Errichtung einer netzwerkgestützten Chemikalienbörse in der Philipps-Universität Marburg
Projektdurchführung
Philipps-Universität MarburgFachbereich Chemie
Hans-Meerwein-Str.
35032 Marburg
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Bei den an Hochschulen anfallenden Sonderabfällen sind Laborchemikalienreste aufgrund ihrer Menge und Gefährlichkeit hervorzuheben, die u. a. dadurch entstehen, dass Mitarbeiter Chemikaliengebinde selten vollständig aufbrauchen. Nicht benötigte Reste werden zunächst zwischengelagert, ehe sie schließlich teuer entsorgt werden müssen. - Um einen Großteil dieser Laborchemikalienreste nicht entsorgen zu müssen sondern stofflich verwerten zu können, bzw. um die Entstehung und Lagerung gefährlicher Sonderabfälle zu vermeiden, sollte eine netzwerkgestützte Datenbank errichtet werden, in die alle Arbeitsgruppen und Praktika ihre Chemikalien dezentral und in eigener Verantwortung raumweise eingeben können, ohne dass für sie irgendwelche Hard- oder Softwarekosten entstehen. Durch die Verknüpfung dieser Datenbank mit dem Bestellwesen sollte vor Bestellungen jeweils angezeigt werden, ob eine gesuchte Chemikalie an der Universität bereits vorhanden ist und ggf. abgegeben werden kann. Eine Verbreitung an hessische Hochschulen war geplant.
Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Aufnahme von Stoffen in die Datenbank in die mittels Microsoft Access erstellte Oberfläche und die Pflege des Datenbestandes erfolgte dezentral durch die Mitarbeiter der Arbeitsgruppen und bedarf je Stoff nur eines minimalen Aufwandes, da sämtliche Arbeits- und Umweltschutzdaten aus zugänglichen Quellen automatisch eingelesen werden. - Durch Verknüpfung der Datenbank mit dem Bestellwesen sollte sichergestellt werden, dass Mitarbeiter vor Neubestellungen das Vorhandensein von gebrauchsfä-higen Altbeständen prüften. Neben den in der Gefahrstoffverordnung für Chemikalienkataster vorgeschriebenen Daten wurde die Suche chemischer Verbindungen nach verschiedenen Kriterien (Verbindungsklasse, Namensbestandteile, Summenformel, Strukturformel(teile) etc.) ermöglicht. - Der fachbereichsübergreifende Transport vom Absender zum Empfänger ist universitätsintern geregelt. - Da an der Universität unterschiedliche Rechner-Plattformen existieren (PCs, Macintosh- und Unix-Rechner), sollten für die verschiedenen Systeme Clients entwickelt werden, damit die Teilnahme an der Börse systemtunabhängig ist. - Durch die Einbindung des Programms in das WWW sollte die Möglichkeiten verbessert werden, anderen Hochschulen das Programm zugänglich und MS Access als Oberfläche obsolet zu machen.
Ergebnisse und Diskussion
Zur Lösung des Problems der mangelnden Verwertung der an Hochschulen anfallenden Laborchemikalienreste konnte auf der Basis der Datenbanksoftware DB2 der Fa. IBM eine netzwerkgestützte Datenbank aufgebaut werden, in die die Arbeitsgruppen und Praktika am Fachbereich Chemie der Philipps-Universität Marburg dezentral und in eigener Verantwortung die vorhandenen Chemikalienbestände aufgenommen haben und bislang reibungslos verwalten. Mit diesem Datenbanksystem, welches sämtlich auf kommerzieller und für Hochschulen kostenloser Software aufbaut, können nicht nur alle erdenklichen, weit über die gesetzlichen Vorgaben (GefStoffV, § 16, Abs. 3a) relevanten Informationen für Arbeits- und Umweltschutz verwaltet werden, sondern auch Daten von besonderem chemischen Interesse. So wurden vielfältige Auswertungen, z. B. auch nach strukturellen Merkmalen chemischer Verbindungen, implementiert, die zu einer hohen Akzeptanz des Systems geführt haben. - Auch die Zielsetzung, ein bedienerfreundliches, weitgehend selbst erklärendes Programm zu schaffen, wurde erfüllt, da man nach kurzer Einweisung sicher damit operieren kann. Trotz der Vielfalt an Suchmöglichkeiten konnte der Aufwand für die Eingabe von Daten auf ein Mindestmaß beschränkt werden, weil die Mehrzahl der Arbeits- und Umweltschutzdaten aus für Hochschulen kostenlosen und stets aktuellen Quellen bezogen wird.
Mit dieser ersten Programmfassung war es jedoch nicht möglich, die erfolgreichen Vermittlungen von Stoffen bzw. die Rate der Verwertung statt Entsorgung quantitativ zu registrieren, um den ökologischen und ökonomischen Erfolg des Systems nachzuweisen bzw. zu widerlegen zu können. Insofern ist eine kritische quantitative Bewertung des Projekts zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich.
Für die Datensicherung wird eine in der DB2-Software enthaltene Methode verwendet, die gut mit dem an der Universität Marburg etablierten zentralen Tivoli-Backup-System (ehemals ADSM der Firma IBM) zusammenarbeitet. Sie gewährleistet, dass der gesamte Datenbestand täglich gesichert wird, so dass schlimmstenfalls die Änderungen eines Tages verloren gehen könnten.
Die Einführung des Verwaltungsprogramms SAP R/3 an hessischen Hochschulen mit dem Jahr 2001 machte es erforderlich, alle Chemikalienbestellungen über das SAP-Modul MM abzuwickeln. Die ange-strebte Verknüpfung des Datenbankprogramms mit SAP R/3 erwies sich aber als mit vertretbaren Mitteln nicht realisierbar, so dass das Ziel einer automatischen Bestandssuche in der Datenbank bei geplanten Bestellvorgängen aufgegeben werden musste. - Entscheidend ist letztlich, dass bereits diese Version als Datenbank von Chemikern für Chemiker die Erwartungen der Mitarbeiter erfüllte, reibungslos funktioniert und daher am Fachbereich Chemie der Universität Marburg angenommen wurde.
Derzeit wird weiterhin an dem Ziel gearbeitet, beliebige Webbrowser als Bedienoberfläche zuzulassen, so dass es keiner Installationen auf den Rechnern der Endnutzer mehr bedarf. Die Web-Oberfläche läuft bereits als Testversion, funktioniert aber noch nicht störungsfrei, weswegen eine Verbreitung zurzeit noch nicht angezeigt ist. Allerdings wurde mit der Installation der ersten Programmversion bei unseren Kooperationspartnern an den hessischen Partneruniversitäten begonnen.
Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation
Da die Einführung der in Marburg erstellten netzwerkgestützten Chemikalienbörse an allen hessischen Hochschulen geplant war, fand erstmalig im Mai 2000 an der FH Fulda vor Vertretern der hessischen Hochschulen eine online-Installation und eine Vorführung der ersten Version des Programms statt. - Eine Präsentation der zweiten Version (Web-Browser als Oberfläche) konnte bisher nicht erfolgen, weil diese Version noch nicht ganz fertiggestellt wurde und somit nicht verbreitungswürdig ist.
Fazit
Das Marburger Konzept zur Verwertung von Laborchemikalienresten ist ein gleichermaßen programmiertechnisches wie organisatorisches und logistisches und geht als solches von den realen Strukturen, Abläufen und Gegebenheiten chemischer Lehr- und Forschungseinrichtungen aus. Daher halten die Antragsteller in vollem Umfang an den Zielsetzungen (keine zusätzlichen Hard- und Softwarekosten für die dezentralen Nutzer, keine Kosten für die Aktualisierung des Datenbestandes auf dem zentralen Server, kostenlose Server-Software) und am Weg ihrer Umsetzung fest. Die bereits begonnene Installation des Programms an anderen hessischen Hochschulen wird unverzüglich fortgesetzt; an der Fertigstellung der Webbrowser-Oberfläche wurde und wird auch nach Projektende beharrlich weiter gearbeitet werden.
Fördersumme
44.812,18 €
Förderzeitraum
05.08.1998 - 31.05.2002
Bundesland
Hessen
Schlagwörter
Ressourcenschonung
Umweltkommunikation
Umwelttechnik