgrundlage sollte der von der Arbeitsgemeinschaft für Eigenständigkeit und Nachhaltigkeit Trier (AGENT) erstellte Reisestern dienen, um dessen Stärken und Schwächen hinsichtlich einer praxisgerechten (möglicherweise verpflichtenden) Implementierung für touristische Unternehmen aus der Sicht des im Diskussionsprozess um eine einheitliche Kennzeichnung aktiven Personenkreises herauszustellen. Die hier gesammelten Ergebnisse sollten unmittelbar die Möglichkeiten aufdecken, ob ein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördertes Projekt (unter AZ 12507 1998 beantragt) zur beispielhaften Implementierung des Reisesterns Aussicht auf einen absehbaren inhaltlichen Erfolg hat oder das aufgestellte Indikatorensystem aus Gründen des stark normativen Charakters nicht umsetzbar ist.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten Methoden1. Auswahl der Experten
Um eine ganzheitliche Betrachtung zu gewährleisten wurden sowohl Vertreter der Reisebranche und der touristischen Verbände als auch Vertreter der im Diskussionsprozess um eine einheitliche Produktkennzeichnung involvierten Organisationen eingeladen.
2. Diskussionsgrundlagen
Um eine einheitliche Diskussionsgrundlage zu schaffen wurden die Teilnehmer vorab detailliert über die das Indikatorensystem und die möglichen Anwendungsbereiche des Reisestern informiert.
3. Tagungsablauf
3.1. Einleitende Vorträge von Experten sollten die o.g. Grundlagen vertiefen und in ihrer Zusammenschau die zu behandelnde Problematik vertiefen. Die hieran anschließende Diskussion erbrachte die Bildung von Diskussionsgruppen, die sich in moderierten Workshops mit Teilproblemen der o.g. Thematik beschäftigen sollten.
3.2. Workshops
Eine zielgerichtete Moderation sollte den offenen, aufgrund der Thematik stark kontroversen, Diskussionsprozess ergebnisorientiert beeinflussen.


Ergebnisse und Diskussion

Workshop: Einheitliche Kennzeichnung touristischer Dienstleistungen in Deutschland

1) Es sollte eine neue Umweltkennzeichnung im Tourismus entwickelt werden oder soll man den Bekanntheitsgrad eines vorhandenen Umweltzeichens nutzen?
Die Teilnehmer waren der Meinung, dass ein neues Zeichen zu entwickeln sei. Dabei wurde auf die Problematik des vorab nicht abschätzbaren Zeitraumes der Implementierung hingewiesen. Eine Neuentwicklung von Inhalten, z.B. Bewertungskriterien, soll nicht erfolgen (Weiterentwicklung).
2) Soll Servicequalität in die Kennzeichnung mit einbezogen werden oder soll sich diese ausschließlich auf Umweltaspekte konzentrieren?
Im Hinblick auf die Akzeptanz (und somit Durchsetzbarkeit einer Kennzeichnung) bei den Verbrauchern scheint es positiv, die Servicequalität als gesondertes Kriterium aufzunehmen.
Dabei könnte einem nicht vorhandenen Interesse an Umweltkriterien seitens des Endverbrauchers begegnet werden. Einschränkend wurde jedoch auf die Komplexität und Schwierigkeiten der Bewertung von Servicequalität hingewiesen, welche zudem zu Konflikten mit bereits bestehenden qualitativen Klassifizierung touristischer Betriebe führen könnte.
3) Auf welcher Ebene soll das neue Zeichen wirken?
Das neu zu entwickelnde Zeichen soll ausschließlich auf betrieblicher Ebene Anwendung finden. Aufbauend auf dem 40 Kriterien-Katalog der DEHOGA müssen weitere Kriterien aufgesattelt werden, wozu eine synoptische Zusammenschau aller Umweltkennzeichen entwickelt werden muss. Zudem muss die Entwicklung des Zeichens den Entwicklungen auf europäischer Ebene Rechnung tragen.
4) Wie sollte der Prozess der Kennzeichnungsentwicklung zeitlich und organisatorisch ablaufen?
Bei der Entwicklung der Kennzeichnung handelt sich um einen kontinuierlichen Prozess (Langzeitentwicklung) und keinen Wettbewerb. Dennoch scheint es notwendig diesen alsbald einzuleiten. In Fragen der Organisation dieses Prozesses sollten die relevanten politischen Akteure einbezogen werden, wobei ein wesentliches Aufgabenmoment die entsprechende Lobbyarbeit ist. Im diesem Zusammenhang würde sich das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit als Moderator des Prozesses anbieten.

Workshop: Einheitliche Kennzeichnung touristischer Dienstleistungen: Das Modell des Reisestern

1) Kritische Betrachtung der Indikatoren
Der Raumüberwindungsindikator gilt nur für die An- und Abreise der Urlauber. Dieser Indikator ist in seiner Berechnung eindeutig. Erstmalig wird der Energieverbrauch der An- und Abreise bei der Kennzeichnung einbezogen. Der Wohlstandsindikator betrachtet den Ressourcenverbrauch in der Destination. Die Bezeichnung wird deshalb als irreführend betrachtet. Im Gegensatz zur ökologischen Dimension erweist sich die Beschaffung der Datengrundlage für den Arbeitsplatzindikator als schwierig. Verbesserungen müssen durch internationale Zusammenarbeit mit (Bildungs-)Institutionen gewährleistet werden. Der Akkulturationsindikator stellt die momentane Schwachstelle des Reisesterns dar. Von den Teilnehmer wurden hier sowohl die Datengrundlage als auch die Identifizierung der Grenzwerte bemängelt. Es erfolgte die Empfehlung, diesen Indikator vorerst nicht zu errechnen und durch das Auslassen der Ausprägung auf die bestehende Problematik hinzuweisen.
2) Beginn der Umsetzung des Reisesternkonzeptes
Die Umsetzung des Reisestern bedingt, dass sowohl die politischen Vertreter im Hinblick auf die Verbindlichkeit einer Produktkennzeichnung, als auch die Tourismusbranche als Multiplikatoren in den Implementierungsprozess einzubinden sind. Eine unabhängige Instanz ist notwendig, um einerseits die Grenzwerte neutral festzusetzen und andererseits die Ausführung in Form der Selbstkennzeichnung durch Reiseveranstalter stichprobenartig zu überprüfen.
3) Machbarkeitsstudie
Ziel: Erforschung der Wirkung des Reisestern auf alle Beteiligten (Veranstalter, Reisemittler und Endverbraucher). Mit Hilfe eines Katalog-Prototyps (ca. fünf Seiten) vergleichbarer Reisebeispiele soll durch eine unabhängige Instanz (z.B. AGENT, Universität Trier) eine repräsentative, bundesweite Erhebung durchgeführt werden. Dies soll die Akzeptanz bei den Beteiligten überprüfen und mögliche Fehlerquellen aufdecken. Hierzu müssen Partner auf der Vermittler- und Veranstalterseite gefunden werden. Die Befragung soll vorerst auf den Pauschaltourismus eingeschränkt werden.


Fazit

Angesichts der Diskussion im Anschluss an die einführenden Vorträge und der sich hieraus ergebenden thematischen Umgestaltung der Workshops, lässt sich eine zweigleisige Strategie bei der Umsetzung einer Kennzeichnung ableiten:
- Schnellstmögliche Umsetzung einer, auf den bisherigen Erfahrungen aufbauenden einheitlichen neutralen Umweltkennzeichnung (Dachmarkenstrategie) für touristische Betriebe.
- Entwicklung einer (verpflichtenden) Produktkennzeichnung, welche die verschiedenen Facetten des umfassenden Leistungsbereiches Reise im Sinne der Integration ökologischer, ökonomischer und soziokultureller Auswirkungen bewertet und somit durch die Vergleichbarkeit mehr Angebotstransparenz für den Verbraucher schafft.

Beide Strategiebereiche sollten parallel zueinander verfolgt werden, wobei die Umsetzung einer einheitlichen Umweltkennzeichnung auf der betrieblichen Ebene zeitliche Priorität besitzt. Zur Umsetzung des zweiten Bereiches kann der vorgestellte Reisestern als Instrument zur Evaluation der Nachhaltigkeit von Reisen aufgrund seiner umfassenden Betrachtung aller Teilelemente des touristischen Leistungsangebotes einen gewichtigen Beitrag leisten. Seine wesentliche Stärke liegt insbesondere in der Berücksichtigung des bislang vernachlässigten Bereiches der Kennzeichnung von Leistungsbündeln (z.B. Pauschalreisen) unter Einbeziehung des bisher ausgeklammerten, für eine Reise jedoch notwendigen Elementes der Raumüberwindung (Energie- und Ressourcenverbrauch v.a. bei Flugreisen).

Grundsätzlich sollten beide Strategiebereiche im Entwicklungsprozess einer Kennzeichnung touristischer Leistungen koordiniert werden. Damit kann eine bisher nicht vorhandene, für die Perzeption der Verbraucher jedoch notwendige Kontinuität auf dem Weg zu einer möglicherweise verpflichtenden Kennzeichnung touristischer Angebote gewährleistet werden.

Die Koordinierung der Bereiche birgt die Möglichkeit der Erstellung von kontinuierlich zu verwendenden Kriterien bei der Bewertung von Angeboten, welche die Verunsicherung der Verbraucher und Anbieter im Umgang mit Umweltkennzeichnungen/ Produktkennzeichnungen minimiert und somit sowohl die touristischen Betriebe als auch die potentiellen Urlauber dazu motiviert, ihr Verhalten an den spezifischen Forderungen nach einer nachhaltigen Tourismusentwicklung auszurichten.

Inwieweit jedoch der Reisestern als möglich Kennzeichnung einer Implementierung entgegensehen kann bleibt fraglich. Einerseits wurde deutlich, dass der stark normative Charakter des Indikatorenmodells eine - aus Sicht der touristischen Dienstleister - objektive Beurteilung von Reiseangeboten nicht in vollem Umfang ermöglicht. Hierzu ist es notwendig die Indikatoren kritisch zu hinterfragen. Andererseits scheint die Nutzung des Reisestern als generelles Kennzeichen für alle Arten von touristischen Dienstleistungen in seinem jetzigen Aufbau ungeeignet, bietet sich jedoch für bisher nicht angedachte Bewertung und Kennzeichnung von Pauschalreisen an.

Übersicht

Fördersumme

5.675,34 €

Förderzeitraum

01.11.1998 - 18.09.2000

Bundesland

Rheinland-Pfalz

Schlagwörter

Umweltkommunikation