Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl von Eltern mit kleinen Kindern
Projektdurchführung
PSY:PLANInstitut für Umwelt- und ArchitekturpsychologieMoczek + Rambow GbR
Libauer Str. 14
10245 Berlin
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Anlass des Projektes waren die 1997 mit Hilfe eines Wegetagebuchs erhobenen Daten zur Mobilität von Kindergartenkindern, die eine überraschend hohe Autobenutzung der Eltern belegten (durchschnittlich 56 %). Das Ziel des Projektes bestand zum Einen in einer weitergehenden empirischen Beschreibung der innerörtlichen Verkehrsmittelnutzung von Eltern in kleinen Gemeinden. Zum Anderen bestand es in der Entwicklung und Umsetzung eines Maßnahmenpakets, in dessen Erstellung sowohl Eltern als auch Kinder partizipativ mit einbezogen wurden. Ziel der Maßnahmen war, das zu Fuß Gehen auf kurzen innerörtlichen Wegen entscheidend zu fördern. Das Projekt war eng mit der Erstellung einer Lokalen Agenda 21 in Sulzbach verknüpft und baute auf der Teilnahme der Gemeinde am bundesweiten Projekt Energie-Tisch auf.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenMit Hilfe des Wegetagebuchs wurde im Sommer 1997 (vor Projektbeginn), im Winter 1999 und im Sommer 2000 an jeweils zehn aufeinanderfolgenden Tagen in verschiedenen Kindergärten untersucht, wie und in wessen Begleitung Kinder zum Kindergarten bzw. von diesem nach Hause gelangen. Insgesamt füllten über 1.500 Kinder ein solches Wegetagebuch aus und dokumentierten dadurch über 25.000 Strecken. Weiterhin wurden psychologische Einflussgrößen des individuellen Mobilitätsverhaltens und deren Beeinflussungsmöglichkeiten untersucht sowie eine umfangreiche Begleitforschung zum Wegerleben von Kindern und Eltern durchgeführt.
Der Intervention, die 1999-2000 folgte, lag eine Matrix zugrunde, die mehrere Ebenen der Intervention (Individuum, Einrichtungen, Gemeinde) mit den Dimensionen eines psychologischen Handlungsmodells (Einstellung ändern, Wissen vermitteln, Anreize schaffen, Konsequenzen wahrnehmbar machen etc.) kombinierte. Da die Intervention in einem komplexen politischen Handlungsfeld implementiert wurde und sich über einen langen Zeitraum erstreckte, musste allerdings in ihrem Verlauf an mehreren Punkten von der ursprünglichen Planung abgewichen werden. Die Evaluation der Maßnahmen erfolgte vornehmlich durch die Erfassung der Verkehrsmittelnutzung.
Ergebnisse und Diskussion
Die Effekte der Intervention bleiben alles in allem hinter den Erwartungen zurück. Auf der Ebene der Gesamtgemeinde ließ sich kein Effekt nachweisen, insgesamt gab es sogar eine leichte Tendenz nach oben (1997: 56 %, 2000: 60 % Autobenutzung). Die Verkehrsmittelnutzung war nach der Intervention in den einzelnen Einrichtungen sehr unterschiedlich. In zwei Einrichtungen war die Autobenutzung deutlich zurückgegangen, in der dritten war sie praktisch gleich geblieben und in der vierten angestiegen. Das kann zum Einen durch unterschiedliche Rahmenbedingungen (z. B. Anteil berufstätiger Eltern in den KiTas), zum Anderen durch das jeweils gezeigte Commitment der beteiligten Akteure in den Institutionen erklärt werden.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Das gesamte Projekt wurde durch eine sehr umfangreiche Öffentlichkeits- und Pressearbeit begleitet. Darüber hinaus wurden Verlauf und Ergebnisse in verschiedenen wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Kontexten (Vorträge, Seminare, Texte) veröffentlicht.
Fazit
Trotz der Teilnahme an den Projekten Energie-Tisch, der Erstellung einer Lokalen Agenda 21 und dem vorliegenden Mobilitätsprojekt wurde in der Gemeinde Sulzbach das Ziel nicht erreicht, dass kurze innerörtliche Wege (hier exemplarisch der Weg zum Kindergarten) häufiger ohne Auto zurückgelegt werden. Die Gründe hierfür sind sehr vielschichtig und können weder durch die Evaluation des Interventionspakets noch durch die begleitenden Untersuchungen vollständig aufgeklärt werden. Das lassen die methodischen Einschränkungen, denen die Evaluation unterlag, nicht zu. Unsere Schlussfolgerungen beruhen deshalb auf den Konvergenzen der Befunde aus den drei Quellen quantitative Evaluation, Begleitforschung und qualitative Beobachtungen während der Projektdurchführung vor Ort.
In Bezug auf die Zielgruppe sind vor allem die folgenden Faktoren als hinderlich auf dem Weg zur Reduktion des Automobilanteils an den Wegen in Erscheinung getreten: Die lokale Angebotsstruktur von Kinderbetreuungseinrichtungen, damit zusammenhängend die Entfernung zwischen Wohnung und Einrichtung sowie die Berufstätigkeit (insbesondere der Mütter) und die damit verbundenen Umstände, also z. B. die Einbindung des Kindergartenwegs in umfangreichere Wegeketten. Diese Faktoren scheinen nach den vorliegenden Daten einen erheblichen Einfluss auf die Verkehrsmittelnutzung zu haben, und sie liegen quasi vollständig außerhalb des Einflussbereiches eines Interventionsprojektes wie dem von uns geplanten und durchgeführten. Sie müssen konsequent im Blickpunkt langfristiger strukturpolitischer Entscheidungen stehen, wenn der innerörtlichen Motorisierung des Verkehrs nachhaltig entgegen gewirkt werden soll. Die enge Verwobenheit von Erwerbstätigkeit, Betreuungsangebot und Verkehrsmittelwahl bestätigt allerdings noch einmal eindringlich den Ansatz der Agenda 21.
Veränderungen auf der Ebene der Gesamtgemeinde oder eines Stadtteiles waren so nur sehr schwer zu erreichen, weil sie der aktiven Unterstützung zu vieler Personen bedürfen. Im vorliegenden Fall zeigten sich Politik und Verwaltung zwar prinzipiell aufgeschlossen, faktisch hat aber die Umsetzung der Einzelmaßnahmen für das vorliegende Projekt und auch für die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit entweder viel zu lange gedauert oder sie wurden überhaupt nicht umgesetzt.
Auch bezüglich der Interventionen, die unmittelbar beim Individuum ansetzen und über Wissensvermittlung und Einstellungsänderung funktionieren, fallen die Schlussfolgerungen nicht allzu optimistisch aus. Sie haben bestenfalls unterstützenden und flankierenden Einfluss, sind aber alles in allem notgedrungen meist zu unspezifisch und zu wenig direkt, um das Verhalten nachhaltig zu beeinflussen. Hier befinden sich unsere Beobachtungen im Einklang mit gängigen umweltpsychologischen Theorien und Befunden. Als sinnvoll erwies es sich, das Thema Kindergartenweg immer in mehrere thematische Kontexte zugleich einzubinden: Lernmöglichkeiten, Spaß und Gemeinschaft von Mutter und Kind, Sicherheit und Gesundheit bzw. Fitness bieten Ansatzpunkte für das Thema, die eine einseitige Fixierung auf die Ökologiethematik vermeiden.
Auf der Ebene der einzelnen Einrichtungen sehen wir realistische Beeinflussungsmöglichkeiten. Auch hier müssen zwei Faktoren zusammen kommen, damit die Wirkung des Programms sich entfalten kann: Die Akteure in den KiTas müssen engagiert teilnehmen wollen und sie müssen dazu - aufgrund der institutionellen, zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen - auch in der Lage sein. Das Commitment der Erzieherinnen, das sich als so zentral für den Erfolg unseres Programms erwies, muss also durch flankierende Maßnahmen gesichert und aufrecht erhalten werden (kontinuierliches empowerment). Die Unterstützung der Erzieherinnen durch einfaches, attraktives und verständliches Informationsmaterial, durch gezielte Informationsangebote und gelegentliche flankierende Aktionen im größeren Maßstab wie z.B. Kinderfeste auf Gemeindeebene stellt dann, wenn zugleich die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung für geeignete Rahmenbedingungen sorgen, den vernünftigsten Weg zur Reduktion des Automobilverkehrs auf dem Weg zum Kindergarten dar.
Fördersumme
66.467,94 €
Förderzeitraum
04.08.1998 - 15.01.2002
Bundesland
Hessen
Schlagwörter